Am 6. November wählen die US-Bürgerinnen und -Bürger das komplette Repräsentantenhaus – 435 Mitglieder – und 33 der 100 SenatorInnen neu. Wie jedes Mal bei solchen „Halbzeit-Wahlen“ – nach der Hälfte der Präsidentenamtszeit – verbindet sich die Neuwahl des Großteils der politischen Legislative in der politischen Kultur des Landes bei den einen mit der Angst, es käme zu einer Bekräftigung oder bei den anderen mit der Hoffnung, sie führe zu einer Bremse für die politische Linie des Präsidenten. Gesetzesvorhaben bedürfen der Zustimmung der Mehrheit des Hauses. Umgekehrt kann der Präsident gegen Haus-Initiativen sein Veto einlegen. Ein präsidentenfeindliches Haus könnte also ein sich weithin blockierendes Polit-Getriebe in Washington zur Folge haben.

Aufgeregte Anti-Trumpisten gehen noch weiter. Sie sehen ein Impeachment, ein Amtsenthebungsverfahren gegen Donald Trump voraus. Bob Woodwards jüngstes Enthüllungsbuch über den Widerstand im Weißen Haus gegen Trump ebenso wie die Bekenntnisse des anonymen „Widerstandskämpfers“ aus Trumps Umfeld in der New York Times geben solchen Spekulationen Nahrung, und der Zeitpunkt der Veröffentlichungen zum Höhepunkt des Wahlkampfes ist kein Zufall. Wie ist die Rechtslage, was sagt das voraussichtliche Wählerverhalten?

Tatsächlich kann die Mehrheit des Hauses ein Impeachment-Verfahren in Gang setzen. Zu dieser Mehrheit fehlen den Demokraten derzeit 20 Sitze, die sie bei den Wahlen zurückgewinnen müssten. Es wird erwartet, dass sie ein Plus von 35 Sitzen erzielen. Rein numerisch kämen sie also auf eine Impeachment-Mehrheit. Allerdings sind die übrigen Hürden unübersteigbar hoch. Der Rechtsausschuss des Hauses müsste sich einig sein in seinem Antrag an das Gesamthaus. Sodann wird der Beschluss des Hauses die Grundlage des Verfahrens im Senat, wo unter dem Vorsitz des Obersten Richters 2/3 der SenatorInnen in öffentlicher Abstimmung für das Impeachment votieren müssen [1].

Solches wird nicht geschehen. Es setzte den Bruch der Republikanischen Partei mit den Trump-Strukturen in der Partei voraus. Dazu sind die Parteigranden nicht bereit und auch angesichts des gewachsenen Einflusses des Trump-Flügels nicht in der Lage. Die Kandidaten der Republikanischen Partei streben vielmehr in der Regel nach einem endorsement, einer Unterstützung durch Trump. So wie Ted Cruz, Lying Ted in der Terminologie von Trump als dessen innerparteilicher Konkurrent im Präsidentenwahlkampf 2016. Heute kämpft Cruz mit freudig begrüßter Unterstützung durch Trump um den Senatssitz von Texas.

Die allgemeine Wählerstimmung: Die USA sind in zwei Teile zerrissen, der Trump-Block fanatisch geladen

Die allgemeine Wählerstimmung spricht nicht für einen Bruch mit der Trump-Linie. Zwar sind nur 37 % der Wählerschaft der Meinung, dass Trump die Regierungsarbeit verbessert habe. Und nur 27% schätzen ein, dass Trump einen „hohen moralischen Standard“ gesetzt habe. Doch waren diese Daten zum Zeitpunkt der Präsidentenwahlen 2016 ähnlich, die Menschen fühlen sich also in ihren Erwartungen bestätigt. Und vor allem zeigt sich eine ungeheure Diskrepanz zwischen den Einstellungen und Wertungen der demokratisch oder republikanisch eingestellten Öffentlichkeit. Während 75% der „Republikaner“ eine Verbesserung der Regierungsarbeit unter Trump konstatieren, sind 90% der „Demokraten“ gegenteiliger Ansicht. In der Frage der Moral stehen 51% der „Republikaner“ hinter Trump, 92% der „Demokraten“ sprechen sich gegen ihn aus.

Dies ist keine neue Erkenntnis, aber mit dieser Wucht ist sie noch selten in den US-Wahlkampf gerammt worden: Die USA sind zwischen zwei Lagern zerrissen, die sich immer feindselig gegenüberstehen. Das an Zahlen ziemlich gleichbleibende Lager der „Trumpisten“ preist dessen „Führungsstärke“, seine Fähigkeit, dass Dinge erledigt werden und vor allem sein Bekenntnis „America and Americans first“. Das Autoritäre, Fremdenfeindliche wird noch unverhüllter zum eigentlichen Markenkern der Trump-Politik. An politischen Fragen im Einzelnen stehen die „Republikaner“ besonders eindeutig hinter Trump in den Fragen der Arbeitsplätze und Wirtschaftspolitik, der auswärtigen Politik und der Einwanderung – in allen diesen Fragen hat der „Demokrat“ eine kontroverse Meinung (während die Zustimmungs- bzw. Ablehnungsraten zur unsozialen Steuerreform bei „Reps“ und „Dems“ gleich hoch sind – beide Male ganze 2 %).

Die triefgreifende Zerrissenheit zeigt sich nicht nur im Kontra Republikaner-Demokraten, sondern auch in der Spaltung der Demokratischen Partei. Es geht dort nicht um die Bestallung irgendwelcher die Partei integrierender Kandidaten, sondern um die grundsätzliche Auseinandersetzung zwischen den Sanderistas hie und den Clintonites dort. Der Clinton-Flügel hat die Partei sowohl ihrer gewerkschaftlichen New Deal-Prägung beraubt, die Parteiführung hat darüber hinaus alles getan, um mit Hilfe von „Super-Delegierten“ und ähnlichen undemokratischen Manövern Hillary Clinton die Präsidentschaftskandidatur gegen Bernie Sanders zu sichern. Nun erhebt sich quer durch das Land eine erste Aufstandswelle gegen die korrupte Parteiführung. Ein Beispiel dafür sind die Kandidatenvorwahlen in New York. Die 28jährige Alexandria Ocasio-Cortez hat sich mit einem Wahlkampf für „Medicare for all“ und gegen die Immigrationsbeschränkungen klar gegen den bisherigen Amtsinhaber Joe Crowley durchgesetzt, die Nr. 4 in der Hierarchie der demokratischen Abgeordneten in Washington. Bei den Gouverneurswahlen erwächst dem New York-Statthalter Andrew Cuomo in der Schauspielerin Cynthia Nixon in bewährter Sanders-Manier eine ernsthafte Konkurrenz in der Demokratischen Partei.

Die Halbzeitwahlen 2018 werden kein Ende der Trump-Zeit bedeuten. Aber sie könnten ein Zeichen setzen auf dem Weg zu einem demokratischeren Amerika.


[1] Panorama – Repräsentantenhaus komplett neu, 1/3 Senat. Regelmäßig eingestuft als Bewertung des Präsidenten. Dementsprechend läuft Propaganda mancher Demokraten auf Hochtouren: Block für Trump, Voraussetzung für Impeachment. Was 2/3-Mehrheit des Repräsentantenhauses voraussetzt, dann Mehrheit des Senats. (check) Dies schient außer Reichweite. Aber auch das Votum kontra Trump ist fragwürdig.