Die Treuhandanstalt sollte die DDR-Wirtschaft privatisieren. Bis heute gilt die Behörde als Inbegriff aller Übel der Wendezeit. Eine Aufarbeitung hat noch nicht stattgefunden. „Das Treuhand-Trauma ist nicht überwunden!“ Das sagte Dietmar Bartsch, damals Vorsitzender der Linksfraktion, im Bundestag im April 2019. Treuhand-Trauma? Junge Menschen wissen oft gar nicht, was die Treuhandanstalt war. Bei den Alten aber sträuben sich die Nackenhaare beim Gedanken an sie; ihre Nachwende-Erfahrungen sitzen tief. Damals privatisierte die Treuhand die DDR-Wirtschaft. Eine behutsame Transformation sollte es sein. DDR-Bürger:innen sollten an der Umwandlung des einstigen Volkseigentums teilhaben. Das war Ziel des Runden Tisches; es blieb Illusion. Der Auftrag der Treuhand, die Sanierung von DDR-Betrieben, fiel schnell dem (westdeutschen) Markt zum Opfer. Es kam Privatisierung im Turbo-Tempo. Verkäufe, Abwicklungen, Stilllegungen. Nicht selten wechselten Betriebe für den Symbolpreis von 1,00 DM die Besitz:innen. Vor allem westdeutsche Firmen kauften sich ein. Sie versprachen Investitionen. Manche hielten ihre Versprechen, andere nicht. Es folgte ein strukturelles Fiasko. Massenarbeitslosigkeit, leer stehende Fabriken und soziale Armut. Laut Europäischer Union glich der Osten Deutschlands Mitte der 1990er dem italienischen Sizilien. Beide waren arm, strukturschwach und ohne Arbeit. Die Folgeschäden der Wendezeit – ohne die Treuhand sähen sie anders aus.
Nur wenige Ostdeutsche wollen über ihre Erfahrungen von damals sprechen
Bis heute ist diese Zeit nicht aufgearbeitet. Angst, Enttäuschung und Demütigung, sie sitzen tief vergraben in persönlichen Schicksalen. Nur wenige Ostdeutsche wollen über ihre Erfahrungen von damals sprechen. Den schwarzen Peter bekommt nicht selten die Treuhand zugeschoben. Sie habe, schreiben Autor:innen, den Osten „geschlachtet“, durch „Helden und Halunken verkauft“ und im „Raubzug geplündert“. Sie sei schuld an den strukturellen Abhängigkeiten, die die Ost-West-Beziehungen bis heute prägen. Aktuell nutzt die AfD solche Schwarz-Weiß-Malerei. „Vollende die Wende“ hieß es zum Wahlkampf. Jetzt macht sich die Partei für die Aufarbeitung der Treuhand-Geschichte stark. Die AfD als Partei, die ostdeutsche Erfahrungen versteht? Auch die AfD-Elite kommt doch vor allem aus dem Westen! So wird passend gemacht, was nicht so recht passen will. Hauptsache, die Wut von damals bringt Wähler:innen-Stimmen von heute. Alles auf Kosten der Geschichte, versteht sich. Die Treuhand-Forschung des Instituts für Zeitgeschichte (IfZ) zeigt dagegen eine hoffnungslos überforderte Behörde: Hinter den Kulissen herrschte Chaos. Trotz ständiger Personalwechsel und Arbeitsüberlastung privatisierte die Treuhand Betriebe im Minutentakt. Daraus konnte ja nichts werden. Jedenfalls nicht so, wie ursprünglich gedacht. Die politische Verantwortung lag auf Bundesebene. Steckt hier vielleicht der schwarze Peter?
Wie viel Spielraum hatte die Treuhand wirklich?
Seit Wochen durchforste nun auch ich Treuhandakten im Bundesarchiv. Vier Jahre wartete ich auf Aktenzugriff; jetzt untersuche ich die Privatisierung von DDR-Zeitungsverlagen. Also, was lief hinter den Kulissen, und wie viel Spielraum hatte die Treuhand wirklich? Was ist dran an „Lügenpresse“-Vorwürfen? Klingt spannend, ist aber anstrengend. Zur Treuhand zu forschen ist, als laufe man in einem Labyrinth, das sich ständig ändert. Hat man einen Weg gefunden, endet er schon wieder. Aber so ist Geschichte. Sie ist nicht schwarz-weiß. In ihr zeigen sich die vielen Kämpfe der Gegenwart, und die sind eine ehrliche Aufarbeitung wert.