UN-Generalsekretär Ban Ki Moon hat am 23. September 2014 – einen Tag vor der Eröffnung der jährlichen Generalversammlung in New York – die politischen Führer aller Staaten zu einem eintägigen KlimaSondergipfel in das UNO-Hauptquartier gebeten, um der Klimapolitik im globalen Kontext wieder mehr Antrieb zu geben. Dieses Klimatreffen ist zu unterscheiden von den Klimagipfeln, die unter der UNRahmenkonvention zum Klimawandel (UNFCCC = United Nations Framework Convention on Climate Change) jährlich im November/Dezember in jeweils unterschiedlichen Städten der Welt stattfinden. Dieses hochrangigste Klimatreffen sollte dem UNFCCC-Prozess vor allem auch im Hinblick auf die avisierte Klimakonferenz im Dezember 2015 in Paris COP21 – (COP = Conference of Parties) neuen Schwung verleihen, um dort endlich einen ambitionierten Klimavertrag zu verabschieden, der allerdings dann erst 2020 in Kraft treten soll.

Fakt ist: Immer noch steigen die globalen Treibhausgasemissionen im beängstigenden Ausmaß an.

Es kamen mehr als 120 Staatsund Regierungschefs aus aller Welt, u.a. Barack Obama, Francois Hollande, David Cameron nach New York. Sie drückten damit immerhin ihren Willen aus, das Klimaproblem zumindest verbal wieder ernster zu nehmen. So sagte Obama den sicher richtigen Satz: „Wir sind die erste Generation, die die Folgen des Klimawandels spürt und wir sind die letzte, die etwas dagegen tun kann.“ Und er fuhr dann fort, er wolle nun zusammen mit China „die Führerschaft“ in der internationalen Klimapolitik übernehmen. Konkrete Zusagen vermied er allerdings peinlich. Dabei emittiert USA pro Kopf immer noch 2 ½ Mal so viel CO2 wie China und fast 10 Mal so viel wie Indien. Und selbst wenn nur ab 1990, dem Jahr des ersten IPCC-Berichtes gerechnet wird, hat die USA schon mehr als doppelt so viel emittiert wie ihr nach einem globalen Klimagerechtigkeitsansatz gemäß ihrer Bevölkerung bis 2050 zusteht,
d.h. die USA hat selbst in der kurzen Zeit seit 1990 schon enorme „Klimaschulden“ angehäuft, die sie eigentlich ausgleichen müsste. Davon ist allerdings bei Obama, aber auch bei Hollande und Cameron in
keiner Weise die Rede.

Bundeskanzlerin Merkel verzichtete gleich ganz auf eine Teilnahme in New York und drückte damit auch symbolisch aus, dass sie derzeit noch nicht mal mehr ihr früher zur Schau gestelltes Klimaengagement verfolgt. Sie sprach lieber beim Tag der deutschen Industrie – auch eine Symbolik, die jedoch der Realität ihrer industriefreundlichen Klimapolitik u.a. bei der „Rückwärts-Energiewende“ im Dienst der Konzerne Rechnung trägt. Dagegen baten viele Regierungschefs von ärmeren Staaten, die oft jetzt schon und in Zukunft wohl noch viel mehr besonders hart von Klimaveränderungen betroffen sind (die sie jedoch kaum verursacht haben), in eindringlichen Worten um mehr Verantwortungsbereitschaft der reichen Industrieländer (die Hauptverursacher der bisherigen schädlichen Treibhausgase sind). So prangerte der bolivianische Präsident Evo Morales die Konsumund Profitgier des Kapitalismus an „Es ist bedauerlich, dass das Thema der Märkte und der Preise für CO2-Emissionszertifikate auf der Agenda dieses großen Gipfeltreffens über den Klimawandel einen zentralen Platz einnehmen. Einige Länder versuchen, aus dem Klimaschutz eine Gelegenheit für ein Geschäft zu machen.“ Man müsse aber zu „realen und verantwortungsvollen Lösungen“ kommen. Dazu gehöre neben einer Reduzierung der Treibhausgas-Emissionen vor allem eine „Veränderung der Entwicklungsmodelle, die auf Konsum, Kapital und Markt orientiert sind“. Auch Venezuelas Präsident Nicolás Maduro machte völlig zu Recht das herrschende globale Wirtschaftssystem für den Klimawandel verantwortlich: „Der Kapitalismus hat über Jahrzehnte ignoriert, wieviel die Natur ertragen kann. Unter der Logik des Kapitalismus ist Wirtschaftswachstum unvereinbar mit dem Überleben des Planeten“ (bzw. mit dem Leben auf der Erde, wie wir es kennen H.S.). Auch erinnerte er daran, dass seit 2009 – er begleitete damals Hugo Chávez als Außenminister nach Kopenhagen fünf Jahre vergangen sind, ohne dass es substantielle Fortschritte gegeben habe. Er sagte „Wenn es gestern schon spät war, wird es bald zu spät sein…. Und noch immer sehen wir kein Licht am Ende des Tunnels…“. Und er fragte, an die kapitalistischen Metropolen gerichtet: „Wie lange noch sollen uns kapitalistische Lösungen innerhalb dieses alten, zerstörerischen Systems angeboten werden, um Probleme zu bewältigen, die es in den vergangenen 100 Jahren selbst geschaffen hat?“

Verhandlungen waren bei diesem eintägigen Treffen von vorneherein nicht geplant. Aber es ist Ban Ki Moon immerhin gelungen, das Klimathema wieder auf die Tagesordnung der internationalen Politik zu setzen. Ob sich allerdings die positive atmosphärische Dynamik tatsächlich bald in realen, ambitionierten Verhandlungsergebnissen niederschlägt, muss leider nach allen bisherigen Erfahrungen bezweifelt werden. Besonders wichtig in diesem Zusammenhang ist es aber, dass es am Wochenende vor diesem Klimasondergipfel die größte globale Mobilisierungswelle gegen den Klimawandel rund um den Globus gegeben hat. So kamen in über 160 Ländern bei mehr als 2500 Aktionen, Kundgebungen und Demonstrationen 500.000 bis 1 Million Menschen zusammen, um für konsequentere Maßnahmen gegen den Klimawandel zu demonstrieren. So waren alleine am Sonntag, den 21. September, in New York mehrere Hunderttausend, in London über 40.000 und z.B. in Berlin, Bogota, Lissabon, Manila, Mexico-City, Neu Delhi, Sydney und Rio jeweils mehrere zehntausend Menschen auf der Straße. Auch viele Prominente, wie der derzeiti und der ehemalige
UN-Generalsekretär Ban Ki Moon und Kofi Annan, der ehem. US-Vizepräsident Al Gore, New Yorks Bürgermeister Bill di Blasio, Schauspieler wie Mark Ruffalo, Edward Norton, die britische Oscar-Preisträgerin Emma Thompson und Sänger wie Sting oder Peter Gabriel und sogar auch die französische Umweltministerin Ségolène Royal und der französische Außenminister Laurent Fabius mischten sich unter die Demonstranten. Leonardo di Caprio z.B. griff direkt und unmissverständlich die Privilegien und Subventionen für die fossilistischen Konzerne an und forderte deren Abschaffung.

In diese Richtung muss es weitergehen, um weltweit die herrschenden Kräfte einerseits zu den notwendigen, viel schärferen Reduktionsmaßnahmen im jeweils eigenen Land und andererseits im internationalen Rahmen zur Anerkenntnis ihrer Klimaschulden und daraus resultierend zur Einrichtung eines UN-Ausgleichs-Klimafonds in Höhe von mindestens 500 Mrd. $ pro Jahr zu bewegen. Dazu sind sie bisher in keiner Weise bereit, in diese Richtung muss aber ein längerer internationaler Kampf auf allen Ebenen geführt werden. Dazu waren diese Tage ein ermutigender Schritt, vielleicht auch Impulsgeber und Mahnung. In diesem Sinne muss bzw. kann man die Initiative von Ban Ki Moon anerkennen und befürworten.