Die G7, die Regierungen von USA, England, Frankreich, Deutschland, Japan, Italien und Kanada, treffen sich Ende Juni 2022 auf Schloss Elmau. Wie schon sieben Jahre zuvor, als sie im schönen Oberbayern auf den globalen Protest von Friedens- und antiimperialistischen Bewegungen aller Art stießen. Auch diesmal hat sie mit dem Widerstand der Bewegungen zu rechnen, die an Frieden, Demokratie, sozialer Gerechtigkeit, fairem Handel und gerechter Wirtschaft zwischen und in den Nationen und an der Gesundheit aller Völker interessiert sind. Denn als deren bedeutendster Widerpart erweist sich die G7 in der internationalen Politik. In den Jahrzehnten seit ihrer Gründung vor fast vierzig Jahren hat sich die G7 von einem politischen Kolloquium zu einem fester gefügten politischen Hebel des globalen Kapitals entwickelt. Zwar gibt es weder einen Generalsekretär noch eine zentrale Bürokratie. Doch zum einen gehören zu den sieben Regierungschefs schon seit Jahrzehnten Vertreter der EU. Zum anderen kommen zu den jährlichen Konferenzen der Regierungschef regelmäßige Sitzungen der Außen- und Finanzminister hinzu, wie auch bei Bedarf von VertreterInnen der übrigen Ministerien. Sherpas und Sous-Sherpas sind das ganze Jahr über mit der Abstimmung der oft divergierenden Interessen der sieben Regierungen beschäftigt, sodass sie in der Regel mit gemeinsamen, mindestens abgestimmten Vorstößen in der internationalen Politik auftreten können – ob Wirtschaft, Handel, Klima, Gesundheit, Kultur. Mit NATO und AUKUS hat die G7 ihre bewaffneten Arme im Atlantik und Indopazifik. Die deutsche Regierung, die 2022 den Vorsitz der G7 innehat, formuliert als Themenfelder, auf denen diesmal einheitliches Handeln auf Schloss Elmau erreicht werden soll, folgende fünf Schwerpunkte:

  1. Umwelt und Klima, „bei einer beschleunigten globalen Energiewende“;
  2. das globale Wirtschaftssystem, „Weichenstellungen für die wirtschaftliche Erholung“;
  3. „eine verbesserte internationale Gesundheitsstruktur“;
  4. „Investitionen in eine bessere Zukunft“, vor allem für „Partnerschaften zu Klima, Energie und Entwicklung“;
  5. „ein starkes Miteinander“, das nicht zuletzt für die „Verteidigung freiheitlicher Demokratien“ zu sorgen hat, die klare Kampfansage an China und andere „Autoritären“. Das aktuelle Arbeitsprogramm des globalen Kapitals wird ebenso klar umrissen wie die Ziele, die erreicht werden.

Fragen wir zunächst nach der politischen Relevanz der G7. Zu Zeiten ihrer Gründung hatte die G7 noch ein weit höheres wirtschaftliches Gewicht, um ihren Zielen mit zivilen Machtmitteln Nachdruck zu verleihen. Damals stellten die sieben Staaten rund zwei Drittel des globalen BIP, alle sieben gehörten zu den ersten Zehn der internationalen BIP-Rangliste. Heute produzieren die G7 noch knapp 45 Prozent des Welt-BIP, und zu den ersten Zehn zählen heute fünf Länder des „globalen Südens“: China, Indien, Russland, Indonesien und Brasilien. Die internationalen zivilen Machtgewichte haben sich zu Ungunsten des „Westens“ verschoben. Umso mehr setzt dieser Westen auf seine militärische Überlegenheit. Denn bei einem Anteil an der Weltbevölkerung von knapp 15 % bringt die G7 57% der Welt-Rüstungsausgaben auf und sie beweist stets von Neuem, dass sie ihre Waffen auch aggressiv einsetzt. Allein die USA verbuchen fast 40% aller Welt-Rüstungsausgaben auf ihr Konto. Die Völker in Afghanistan, Somalia, Irak, Haiti, Libyen, Uganda, Liberia, Jemen und Syrien haben in den letzten zwanzig Jahren von der Vormacht des freien Westens ihre Kriegs-Lektion erteilt bekommen. Wenn diese „Wertegemeinschaft“ mit zivilem Druck nicht zum Ziel kommt, wirft sie die „wertebasierte internationale Ordnung“ über den Haufen und lässt die Waffen sprechen. Für die transatlantische Seite der Welt haben sie die NATO, in der bis auf das pazifische Japan alle G7-Mitgliedsstaaten mit 24 weiteren Nationen vor allem gegen Russland zusammenwirken und derzeit um die Ukraine herum einen Kriegstheaterdonner inszenieren, der sich am kleinsten Zwischenfall zu einem verheerenden Kriegsbrand in Europa entzünden könnte. Im Indopazifik funktioniert AUKUS, wo Australien, das Vereinigte Königreich = Großbritannien und die USA sich nach eigenem Bekunden gegen China militärisch formieren, wo also zwei der G7-Mitglieder die Region für einen Waffengang gegen China aufrüsten und andere wie Indien und Kanada dazu drängen, dem Anti-China-Bündnis beizutreten. Die EU hat ihre Kooperationsbereitschaft bereits dokumentiert, Deutschland hat die Fregatte „Bayern“ ins Krisengebiet geschickt und erklärt, es würde sich für die Freiheit der Seefahrt gegebenenfalls auch militärisch einsetzen. Die G7 kommt nun auf Schloss Elmau zusammen, um allen relevanten Politikfeldern die nächsten Schritte abzusprechen. Es sollen „ganz konkret Fortschritte erzielt“ werden für:

„1. Einen nachhaltigen Planeten“

Auf dem ganzen Erdball ist schwerlich eine Organisation zu finden, die sich mit weniger Recht als Champion der Umwelt in die Brust werfen dürfte als die G7. Ihre Staaten sind die mit Abstand schlimmsten Umweltsünder. Unter den schlimmsten Verschmutzern des Planeten befinden sich bis auf Kanada alle G7-Staaten unter den zehn Übelsten. Mit weitem Vorsprung voran die USA. Würde die ganze Menschheit die Lebensweise der US-AmerikanerInnen pflegen, brauchte man die Erde in fünffacher Ausfertigung. An vierter Stelle folgt – neben Frankreich und Spanien – Deutschland. Unser Land begnügt sich mit dem Dreifachen an Erdverbrauch. Vollmundig präsentiert sich die deutsche Regierung als unbeugsamen Kämpfer gegen Umweltverschmutzung, „um dem Klimawandel als Treiber für Armut, Hunger, Geschlechterungerechtigkeit Konflikte und Vertreibung weltweit entgegenzuwirken“. Hinter solchen Konstrukten will man die Wahrheiten verschwinden lassen: Zum Klimawandel treten die Taten der G7-Regierungen bei der Produktion von globaler Armut und Hunger und unmenschlichen Verfahren an den Grenzen am Rio Grande oder im Mittelmeer. Und beim Klimawandel selbst steht die G7 ganz vorne in der Liste der Umweltverbrechen. Eine der letzten Großtaten des G7-Kompagnons EU ist die Erklärung von Atomkraft und Gas zu nachhaltigen Energieträgern, was die Investitionen in den steuerbegünstigten Bereich der „grünen Energien“ rücken und den ökologischen Fußabdruck spätestens nach dem nächsten Großunfall eines Kernkraftwerks in den Katastrophenbereich drücken wird.

„2. Wirtschaftliche Stabilität und Transformation“

In ihren „Politischen Schwerpunkten“ macht sich die deutsche Präsidentschaft stark „für die wirtschaftliche Erholung, finanzielle Stabilität sowie für ein nachhaltiges, soziales und gerechtes globales Wirtschaftssystem“, also für etwas, was derzeit nicht existiert und dessen aktuelle Mängel in erster Linie auf die G7 selbst zurückzuführen sind. Unsere Welt ist sozial zerrissen. Alle G7-Länder gehören zum reichen Teil der Erde. Das (kaufkraftbereinigte) Pro-Kopf-Einkommen der USA ist 6mal höher als das von Peru oder Jordanien, 10mal höher als das von Ghana oder Nicaragua, 20mal höher als das von Kongo oder Haiti, 50mal höher als das von Mosambik oder Liberia. Die Bewohner Nordamerikas und der Eurozone haben statistisch ein 13mal höheres Durchschnittseinkommen als die Bewohner von Subsahara-Afrika. Die Ausbeutung der Völker der früher sogenannten Dritten Welt lässt diese im globalen Kapitalismus weit ärmer zurück als die der weiter entwickelten Industrie- und Postindustriegesellschaften. Die kriminelle und unproduktive Qualität des Systems zeigt sich auch darin, dass zu den acht Ländern mit dem höchsten Bruttoeinkommen pro Kopf fünf Länder zählen (Macau, Bermuda, Luxemburg, Schweiz, Irland), die nicht über herausragende Produktivitätsleistungen verfügen, dafür aber über besondere Qualitäten als Steuer- und Schwarzgeldoasen (worin ihnen die USA und das United Kingdom, beide auch weit vorne in der internationalen Rangliste, mit dem US-Staat Delaware und den britischen Kanalinseln kaum nachstehen). Das grundlegende Merkmal sozialer Ungleichheit finden wir nicht nur zwischen den Nationen, sondern geradeso in ihnen. Die G7-Länder, schon länger industrialisiert und angeblich längst zu Sozialstaaten gereift, fügen sich in diese Liste sozialer Zumutungen. In Deutschland haben die reichsten 10 Prozent ein 7mal höheres Einkommen als die ärmsten 10%; in Japan beträgt dieses Verhältnis der sozialen Ungleichheit 8, in Frankreich und England 9, in Kanada 11, in Italien 14 und in den USA, dem Führer der freien Welt, 18. Wenn die politischen Führungen der G7 ein „soziales und gerechtes globales Wirtschaftssystem“ als ihr Ziel ausrufen, dann fragt man sich, warum sie nicht längst damit bei sich begonnen haben. Äußerste Skepsis ist auch angebracht, wenn sich die G7 als „globalen Stabilitätsanker“ inmitten „gestiegener Staatsverschuldung“ ausruft. Zum einen gehören alle G7-Länder außer Deutschland in die erste Abteilung der Länder mit den höchsten Staatsschulden, Japan liegt sogar an der Spitze. Auf die mit der Pandemie zugespitzte Wirtschaftskrise reagierten vor allem die Industrieländer mit staatlichen Ausgabenprogrammen: Während die Staatsverschuldung weltweit von 83 auf fast 100 % stieg, wuchsen die Staatsschulden der Industrieländer von 105 auf 123 % des Bruttoinlandsprodukts. In den USA kletterten die Staatsschulden um 17 Prozentpunkte auf 135 % des BIP. Die Chinesen erhöhten ihre Staatsschulden um 11 Prozentpunkte auf 66 % des BIP. Das Staatsschulden-problem ist also in erster Linie ein Problem der Industrieländer und deren Herzstück, der G7. Wenn Deutschland, das Land der Schwarzen Null, jetzt die G7 zum „Stabilitätsanker“ erklären will, dann ist dies das Signal, dass schwächere Staaten damit zu rechnen haben, mit drakonischen Mitteln zur Begleichung ihrer Schulden an ausländische Geldgeber gezwungen zu werden. So wie es der Syriza-Regierung in Griechenland von Seiten der EU-Gewaltigen bei der Schuldenkrise 2015 widerfuhr. Ein Heraufsetzen der Zinssätze, wie von der Fed/USA und der EZB geplant, würde nach den Befürchtungen des Internationalen Währungsfonds zu einer Zahlungskrise vor allem in Schwellen- und Entwicklungsländern führen. In Alarm versetzen sollte alle Demokraten die Ankündigung der deutschen Regierung, das Thema „Digitales Zentralbankgeld“ zu „adressieren“. Seit vielen Jahren schon betreibt die Bill & Melinda Gates-Stiftung weltweit Propaganda für die Einführung digitalen Geldes. Digitales Zentralbankgeld würde bedeuten, dass in Zukunft in erster Linie die Zentralbank Geld „schöpft“ und alle Transaktionen der Geldbesitzer digital verfolgen kann. Nachdem ein Impf- und Gesundheitspass dem Staat die lückenlose Übersicht über die physische und psychische Performance seiner BürgerInnen verschafft haben wird, würde er sich nun auch die Übersicht und Kontrolle über deren finanziellen Status verschaffen. Viel transparenter können die BürgerInnen für den Staat dann nicht mehr werden. Orwells „1984“ ist wirklich lange überholt.

„3. Ein gesundes Leben“

Dringendstes Ziel sei, behauptet der G7-Gastgeber, die Covid-19-Pandemie zu bekämpfen und für zukünftige Pandemien vorzusorgen. In der 13 Seiten langen Erklärung der Bundesregierung findet sich kein Wort zur kapitalistisch-skrupellosen Ausbeutung der Natur, die zu einer ständigen Übertragung von Viren von Wildtieren auf Menschen führen muss, und auch kein Wort zu der schändlichen Tatsache, dass das Beharren auf Impfpatenten die Menschen aus armen Ländern ungeschützter lässt, ihnen den Zugang zu erschwinglichen Impfdosen verwehrt. Die weltweite Pandemie hat mit ihren 360 Millionen Infizierten und 5,7 Millionen Toten (bis Anfang Februar 2022) die Erkenntnis vertieft, dass profitorientiertes Wirtschaften dem Gesundheitswesen nicht bekommt. Dieses muss sich danach bemessen, was der Gesundheit der Menschen dient, nicht den Profitabsichten der Investoren. Dies gilt auch für die dringend benötigten Impfpatente. Während in Europa und den USA zu Recht beklagt wird, dass erst Impfquoten von 70 oder 80% erreicht sind, liegen diese in Afrika bei 10%, weil die Impfdosen nicht zu erschwinglichen Preisen zur Verfügung stehen und vor Ort die Impfpatente nicht von lokalen Kräften genutzt werden können. Nach dem TRIPS-Abkommen gehören Impfpatente zum geistigen Eigentum, das nur der ursprüngliche Eigentümer nutzen darf. Statt die Forderung zu unterstützen, dass Impfstoffpatente sofort freizugeben sind, führt der zuständige grüne Minister die rassistische Floskel ins Feld, eine Freigabe der Patente würde nicht zu vermehrter Produktion von Impfstoffen führen. Die blöde Unterstellung, dass der „rückständige Süden“ keine Impfstoffe produzieren könne, ist eines grünen Ministers unwürdig, freut aber die auf den Patenten sitzende Big Pharma-Bande. Impfstoffe zu schicken, die kurz vor dem Verfall stehen, ist bisher die Großtat der G7 in der Praxis. Und die Vorsorge für künftige Pandemien besteht vor allem im Einüben bürgerlichen Gehorsams bei Notstandskommandos der Obrigkeit. In ihrem Weißbuch zur Konferenz auf Schloss Elmau stellt die deutsche Regierung fest, „zur Erreichung des Ziels der WHO zur Impfung von 70% der Weltbevölkerung bis Mitte 2022 ist eine substanzielle Beschleunigung der globalen Impfkampagne…. insbesondere in den ärmsten Ländern entscheidend“. Die erste Konsequenz dieser Einsicht müsste die Freigabe der Impfpatente sein. Eine nächste, die WHO als Instrument für globale Gesundheit finanziell besser auszustatten als bisher – Deutschland zahlt an die WHO einen Jahresbeitrag, der unter dem Betrag der Gates-Stiftung liegt. Schließlich geht es um die Intensivierung des demokratischen Lebens, nicht um seine dauerhafte Einschränkung.

„4. Investitionen in eine bessere Zukunft / 5. Ein starkes Miteinander“

Die beiden letzten Kapitel nutzt der Gastgeber, um noch einmal die angeblichen Prinzipien des politischen Engagements der G7 zu beschwören, als da vor allem ist „die Förderung sozial, wirtschaftlich und ökologisch nachhaltiger Infrastrukturen und Rahmenbedingungen“ für die „Transformation zu nachhaltigen und klimaneutralen Gesellschaften“. Für diese Transformation sei die „Mobilisierung privater Ressourcen“ erforderlich. Mitten im fatalen Versagen der privaten Elemente der Gesundheitssysteme angesichts der Corona-Herausforderung will die G7 das gesamte System der öffentlichen Güter dem Profitsystem des großen Kapitals ausliefern – Big Pharma, Big Health, Big Finance, Ivy League in Bildung und Erziehung, Mobilität und Verkehr, Naturschätze und Grund und Boden - das große Kapital soll für Nachhaltigkeit und dafür sorgen, dass alle in der Gesellschaft bedarfsgerecht versorgt werden! Die Unverfrorenheit der G7-Propaganda verdient keinen Respekt, sondern abgrundtiefe Verachtung und entschlossenen Widerstand. Zu dieser Abteilung unverschämter Selbstbepreisung gehört die Versicherung, man werde die „Rolle der G7 als Brückenbauer und Vermittler für Frieden und Sicherheit stärken“. Die Thesen sollen auch den Blick auf den Gegner schärfen, dem sich die G7-Friedensvermittler gegenübersehen: es geht nämlich um die „Verteidigung freiheitlicher Demokratien“, um ein gemeinsames Vorgehen gegen alle, die sich einer „stärkeren internationalen Koordinierung bei der Setzung von Standards und Normen“ widersetzen, „die in eine offene, demokratische und regelbasierte Ordnung eingebettet sind“. Der Kanon geht noch weiter, aber es bleibt von „digitalem Fortschritt“ bis „gendergerecht“ bei der bloßen Aufzählung lobenswerter Ideale. Konkret wird es erst mit der Ankündigung, „Desinformationen und Verschwörungsideologien zu erkennen und aktiv entgegenzutreten“. Hier steckt des Pudels Kern der neuen G7-Propaganda: Jede prinzipielle Kritik am globalen Regime wird als irrational gebrandmarkt, als Ausfluss wüster Verschwörungstheorien hingestellt – umso irrationaler, je zutreffender die Thesen sind. Doch ist das globale Kapital mitsamt seinen Kriegsprogrammen und seiner biopolitischen Notstandsplanung keine Schimäre oder Verschwörungswahn, sondern düstere Realität mit bedrohlicher Zukunft. Literatur/Quellen: