Bei der „Nationalen Plattform Zukunft der Mobilität“ (NPM) handelt es sich um eine von der Bundesregierung eingesetzte Politikberatungskommission zur „Beobachtung und Analyse gegenwärtiger und zukünftiger Trends im Mobilitätsbereich.“ In der NPM wird über die notwendigen strategischen Weichenstellungen im Mobilitätsbereich beraten. Die Einsetzung der NPM basiert auf dem Koalitionsvertrag der Bundesregierung und wurde am 19. September 2018 durch das Bundeskabinett beschlossen. Als Ziel definiert die NPM „die Entwicklung von verkehrsträgerübergreifenden und -verknüpfenden Pfaden für ein weitgehend treibhausgasneutrales und umweltfreundliches Verkehrssystem. Darin sollen Personen- und Güterverkehr Bestandteil einer effizienten, hochwertigen, flexiblen, verfügbaren, sicheren, resilienten und bezahlbaren Mobilität werden und zur Sicherstellung einer wettbewerbsfähigen Mobilitätswirtschaft sowie zur Förderung des Beschäftigungsstandortes Deutschlands beitragen.“ Die NPM hat ihre Arbeit am 26.09.2018 begonnen.
Die Zusammensetzung der NPM – ein Lobbyverband
Die Politikberatungsgremien der NPM (Lenkungskreis, Redaktion und Arbeitsgruppen) sollen, von wissenschaftlichen Expertisen begleitet, vereinbarte Ziele sowie deren Umsetzung nach Aussagen des Lenkungskreises der NPM „unabhängig und neutral“ an die Bundesregierung kontinuierlich berichtet werden. Die sechs eingesetzten Arbeitsgruppen:
- AG 1: Klimaschutz und Verkehr - beauftragt mit der Maßnahmenformulierung zur Zielerreichung des klimapolitischen Sektorziels, Senkung des CO2-Ausstosses im Verkehr bis 2030,
- AG 2: Nachhaltige Mobilität - Ermittlung und Prüfung technischer, wirtschaftlicher, sozialer und ökologischer Potenziale im Bereich der Elektromobilität sowie alternativer Antriebe und Kraftstoffe,
- AG 3: Digitalisierung, - Automatisiertes Fahren und Prüfung neuer Mobilitäts-konzepte,
- AG 4: Sicherung des nationalen Mobilitäts- und Beschäftigungsstandortes - Prüfung der nationalen Batteriezellproduktion, Rohstoffe und Recycling, Bildung und Qualifikation,
- AG 5: Sektorkopplung - insbesondere Verknüpfung der Verkehrs- und Energienetze,
- AG 6: Standardisierung, Normung, Zertifizierung und Typgenehmigung.
Die Leitungen der sechs Arbeitsgruppen legen ihre (Zwischen-)Ergebnisse dem Lenkungskreis vor, der in einer Gesamtschau die Befunde entsprechend ihres Auftragscharakters in Form von Handlungsempfehlungen an den Auftraggeber berichtet. Die NPM ist im Gegensatz zu der in 2018 ergebnislos eingestellten „Nationalen Plattform Elektromobilität“ (NPE), mit der damaligen Zielvorgabe, „1 Millionen E-Autos bis 2020“ auf die Straße zu bringen, nicht mehr im Wirtschaftsministerium, sondern im Verantwortungsbereich des Verkehrsministeriums angesiedelt. Damit soll der Sektor Verkehr, der aktuell sogar eine Steigerung der klimaschädlichen CO2-Emissionen aufweist, politisch korrekt im Rahmen des Klimaschutzprogrammes seine Aufgabenerfüllung dokumentieren. Mitglieder des Lenkungskreises sind einerseits die sechs Bundesministerien BMVI, BMWi, BMU, BMBF, BMF, BMAS und andererseits Vertreterinnen und Vertreter aus Wirtschafts-, Wissenschafts-, Verkehrs-, Umwelt- und Verbraucherverbänden, Gewerkschaften sowie der Länder und Kommunen. Die NPM umfasst mittlerweile etwa 240 formal definierte Mitglieder. Besonders erwähnenswert ist, dass unter ihren Mitgliedern immerhin ein paar Gewerkschafter vertreten sind. So leitet Jörg Hofmann, Erster Vorsitzender der IG Metall, die Arbeitsgruppe „Sicherung des Mobilitäts- und Produktionsstandortes, nationale Batteriezellenproduktion, Rohstoffe und Recycling und Qualifizierung.“ Wenige Personen aus Umweltverbänden, kaum jemand aus kritischen Umwelt- und Verkehrsverbänden und Stadtinitiativen sind weder im Lenkungskreis noch in den Arbeitsgruppen der NPM vertreten. Nach Jürgen Habermas handelt es sich bei Lobbyverbänden um eine Politikberatung mit der Aufgabe, „…einerseits Forschungsergebnisse aus dem Horizont leitender Interessen, die das Situationsverständnis der Handelnden bestimmen, zu interpretieren, und andererseits Projekte zu bewerten, und solche Programme anzuregen und zu wählen, die den Forschungsprozess in die Richtung praktischer Fragen lenken.“[1] Die Regierungskommission „Nationale Plattform Zukunft der Mobilität“ ist weitestgehend (Struktur und Personal) identisch mit der abgelösten Vorgängerkommission[2]. Bei genauerer Betrachtung der in der Kommission zusammengefassten Mitwirkenden wird eines deutlich: Die Kommission NPM ist eine interessenorientierte Lobby-Plattform der Auto- und Zulieferindustrie unter Einbeziehung autoorientierter angewandter „Wissenschaft“ und Ministerialbürokratie. Die Öffentlichkeit soll über die vorgesehene Pressearbeit sowie über Newsletter und Twitter-Meldungen sowie über die Internetplattform www.plattform-zukunft-mobilitaet.de die jeweiligen Zwischenergebnisse vermittelt bekommen.
Funktionalität und Wirkungsweise der NPM
Unpopuläre Maßnahmen, die primär die Automobilkonzerne vor die Aufgabe stellen würden, einen Realisierungsplan für die Verabschiedung von 2 Tonnen schweren und vollgepackten Fahrzeugen und Fahrzeuge mit Verbräuchen von 3 bis 4 l für kommende Fahrzeuggenerationen zu entwickeln, sind nicht vorgesehen. Dazu ist beispielsweise ein sinnvolles Tempolimit mit all seinen positiven Auswirkungen auf Klima, Umwelt und Verkehrssicherheit zu zählen. Weitere Stellschrauben wie etwa eine Hubraum-Begrenzung für Automobil-Fahrzeuge, eine CO2-Grenzwertverschärfung und deren konsequente Überwachung sowie eine konsequente Förderung von alternativer Mobilität durch ÖPNV sind nicht präzise als Aufgaben vorgegeben. Dies entspräche einer verantwortungsvollen Verkehrspolitik, der sich Verkehrsminister Andreas Scheuer mit seinem Selbstverständnis entsprechend verweigert. Unterlagen der NPM geben Aufschluss darüber, wie die Klimaziele bis 2030 im Verkehrssektor dennoch erreicht werden sollen. E-Mobilität spielt dabei eine essenzielle Rolle. Es handelt sich um Empfehlungen für nachhaltige Mobilität, die der Lenkungskreis der NPM in seiner dritten Sitzung im Frühjahr 2019 beschlossen hat. Die von der Arbeitsgruppe 1 vorgelegten Maßnahmen-Empfehlungen werden dabei als erste konkrete Vorschläge aus dem Verkehrsministerium zur CO2-Reduktion gehandelt. Laut der Koalitionsvereinbarung der Regierung muss der Verkehrssektor wie bekannt seinen Kohlenstoffdioxid-Ausstoß von 163 Mio. auf 98 Mio. Tonnen CO2 pro Jahr senken. In der Mitteilung der NPM heißt es: „Dazu hat die AG 1 sechs Handlungsfelder identifiziert und mit einer systematischen Abschätzung der jeweiligen CO2-Minderungspotenziale sowie durch Berechnungen von Zielszenarien gezeigt, dass die Zielgröße des Sektorenziels 2030 von 95 bis 98 Millionen Tonnen CO2-Emissionen im Verkehrssektor im Grundsatz erreichbar ist. Die AG hat gemeinsam ein Bündel von konkreten Instrumenten mit dem Schwerpunkt „Innovationen, Infrastruktur und Digitalisierung“ erarbeitet. Durch dieses – vorwiegend auf Infrastrukturverbesserung, direkte Förderung und Angebotserweiterung ausgerichtete – Instrumentenbündel kann zusammen mit den bereits beschlossenen EU-Standards ein signifikantes CO2-Minderungspotenzial von 29 bis 39 Millionen Tonnen CO2-Äquvalenten erschlossen werden.“
„Mobilität“ wird auf das Auto beschränkt
Unübersehbar lassen die vorgelegten Zwischenergebnisse der NPM-Arbeitsgruppe erkennen, dass sie als eingesetztes Politikberatungs-Gremium die strukturbestimmende Automobilindustrie im Kern begründen und festigen sollen. Eine Fülle von durchaus vertretbaren Einzelmaßnahmen werden aufgezeigt, ohne aber das Übel an der Wurzel anzupacken, sprich: eine Entscheidungsvorlage für eine radikale Verkehrswende vorzulegen, die eine Eindämmung des Individualverkehrs zugunsten einer infrastrukturellen Verbesserung für den Ausbau des öffentlichen Verkehrs vorsieht, und somit eine drastische CO2–Reduktion bewirken könnte. Im Pkw-Sektor wird vor allem der Umstieg auf Elektro-Fahrzeuge propagiert. Dieser soll durch die Fortführung der Kaufprämie, eine weitere Förderung klimafreundlicher Dienstwagen und einen ebenfalls dauerhaft durch Subventionen beschleunigten Ladeinfrastruktur-Ausbau erreicht werden. Auch regenerative und synthetische Kraftstoffe sollen als wirksames Mittel zur CO2-Reduktion weiter geprüft werden. Keine Rolle spielen aber Elektroautoquoten für die Automobilkonzerne, gekoppelt mit einer eineindeutigen Zielvorgabe einer Energiewende hin zu einer umfänglich regenerativen Energieversorgung des Automobilverkehrs. Und so stößt das Lobby-Konstrukt „Nationale Plattform Mobilität der Zukunft“ zwangsläufig, ihrem Selbstverständnis geschuldet, an ihre Grenzen. Eine an den Interessen der Gesamtgesellschaft erforderlichen Verkehrs- und Energiepolitik-Wende ist für die NPM keine konkrete Zielvorgabe. Passend hierzu führt Elmar Altvater aus: „Idioten sind im klugen Sprachgebrauch der griechischen Polis von vor fast zweieinhalb Jahrtausenden jene Zeitgenossen, die sich, weil ohne Empathie und Weitblick, um das Geschick ihrer Mitbewohner und das Schicksal der kommenden Generationen auf Erden nicht scheren.“ Und weiter: „Das Klima wird zum Kollaps getrieben, und zwar durch die der kapitalistischen Gesellschaftsformation eigenen systemischen Antriebsmechanismen, die daher als Ursachen auf die Agenda des politischen Handelns gesetzt werden müssen“[3]. Der Lobbyverband NPM arbeitet der Automobilindustrie sowie den Energieerzeugern und -verteilern zu. Auch wenn Entscheidungsempfehlungen der AG 1 vom 1. Halbjahr 2019 in das Bundesklimaschutzgesetz einflossen, bleibt „Mobilität“ im Wesentlichen auf das Auto beschränkt, andere Verkehrsformen und Verkehrsmittel spielen folglich keine nennenswerte Rolle. Aus Sicht der Umweltverbände reichen die vom Lobbyverband NPM vorgelegten Empfehlungen für das Klimaschutzziel 2030 allemal nicht. Statt für den Verkehrsbereich in Summe eine Reduzierung um gut 70 Millionen Tonnen CO2 im Vergleich zum Jahr 1990 zu vereinbaren - also gut 40 Prozent -, bleibt nach ihren Recherchen eine Lücke von 16 bis 26 Millionen Tonnen übrig.
Der Lobbyverband als Taktgeber für staatliches Handeln
Die Arbeit in den Verkehrs-Lobbygremien hatte sich zuletzt scheinbar äußerst schwierig gestaltet. Verkehrs- und Wirtschaftsministerium hatten massiv interveniert, um die vor allem vom Verkehrsministerium vorgegebene Fortsetzung der eingeschlagenen Verkehrspolitik nicht zu gefährden. So brachte Verkehrsminister Scheuer unmissverständlich zum Ausdruck, er wolle keine „Verbote, Einschränkungen und Verteuerungen“, sondern „Anreize, Förderung, Innovation“. Der Bundesverband der deutschen Industrie erklärte zunächst, dass ohne einen Preis für den CO2-Ausstoß zu setzen und damit klimaschädliche Verkehrsträger zu sanktionieren die Ziele bis 2030 aber nicht erreicht würden. Die „Nationale Plattform Zukunft der Mobilität“ sei ein Lobbyverein, der alles dranzusetzen hat, den Automobil-Industriestandort Deutschland gegen jegliche Forderungen nach Eindämmung des Individualverkehrs und eines wirksamen Klimaschutzes auch im Bereich des Verkehrs durchzusetzen. Geeinigt hatten sich die Experten letztlich darauf, dass die Regierung prüfen solle, dem CO2-Ausstoß im Verkehr und anderen Bereichen einen Preis zu geben. Es gehe um alle Sektoren, die nicht vom Emissionshandel der EU abgedeckt seien. Das würde auch den Gebäudebereich, die Landwirtschaft und Teile der Industrie betreffen. Ein CO2-Preis würde das Fahren von Autos mit hohem Spritverbrauch teurer machen. Allerdings legte die Arbeitsgruppe auch Wert auf eine sozialverträgliche Gestaltung. Die eingebrachten NPM-Vorschläge lösten beim Industrieverband BDI, der selbst in der Nationalen Plattform seine Stimme der Industrie erhebt, schlussendlich Beifall aus. Die notwendigen Handlungsfelder und Hebel seien klar beschrieben. „Wir wissen nun sehr viel präziser, wie die Mobilität der Zukunft aussehen muss,“ so Holger Lösch, stellvertretender BDI-Hauptgeschäftsführer. Auch der Autoverband VDA, führendes NPM-Mitglied, äußerte sich positiv. „Die Arbeitsgruppe zielt in die richtige Richtung. Kurzfristig hat hier die Elektromobilität eine Schlüsselfunktion“, erklärte der VDA. Für deren Hochlauf seien nun optimale Rahmenbedingungen und „entschlossene Anstrengungen und Investitionen aller Beteiligten“ sowie eine „hohe Kundennachfrage“ nötig.
Widerstand der Umweltverbände
Die Umweltverbände BUND, Nabu, Bündnis Allianz pro Schiene und der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club ADFC meldeten jedoch Widerstand an, nicht zuletzt gegen die Empfehlung der Förderung von alternativen Kraftstoffen wegen deren schlechter Umweltbilanz. Wie sich herausstellte, waren offenbar Mitglieder der NPM aus Umwelt- und Verkehrsverbänden in die Abstimmung der Vorschläge nicht umfänglich einbezogen. Mitglieder der Umweltverbände wandten sich mit einer schriftlichen Stellungnahme an Verkehrsminister Andreas Scheuer und bezeichneten die beschriebenen Maßnahmen für unzureichend, um die Klimaziele zu erreichen. Die zugrundeliegenden Annahmen seien nicht ausreichend belegt und mit zu hohen zusätzlichen Belastungen für den Staatshaushalt verbunden. Sie vertreten die Ansicht, dass die dringend erforderlichen Mittel für den massiven Ausbau des öffentlichen Verkehrs sowie von Rad- und Fußverkehr in hohem Maße durch Mittelumschichtungen aus der Straßenbauförderung und dem Abbau von klimaschädlichen Subventionen finanziert werden sollten. „Wir sind enttäuscht, dass die Kommission sich nicht auf Maßnahmen zur Schließung der Klimaschutz-Lücke einigen konnte“, sagte Dirk Flege vom Bündnis Allianz pro Schiene. Auf dieser Grundlage werde Deutschland seine Klimaziele verfehlen. In einer gemeinsamen Erklärung mit den Umweltverbänden BUND und Nabu sowie dem Fahrrad-Club ADFC bedauerte die Allianz, dass man sich beispielweise nicht auf die Einführung einer Quote für Elektroautos und eine Bonus-Malus-Regelung für Neufahrzeuge, also Abgaben auf Fahrzeuge mit hohem Verbrauch und Zuschüsse für Fahrzeuge mit energieeffizientem Antrieb, geeinigt habe. Der nationale Luftverkehr als klimaschädlichster Verkehrsbereich sei gar nicht angesprochen worden. Ein Maßnahmen-Programm zur Erreichung der Klimaziele 2030 im Verkehr müsse einen Quantensprung hin zu einer nachhaltigen Verkehrswende auslösen, welche die Abhängigkeit der Mobilität von fossilen Ressourcen deutlich reduziere. Dafür müsse der motorisierte Individualverkehr, insbesondere mit Pkw auf Basis von Verbrennungsmotoren und das Wachstum des Straßengüterverkehrs, reduziert werden. Eine Umstellung auf Elektroantrieb allein sei aus Nachhaltigkeitsgründen keine Lösung. Wesentlich seien die Abkehr von dem vorherrschenden autozentrierten Verkehrssystem hin zur Schaffung von attraktiven Alternativen, Investitionen in den öffentlichen Verkehr und Ausbau desselben. Zudem seien die Einrichtung und der Ausbau von sicheren, komfortablen Rad- und Fußwegenetzen sowie intermodale Schnittstellen in einer Gesamtplanung moderner Mobilität einzubeziehen. Aus Gründen des hier vorgegebenen thematischen Bezugs auf die vorherrschende Wirkungsweise der NPM als Lobbyverband und den verfügbaren Ergebnissen der Arbeitsgruppe 1 sei an dieser Stelle auf den jetzt vorliegenden Zwischenbericht verwiesen. Dort finden sich weitere, allgemein gehaltene Ergebnisse aus Arbeitsgruppe 3, Autonome Mobilität im Straßenverkehr, und für die AG 4: Sicherung des Mobilitäts- und Beschäftigungsstandortes, nationale Batteriezellproduktion, Rohstoffe und Recycling, Bildung und Qualifikation. Eine vorausschauende Restrukturierung und Qualifizierung für Beschäftigte werden dabei als Zwischen-Ergebnisse angeführt.
Wozu die Plattform auch nichts sagt
Wie der ADFC (Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club (Bundesverband) e. V. in einem eigenen Gesetzentwurf ausführt, finden im derzeitigen Arbeitsprogramm der NPM Vorschläge für eine fahrradfreundliche Überarbeitung der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) und des höherrangigen Straßenverkehrsgesetzes (StVG) keine Berücksichtigung. Aktuell sei die Gesetzgebung autozentriert und verhindere Wachstum beim Rad- und Fußverkehr sowie anderen Formen der neuen Mobilität. Für den ADFC sollte der Vorrang des motorisierten Individualverkehrs in der Gesetzgebung ein Ende haben. Seine Vision der Mobilität von morgen umschreibt der ADFC wie folgt: Der komplette Personen- und Güterverkehr sollte auf einer regenerativen Energiebasis organisiert werden: fast keine Luftverschmutzung, kaum Lärm, wenig Unfälle, keine Staus, wenig Verspätungen. Das ökologisch dringend Notwendige sei mit einer sinnvollen und attraktiven ökonomischen Verwertung verbunden.
Schlussfolgerungen
Ein schnellerer und umgehend erforderlicher Umbau der Autoindustrie und die begleitenden gesetzlichen Regelungen für eine Mobilität der Zukunft und die Verkehrssicherheit aller VerkehrsteilnehmerInnen sind die Prämissen für eine entschlossene Verkehrspolitik der Zukunft. Dies sollte bei den Nacharbeiten des vorgelegten Klimaschutzprogrammes insbesondere für den Sektor Verkehr eingebaut werden. Die Orientierung auf Elektro-mobilität in Form von stetiger Steigerung der Zahl der Elektro-Pkw weist nicht ausreichend in Richtung Nachhaltigkeit und Klimaverträglichkeit. Sie weist auch nicht in Richtung einer rationalen Verkehrsorganisation. Selbst wenn der Anteil der Elektro-Pkw, trotz seiner vermittelten Ausstiegschancen aus der vorrangigen Verbrennungsmaschinen-Produktion der Autoindustrie ansteigen wird, wäre der Flächenverbrauch gerade in den Städten so groß wie heute. Der Stau wäre derselbe. Die Zahl der Verletzten und Todesopfer infolge des Straßenverkehrs wäre dieselbe. „Ein Auto zu besitzen gibt dir nicht das Recht den öffentlich Raum damit zu besetzen.“ schreibt der Bürgermeister von Pontevedra, Miguel Anxo Fernández Lores. In der spanischen Stadt Pontevedra sind Autos seit fast 20 Jahren weitgehend aus der Innenstadt verbannt, Fußgänger haben Vorrang. Eine grundsätzlich andere Verkehrsmarktordnung ist ein vorrangiges Ziel für einen effektiven Klimaschutzbeitrag im Verkehrssektor. Die bestehende Verkehrsmarktordnung fördert massiv die Verkehrsarten Straßenverkehr, Luftverkehr, u. Schiffverkehr. Die „roten“ Verkehrsarten Autofahren, LKW-Gütertransport u. Luftfahrt sind einzuschränken. Die „grünen“ Verkehrsarten öffentlicher Verkehr mit Bus, Tram, S-Bahn und Bahn (auch als „Umweltverbund“ bezeichnet) sowie Radfahren u. zu Fuß gehen sind zu begünstigen. Die Mobilität der Zukunft vor allem in Städten benötigt ein radikales Umdenken[4]: Weg von erzwungener Mobilität u. autodominierten Städten, Entschleunigung statt Beschleunigung, Eindämmung der Herrschaft der Automobilkonzerne, gute und qualifizierte Arbeitsplätze, geringer Ressourcenverbrauch und weitgehend emissionsfrei. Schlussendlich bedarf es des politischen Handelns zur Entwicklung eines demokratisch kontrollierten Mobilitätssystems auf der Basis einer Plattform Mobilität Verkehrswende.
[1] Jürgen Habermas: Verwissenschaftlichte Politik und öffentliche Meinung. In: Technik und Wissenschaft als Ideologie. Frankfurt/Main 1968/2003, S. 120–145. & Politische Ökonomie (Hall/Soskice 2001 Strange 1996, Streeck 1997, Crouch/Streeck 2000, Scharpf 1999) [2] Vorsitz und Mitglieder des Lenkungskreises der „Nationalen Plattform für Mobilität der Zukunft“: Vorsitz Industrie: Henning Kagermann (acatech), Vorsitz Bundesregierung: StS Guido Beermann (BMVI), StS Ulrich Nussbaum (BMWi) Mitglieder: Martin Brudermüller (BASF SE), Roland Busch (Siemens AG), Joachim Damasky (VDA, Koordinierungsstelle Industriekreis Elektromobilität), Ulrich Eichhorn (Volkswagen AG), StS Jochen Flasbarth (BMUB), Klaus Fröhlich (BMW AG), Jörg Hofmann (IG Metall), Dieter Kempf (BDI), Bernhard Mattes (VDA), Peter Mertens (AUDI AG), Leo Schulz (GGEMO), StS Georg Schütte (BMBF), Norbert Verweyen (innogy SE), Achim Wambach (Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung), Thomas Weber (Daimler AG), Karsten Wildberger (E.ON SE), Mitglieder des Redaktionsteams: Claas Bracklo (BMW AG), Kerstin Bratz (VDA),Robert Echtermeyer (E.ON SE), Dietrich Engelhart (AUDI AG), Patrick Ester (innogy SE), Jan Fischer-Wolfarth (GGEMO), Dominik Haubner (IG Metall), Michael Holtermann (Siemens AG), Mirco Kaesberg (acatech), Matthias Krähling (Volkswagen AG), Klaus Langer (ADAC), Markus Müller-Neumann (BASF SE), Dietmar Oeliger (NABU), Petra Richter (BDI), Leo Schulz (GGEMO), Michael Weiss (Daimler AG), Jens Wutschke (GGEMO) [3] Elmar Altvater: Auszug aus dem Artikel „Nach 150 Jahren ‚Das Kapital‘ – Kritik der politischen Ökonomie am Plastikstrand“ in der Zeitschrift Z, Nr. 111, Sep, 2017 [4] isw–Report Nr. 112/113: Elektro-PKW als Teil der Krise der aktuellen Mobilität & Winfried Wolf: Mit dem Elektroauto in die Sackgasse, 2019