Die britische Zeitung „The Guardian“ brachte kürzlich eine Story, die in Deutschland fast unterging. Uber, das millionenschwere Taxi-App-Unternehmen aus den USA, missachtete weltweit Gesetze, täuschte Behörden und betrieb heimlich Lobbyarbeit. Auch in Deutschland. Der Technologie-Riese wollte global expandieren – koste es, was es wolle. Der Einsatz scheint sich gelohnt zu haben. Die Uber-App ist ein Silicon-Valley-Exporterfolg! Trotz weltweitem Widerstand ist sie in 77 Ländern und mehr als 600 Städten nutzbar – 14 davon in Deutschland, inklusive in Berlin.
Ubers Erfolg kam nicht nur Dank freudiger Konsument:innen. Mehr als 124.000 geleakte Emails und Textnachrichten, bekannt als die Uber-Akten, belegen die fragwürdigen Praktiken des Konzerns in den Jahren 2013 bis 2017. Uber verstieß wissentlich gegen Taxivorschriften, lobbierte Staatsführer:innen, Milliardäre und Medien, und finanzierte Forschungsvorhaben. Kritiker:innen der Uber-Praktiken kamen im Konzern nicht gut weg. Olaf Scholz zum Beispiel. Der damalige Bürgermeister von Hamburg wehrte sich gegen die Uber-Lobbyist:innen. Er bestand auf gute Arbeitsbedingungen und Mindestlohn für Taxi-Fahrer:innen. Ein Uber-Manager kommentierte damals, der heutige Bundeskanzler sei „ein echter Komiker“. Klar, wer braucht schon faire Arbeitsbedingungen und soziale Absicherung, wenn er Wild-West-Wirtschaftsstrategien haben kann?
Uber ist allerdings nicht allein mit seinen umfassenden Marktstrategien. Auch andere US-Technologie-Riesen expandierenden global und ziehen dafür viele Register. Apple, Microsoft, Amazon und der Google-Mutterkonzern Alphabet zum Beispiel – sie gehören aktuell zu den wertvollsten Unternehmen der Welt nach Marktkapitalisierung. Sie haben auch mit die höchsten Lobby-Ausgaben in Europa – noch vor der mächtigen Auto-, Pharma- oder Finanz-Lobby! Fast 100 Millionen Euro gab die Technologiebranche im Jahr 2021 aus, um EU-Gesetze zu beeinflussen. Der Grund: In der EU werden mit dem Digital Markets Act und dem Digital Services Act strengere Regeln für digitale Plattformen erarbeitet. Dagegen wehren sich die Technologiekonzerne mit vereinten Kräften. Laut der Plattform Lobbycontrol kam der Großteil der Lobbygelder von den US-Monopolisten. Die unterstützen nebenbei auch eine Vielzahl von Verbänden und Denkfabriken und (natürlich) die Wissenschaft.
Seit Jahren setzen Technologie-Konzerne auf Wissenschaftslobbyismus. Mit sechsstelligen Beträgen unterstützen sie Forschungsinstitute und -vorhaben, die ihre politischen Positionen stärken soll – Facebook beispielsweise sponserte die Forschung über Künstliche Intelligenz an der Technischen Universität München mit rund 6,5 Millionen Euro; Google unterstützte das Alexander von Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft finanziell (HIIG). Ubers Lobby-Zielschreibe waren vor allem Wirtschaftswissenschaftler:innen in Frankreich und Deutschland. Dort griffen die Behörden in den Jahren 2014 und 2015 besonders hart durch.
Eine willige Lobby-Zielscheibe war Prof. Justus Haucap. Der Ökonom an der Universität Düsseldorf erarbeitet, laut „The Guardian“, mit anderen Wissenschaftler:innen eine Studie über die „Vorteile einer Liberalisierung des deutschen Taximarktes für die Verbraucher“. Bezahlt wurde sie (wen wunderts) von Uber. 48000 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer ließ der Konzern für diese Studie springen. Im Gegenzug sollten die Wissenschaftler:innen auf Veranstaltungen, in Medien und Presse für ihre Forschung werben. Nach freier und unabhängiger Wissenschaft klingt das nicht, oder?
Prof. Haucap ist sich allerdings keiner Schuld bewusst. Auf Twitter verweist er auf eingehaltene wissenschaftliche Standards und auf ähnliche Uber-Studien aus den USA. Ein „echter Komiker“ könnte man meinen. Aber auch Wissenschaftler:innen sehen nicht selten den Wald vor Bäumen nicht. Zum Bespiel dann, wenn die eigene Forschung Teil breiter Lobbykampagnen wird. Dann wird schon die Forschungsfrage Teil des Problems. Denn wer das Geld gibt, setzt die Agenda – Wissenschaftsstandards hin oder her. Auch legitimiert Uber-Forschung in den USA nicht deren Wiederholung. Denn unabhängig und frei ist diese Forschung im Dienste von Unternehmen nicht. Im Tausch gegen Geld, Datenzugang und Ansehen kostet sie sich nichts weniger als akademische Integrität. Selbst die Komiker sollten das verstehen.