Vom 30. November bis 12. Dezember 2015 fand in Paris der inzwischen 21. UN-Klimagipfel (Conference of the Parties, COP21) mit 195 Ländern statt. Er endete mit einem sog. „Weltklimavertrag“, dem „Paris agreement“. Dieses Abkommen wurde von vielen beteiligten Staaten und in den mainstream-Medien als „historischer Vertrag“ ja sogar als „Quantensprung“ in der globalen Klimapolitik gefeiert. Ist diese Euphorie gerechtfertigt? Wie ist der sachliche Gehalt des Vertrages einzuschätzen? Wie hat sich die Klimabewegung in Paris präsentiert und wie wurde über sie in den Medien berichtet?
UN-System verteidigen
Generell ist zunächst zu betonen, dass der UN-Prozess nach den Regeln der Klimarahmenkonvention (United Nations Framework Convention on Climate Change, UNFCCC) zu verteidigen ist. Ziel dieses Prozesses, der 1992 in Rio de Janeiro auf der Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung (UNCED) beschlossen wurde, ist es nach wie vor, eine gefährliche, menschengemachte Störung des Klimasystems zu verhindern bzw. den anthropogen verursachten Klimawandel auf der Erde zu begrenzen und die globale Erwärmung zu verlangsamen sowie ihre Folgen zu mildern.
Seitdem gab es 21 sogenannte Welt-Klimagipfel. Obwohl die Ergebnisse dieser Klimakonferenzen bisher in hohem Maße unbefriedigend waren, sollte nicht das Kind mit dem Bade ausgeschüttet und der UN-Prozess selbst in Frage gestellt werden. Wir haben leider in unserer Zeit kein besseres Instrument, um dieses riesige Problem des menschengemachten, weltweiten Klimawandels auf globaler Ebene zu verhandeln und zu versuchen, relevante Maßnahmen zu seiner Bekämpfung weltweit zu beschließen. Die regelmäßigen Klimakonferenzen halten das Thema Klimawandel immerhin auf der internationalen politischen Agenda und manifestieren die Tatsache, dass der Klimawandel tatsächlich ein enormes globales Problem darstellt, das alle Staaten der Erde betrifft.
1,5°C – Ziel
Insoweit ist die Tatsache positiv zu bewerten, dass sich 195 (d.h. fast alle) Länder der Erde jetzt auf einen Vertrag geeinigt haben, der das Fernziel der globalen Klimapolitik sogar noch verschärft hat. Zum ersten Mal wurde der Wert von 1,5°C als anzustrebende Grenze für den globalen Temperaturanstieg im Vergleich zur vorindustriellen Zeit genannt. Die Formulierung in Artikel 2 lautet: Der Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur soll klar unter 2°C gehalten werden und es sollen Anstrengungen gemacht werden, um den Temperaturanstieg auf 1,5°C zu begrenzen. In diesem Punkt haben sich die Entwicklungsländer und Inselstaaten durchgesetzt.
Leider sind die daraus unmittelbar folgenden Notwendigkeiten durch den massiven Widerstand der Industrieländer (insbesondere USA und EU) nicht formuliert worden. Es wurde lediglich beschlossen, dass das IPCC (International Panel on Climate Change = sog. “Weltklimarat”) im Jahr 2018 einen Spezialreport anfertigen solle, in dem dazu notwendige Schritte und Szenarien zur Treibhausgasreduzierung im Detail untersucht werden sollen.
Nur schwache, freiwillge Selbstverpflichtungen statt ambitionierter, verbindlicher Maßnahmen
Die Industrieländer haben sich geweigert, auch nur annähernd adäquate Maßnahmen zur sofortigen Reduzierung der eigenen nach wie vor viel zu hohen Treibhausgasemissionen zu beschließen, wie z.B. den unverzüglichen Beginn des Ausstiegs aus der Kohleverstromung. Sie haben sich durch die „Mogelpackung“ der sogenannten „freiwilligen Selbstverpflichtungen (INDC, Intended Nationally Determined Contribution)“ um klare und ambitionierte Maßnahmen gedrückt und damit weitere kostbare Zeit zur Bekämpfung des Klimawandels verloren. Sie wollten nicht auf ihren schändlichen Weg der Profiterzielung aus fossilen Quellen für weitere Jahre und Jahrzehnte verzichten. Leider muss man das so hart formulieren.
Vorläufige Studien schätzen ab, dass die eingereichten Selbstverpflichtungen zur Treibhausgasreduzierung mindestens zu einem Temperaturanstieg von +3"C führen. Die Reduktionsverpflichtungen sind in diesem Vertrag also nicht aus einer übergeordneten Sichtweise - z.B. um das Ziel 1,5 bis 2"C wirklich zu erreichen - abgeleitet, sondern jedem einzelnen Staat bleibt es überlassen, was er sich freiwillig vornimmt. Es gibt weder eine Sanktionsmöglichkeit, wenn die freiwillige Selbstverpflichtung völlig unzureichend ist, noch wenn sie nicht eingehalten wird. Es gibt kein Regime, die Absichtserklärungen bei ihrem Vollzug zu überprüfen, ihre Umsetzung zu kontrollieren, gegebenenfalls Defizite zu sanktionieren - es sind im Wesentlichen Lippenbekenntnisse. Dass eine riesige Lücke zwischen den vorgeschlagenen Selbstverpflichtungen und dem hehren Ziel besteht, die globale Temperaturerhöhung auf weit unter 2"C zu begrenzen, wird selbst in dem Abkommen festgestellt, aber dieser Widerspruch bleibt im Vertrag einfach so stehen. In diesem Punkt haben sich also die Industriestaaten durchgesetzt.
Jetzt wurde sogar verkündet, dass diese Methode der unverbindlichen freiwilligen Selbstverpflichtung prinzipiell viel besser sei, als ein hartes Regime der verbindlichen Emissionsreduzierungen. Verbrämt wurden die eigenen Interessen dabei, indem man sagte, damit sei es nun endlich auch gelungen, alle Staaten der Erde zum Mitmachen zu bewegen. Und dies sei der eigentliche Erfolg, dass nun die „bisher unsägliche“ Unterscheidung zwischen Industrieländer und Entwicklungsländer in der Verantwortung für den Klimawandel aufgehoben sei. Wenn man den Vertrag jedoch genau liest, stellt man fest, dass die Entwicklungsländer wenigstens durchgesetzt haben, dass an etlichen Stellen doch noch auf die unterschiedliche Verantwortung und die unterschiedlichen Fähigkeiten der Länder hingewiesen wird (im Vertragstext (Präambel, Art. 2 und Art. 4) heißt es: „…the principle of common but differentiated responsibilities and respective capabilities, in the light of different national circumstances…”).
Immerhin sollen die freiwilligen Selbstverpflichtungspläne zur Emissionsreduzierung alle 5 Jahre, beginnend mit dem Jahr 2018 überprüft und wenn möglich nachgebessert werden, d.h. frühestens im Jahr 2023. Dies bedeutet zwar eine Überprüfungsdynamik, die in der Zukunft eine Verschärfung der Emissionsreduktionsmaßnahmen erlaubt, aber zunächst einmal müssen die Staaten mit großem fossilen Verbrauch nicht um eine Einschränkung fürchten. Dementsprechend gingen nach dem Klimaabkommen von Paris die Aktienkurse etlicher fossilistischer Energiekonzerne in die Höhe.
Finanzfragen
Ein anderer stark umstrittener Punkt in den Verhandlungen drehte sich um die Finanzierung von Emissionsreduzierung und von Maßnahmen zur Anpassung an schon eingetretene Klimaänderungen. Hier mussten sich die reichen Industrieländer zwar zu der Summe von 100 Mrd $ pro Jahr ab 2020 bekennen, die sie 2009 in Kopenhagen versprochen hatten, aber sie wehren sich auch hier massiv gegen eine einfache und objektiv gerechtfertigte Berechnung ihrer Beiträge zu der Gesamtsumme. Hier kündigt sich ein weiteres Verwirrspiel an: zunächst versuchen Industrieländer, auch Deutschland, ihre üblichen Entwicklungshilfegelder als Klimahilfen umzudefinieren; andererseits sollen nicht nur öffentliche Gelder der Staaten, sondern auch diverse private Gelder, entsprechend als „klimafreundlich“ deklariert, wohl bis hin zu Krediten bei Klimaschutz-Investitionen eingerechnet werden. Bei der Frage der Finanzierung setzten die reichen Industrieländer auf eine bewusste Verkomplizierung der Materie, sodass auf keinen Fall irgendein definierter Anspruch oder eine transparente Berechnungsmethode (s.u.) akzeptiert wurde. Sie setzten vielmehr eine Formulierung (in Art. 9.3 heißt es z.B.: „..developed country Parties should continue to take the lead in mobilizing climate finance from a wide variety of sources, instruments and channels..”) durch, die Tür und Tor öffnet für Interpretationsstreitigkeiten und vielfältige Beeinflussungsmöglichkeiten bis hin zu Erpressung und Korruption.
Loss and Damage
Die stark von Klimaschäden betroffenen Entwicklungsländer, die selbst ja kaum zum Klimawandel beigetragen haben, setzten gegen den Widerstand von Industrieländern durch, dass das Thema „Loss and Damage“ („Verlust und Schaden“) überhaupt in den Vertrag aufgenommen wurde. Damit sind die direkten oft verheerenden Schäden nach klimabedingten Naturkatastrophen in Ländern des globalen Südens angesprochen. Hier wollten die reichen Länder auch auf gar keinen Fall irgendeine Art von Haftung anerkennen. Als billigen Kompromiss einigte man sich auf wachsweiche Formulierungen und als Trostpflaster setzten die Industrieländer die Strategie durch, sich durch einen Obulus (ca. 0,4 Mrd. $) für Versicherungen (lt. BMU v. 14.12.15: „Außerdem wird den armen und verwundbaren Ländern bei der Anpassung und der Bewältigung der Folgen des Klimawandels geholfen, etwa mit der G7-Initiative für eine Versicherung gegen Klimarisiken (420 Millionen US-Dollar sind bereits zugesagt)“) aus dem Thema davonzustehlen und gleichzeitig für Versicherungskonzerne ein neues Geschäftsfeld zu eröffnen.
Fehlende Perspektive einer globalen Klimagerechtigkeit
Ein weiterer Punkt, den man in der Bewertung des Vertrages äußerst kritisch bewerten muss, ist die fehlende Perspektive einer globalen Klimagerechtigkeit. Das Wort Klimagerechtigkeit kommt im ganzen Vertrag nur ein einziges Mal in allgemeiner Form als Schlagwort in der Präambel vor (“… Noting the importance of ensuring the integrity of all ecosystems, including oceans, and the protection of biodiversity, recognized by some cultures as Mother Earth, and noting the importance for some of the concept of “climate justice”, when taking action to address climate change …”). Eine Konkretisierung fehlt im Vertrag völlig.
Dabei greift der Gedanke einer riesigen globalen Ungerechtigkeit im Zusammenhang mit dem anthropogenen Klimawandel weltweit immer mehr um sich. Damit ist die Tatsache gemeint, dass die Haupt-Leidtragenden des anthropogenen Klimawandels viele Länder des globalen Südens sind, diese jedoch kaum zum Problem des Klimawandels beigetragen haben. Andererseits sind aber besonders die industrialisierten Länder des globalen Nordens mit ihren viel zu hohen pro Kopf-Emissionen die Hauptschuldigen des Klimawandels, und meistens auch noch wesentlich weniger von den negativen Folgen betroffen.
Bei den Pariser Verhandlungen wurden Berechnungen konkreter noch zulässiger oder bereits ausgeschöpfter CO2-Emissionsbudgets der einzelnen Länder von vorneherein auf Betreiben der Industrieländer vermieden. Dabei liegen Vorschläge zu einer einfachen, gerechten und transparenten Berechnungsmethode schon seit Jahren vor. Die Industrieländer gehen diesen Betrachtungen, die auf dem Prinzip der Klimagerechtigkeit beruhen, systematisch aus dem Weg, während die Entwicklungsländer bisher nicht organisiert und stark genug sind, um einen solchen Gerechtigkeitsansatz einem Klimagipfel durchzusetzen.
Keine Erwähnung und Anerkennung von Klimaschulden
Unmittelbar aus solchen Emissionsbudgets würden sich für die einzelnen Länder konkrete Finanzschulden (oder –Guthaben) ableiten lassen: Wenn für 1 t CO2-Emission lediglich ein Wert von 40$ angesetzt wäre, würden sich für etliche OECD-Länder erstaunlich hohe negative Finanzbeträge ergeben, z.B. im Jahr 2014 für USA ca. 212 Mrd. $ und für Deutschland ca. 34 Mrd.$. Man kann diese Beträge konsequenterweise auch „Klimaschulden“ nennen. In der Summe der Klimaschuldnerländer kämen ca. 570 Mrd $ pro Jahr heraus (Die bisher aufgelaufenen Klimaschulden sind hierbei noch nicht berücksichtigt). Damit könnte zumindest ein gewisser Ausgleich für die oben ausgeführte Ungerechtigkeit geleistet werden und es könnten - unter strenger UN-Kontrolle - relevante Maßnahmen zum Klimaschutz und zur Anpassung an den Klimawandel in Ländern des globalen Südens gefördert und finanziert werden. Um ein Finanzvolumen in dieser Größenordnung geht es also eigentlich, wenn man objektiv wissenschaftliche Maßstäbe und das Prinzip der Klimagerechtigkeit zugrunde legt; das heißt die diversen Finanzzahlen im Parisvertrag sind also immer im Verhältnis zu diesen Zahlen zu bewerten. Dabei ist festzuhalten, dass bei dieser Berechnungs-Methode keineswegs die gesamten historischen CO2-Emissionen seit der Industrialisierung Berücksichtigung finden, sondern nur die CO2-Emissionen seit 1990! Die Begründung für diese Vorgehensweise lautet: Erst ab 1990 – mit dem ersten IPCC-Bericht – ist die Tatsache des anthropogenen Klimawandels unbestreitbar, da wissenschaftlich belegt und global durch die UN publiziert.
In Paris setzten die Industrieländer aber massiv durch, dass derartige, eigentlich naheliegende Betrachtungen kategorisch ausgeschlossen wurden. So sagte – laut Prof. Martinez Alier – Todd Stern, der US-Sonderbotschafter für die Klimaverhandlungen in Paris (und auch schon seit 2009 in Kopenhagen), dass er zwar sehr wohl die historische Rolle der USA im Hinblick auf die Treibhausgasemissionen kenne, aber den Gedanken der Schuld oder dass Reparationen zu zahlen wären, das lehne er kategorisch ab!
So ist also im Klimavertrag auch kein einziges Mal von einer historischen Schuld die Rede. Die Entwicklungsländer konnten lediglich durchsetzen, dass die oben schon erwähnte Formel von der „gemeinsamen, aber differenzierten Verantwortung“ beim Klimawandel, die ja schon seit 1992 in den Dokumenten steht und allgemein die unterschiedliche historische Rolle verschiedener Staaten bei der Verursachung des Klimawandels impliziert, im Paris-Abkommen nicht völlig gestrichen wurde.
Keine direkte Benennung fossiler Rohstoffe
Ein weiterer sehr kritikwürdiger Punkt des Pariser Abkommens liegt darin, dass die wichtigste Ursache des menschengemachten Klimawandels, nämlich der enorme Verbrauch fossiler Rohstoffe, mit keinem Wort direkt angesprochen wurde und damit auch keine verbindlichen Pläne zum raschen Ausstieg aus den fossilen Rohstoffen zu finden sind. Das Wort „Decarbonisierung“ wurde vermieden, stattdessen wurde zum ersten Mal im internationalen Klimaprozess der Gedankengang von quasi negativen Emissionen (s. Artikel 4.1: “…to achieve a balance between anthropogenic emissions by sources and removals by sinks of greenhouse gases in the second half of this century…”) in einem UN-Klimapapier eingeführt. Damit wird die gefährliche Hoffnung erweckt, dass in der 2. Hälfte dieses Jahrhunderts Treibhausgase großtechnisch wieder aus der Atmosphäre herausgeholt werden könnten, sodass man in der Bilanz zu null Treibhausgasen kommen könne, ohne auf das Verfeuern fossiler Rohstoffe verzichten zu müssen. Bei diesem Gedankengang kann lediglich die großflächige Aufforstung befürwortet werden, während alle anderen derzeit denkbaren Varianten wie die großtechnische Entnahme von CO2 aus der Atmosphäre und dessen unterirdische Speicherung (CCS) oder die Kombination der CCS-Methode mit Biomasse (BECCS) oder die Erhöhung der CO2-Aufnahmekapazität der Ozeane durch deren Düngung als hochriskant abzulehnen ist. Diese gefährlichen Illusionen sind leicht als Gedankenspiele von fossilistischen Interessengruppen zu erkennen.
Trotz Ausnahmezustand: Starke alternative Klimabewegung
Ein in den Mainstream-Medien völlig vernachlässigter Aspekt des Klimapifels in Paris betrifft die vielfältigen Veranstaltungen und Aktionen der internationalen Klimabewegung, die außerhalb des offiziellen Konferenzgeschehens in Le Bourget an verschiedenen Orten in Paris präsent war. So gab es am 5. und 6. Dezember in der Vorstadt Montreuil einen alternativen Klimagipfel mit über 250 parallelen Konferenzen und Workshops. Neben vielen anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen aus der ganzen Welt war auch das linke europaweite Netzwerk Transform zum Thema Energiedemokratie und Klimagerechtigkeit mit mehreren Veranstaltungen vertreten. Außerdem gab es auf dem zentralen Platz der Großstadt einen Ökomarkt, Informationsstände verschiedenster zivilgesellschaftlicher Gruppen, verschiedenene Kulturveranstaltungen und Aktionen. Dass es trotz Ausnahmezustand möglich war, für Veranstaltungen ein Schul-Zentrum, den zentralen städtischen Platz und sogar das Rathaus zur Verfügung zu haben, ist wohl nicht zuletzt dem kommunistischen Bürgermeister zu verdanken. Auch während der zweiten Gipfelwoche gab es an jedem Tag weitere Aktionen und Veranstaltungen, unter anderen mit Naomi Klein und Jeremy Corbyn.
Die größten Massenaktionen wurden von vorneherein für den Samstag den 12. Dezember geplant. Die Devise lautete „Wir haben das letzte Wort“. So gab es eine große eindrucksvolle Massendemon¬stration zwischen Arc de Triomphe und La Defense mit mehr als 40.000 Teilnehmern, die mit allerlei roten Utensilien und Tüchern der Symbolik „Rote Linien dürfen nicht überschritten werden“ gewid¬met war. Die Stimmung der Teilnehmer war kämpferisch, wie auch bei der Kundgebung der 20.000 beim Eiffelturm. Der Haupttenor der Klimabewegung war kritisch, vor allem unter dem Aspekt, dass das Paris-Abkommen 3 bis 4°C Klimaerwärmung bedeuten wird.
Das Thema Klimagerechtigkeit und Systemkritik spielte in vielen Diskussionen und öffentlichen Äußerungen eine große Rolle. Allerdings muss das Thema „climate justice“ auch in der Klimabewegung noch konkreter verstanden und dargestellt werden, um international mehr Druck aufzubauen, damit der Aspekt konkreter Klimaschulden in Zukunft nicht mehr geleugnet und am Ende auch deren Begleichung in Klimaverhandlungen durchgesetzt werden kann. Auch die konkrete, aktive Anti-Kohle-Bewegung war stark präsent, so die deutsche Klimacamp-Bewegung „Ende Gelände“, aber auch internationale Protestbewegungen gegen Kohleabbau und –Verstromung in anderen Ländern. Ziel ist eine Verstärkung der vielfältigen Widerstandsaktionen weltweit an Brennpunkten der Fossilindustrie und eine stärkere internationale Vernetzung. Einigkeit bestand darin, dass das Paris-Abkommen auf keinen Fall als ein Abkommen interpretiert werden kann, das quasi aus eigener Kraft zu mehr Klimaschutz führt, sondern dass insbesondere auch das verschärfte Ziel in Richtung 1,5°C genutzt werden soll, um die globale Klimabewegung und regionale Aktionen zu forcieren und mehr Druck für wesentlich ambitioniertere konkrete Klimaschutzmaßnahmen zu entfalten. Notwendig ist auch eine stärkere Verbindung mit der sozialen Frage der Arbeitsplätze und sozialer Energiepreisgestaltung.
Fazit
Wie ist also das Paris-Abkommen insgesamt zu bewerten? Auf keinen Fall ist die Euphorie gerechtfertigt, wie sie offizielle Diplomaten nach dem Abschluss der Verhandlungen in Fernsehbildern und Stellungnahmen zeigten. Anzuerkennen ist, dass viele Entwicklungsländer um substantielle Fortschritte und ambitioniertere Maßnahmen gegen den Klimawandel gekämpft haben. Immerhin haben sie bestimmte Positionen und Formulierungen, die in dem bisherigen Klimaverhandlungsprozess erreicht wurden, verteidigt. Bei der Verschärfung des Fernziels auf deutlich unter 2°C als anzustrebende Grenze für den globalen Temperaturanstieg haben sie sogar einen Erfolg erzielt. Aber in der Substanz des Kampfes gegen den Klimawandel wurden in keiner Weise ausreichende Maßnahmen beschlossen. Die reichen kapitalistischen Staaten haben verhindert, dass klare auf objektiv begründeten, transparenten Regeln beruhende Reduzierungspläne verbindlich beschlossen wurden. Es wurde weder ein klares Votum gegen das auf fossilen Brennstoffen beruhende Energie- und Verkehrssystem noch für ein alternatives Ernährungssystem ausgesprochen. Mit dem Prozess der freiwilligen Selbstverpflichtungen wurde sogar ein völlig inakzeptabler Pfad in Richtung auf eine globale Temperaturerhöhung von mindestens + 3°C beschritten und damit das selbst proklamierte Ziel von 1,5°C konterkariert. Auch in der Frage der Finanzierung wurde in keiner Weise eine ausreichende und gerechte Vereinbarung beschlossen. Manche verurteilen deshalb den Vertrag sogar als menschenverachtend und verlogen, vor allem, wenn man an zukünftige Opfer des Klimawandels denkt.
Das ganze Geschehen rund um den Klimagipfel, offiziell in Le Bourget und inoffiziell in der ganzen Stadt in diesen zwei Wochen stellt ein Abbild der heutigen Kräfteverhältnisse dar. Dies ist dadurch charakterisiert, dass die dominanten kapitalistischen Mächte ihre Dominanz in jedem Fall aufrechterhalten wollen. Zudem sind die stärksten Machtgruppen im kapitalistischen Weltsystem –Energie-, Auto-, Flugzeug- und Rüstungskonzerne - eng verbunden mit dem fossilistischen Produktions- und Konsumptionssystem. Diese Herrschaftsgruppen haben trotz gegenteiliger Imagepflege kein wirkliches Interesse, auf ihre Macht und Profite aus der Ausbeutung fossiler Rohstoffe und der Weiterverwendung der bisherigen Verbrennungs-Technologien im Energie-, Produktions- und Verkehrssektor zu verzichten. Dagegen gibt es eine starke, aber noch lange nicht ausreichend machtvolle globale Klimabewegung, die sich auf vielfältige regionale und lokale Gruppen stützen kann. Die Losungen von Kopenhagen „system change not climate change“ und „climate justice“ bleiben auch nach Paris weiterhin aktuell.