Am Super Tuesday dieser Woche wurden in 14 US-Bundesstaaten der USA-Vorwahlen durchzugeführt zur Bestimmung der Delegierten, die auf dem Parteitag der Demokratischen Partei Mitte Juli den Präsidentschaftskandidaten der Demokraten wählen, den Kontrahenten Trumps bei den Wahlen im November. Ein Drittel der rund 4.000 Delegierten standen am Super-Tuesday zur Wahl. Sieger zu fast gleichen Teilen waren Joe Biden, der frühere Vizepräsident von Barack Obama. Eng daneben landete Bernie Sanders, der „demokratische Sozialist“, der nach den Vorwahlen zuvor der „Frontrunner“ war und in Führung lag. Bei den Vorwahlen ging es nicht nur um die Bestimmung des Herausforderers des amtierenden Präsidenten, es ging auch um die politische Ausrichtung der Demokratischen Partei. Würde die Strömung hin zu „demokratischen Sozialismus“ – die AktivistInnen der „working class“ und der Jugendbewegungen – das Profil der Demokratischen Partei bestimmen? Oder würde das Establishment um die Clintons und Obamas noch einmal den rechten Kurs der Partei durchsetzen? Bis zum Super Tuesday sah es nach einem Vorsprung der Sanders-Bewegung aus. Biden schien nach den ersten Vorwahlen – Iowa, New Hampshire, Nevada – abgeschlagen. In South Carolina, drei Tage vor dem Super Tuesday, drehte sich das Bild. Biden gewann dort mit großem Vorsprung und die Führung der Demokratischen Partei schaffte es anschließend, die „rechten“ Kandidaten hinter Biden zu versammeln. Amy Klobuchar und Pete Buttigieg zogen ihre Bewerbungen zurück und erklärten ihre Unterstützung für Biden. Ebenso riefen schon vorher ausgeschiedene Kandidaten wie der lange Zeit als neuer Clinton gehandelte Beto O'Rourke zur Wahl Bidens auf. Der schon für politisch tot erklärte Biden wurde zum Comeback Kid wie 30 Jahre zuvor Bill Clinton, der auch in South Carolina seine Wiederauferstehung erlebte. Biden gewann selbst in Massachusetts, dem Heimatstaat von Elizabeth Warren, der linken Führungsfigur neben Sanders. Das war der entscheidende Unterschied: Während der rechte Flügel sich auf eine Figur einigte, blieb die Linke zerstritten. Sanders erhielt in Massachusetts mehr Stimmen als Warren, beide zusammen lagen klar vor Biden. Aber die Linke konnte sich nicht auf eine ihrer Richtungen einigen, die Rechte hat das diesmal fertiggebracht. 

Wähler der letzten Stunde und die Mehrheit der Schwarzen gab den Ausschlag

Und dies war ausschlaggebend. 40% der Wähler, so meldete es CNN in seiner tageslangen Wahlsendung am 3./4.03. (America's Choice), hatten sich erst in den letzten Tagen vor der Wahl entschieden, mit großen Mehrheiten für Biden. Ältere Wähler, besser ausgebildete Mitglieder der working class und vor allem Schwarze standen zu Biden (wie sie schon vier Jahre zuvor den Ausschlag für Hillary Clinton gegeben hatten). In den einzelnen Staaten stimmten die Schwarzen zu 60-70% für Biden. Sanders erhielt seine Stimmen vor allem von Industriearbeitern, von Latinos und Wählern unter 35 Jahren, hier überwiegend von jungen Frauen. Die Medien-Kommentatoren erklären Bidens Wiederaufstieg so: Die Wähler wollten zwar Trump loswerden, aber ihnen würden konkrete soziale Fortschritte vorschweben, keine revolutionären Verheißungen. Tatsächlich unterscheiden sich die Positionen der KandidatInnen keineswegs nur in dem zeitlichen Horizont, sondern auch fundamental in den praktischen politischen Fragen unserer Tage. In der Klimapolitik lehnen Sanders und Warren jede weitere Investition in Kernenergie wegen Sicherheit- und Entsorgungsbedenken ab, fordern den Rückbau fossiler und den Ausbau erneuerbarer Energien. Sie sind strikt gegen Fracking, fordern dessen absolutes Verbot und einen „Green New Deal“ für eine umweltschonende Gesellschaft und Wirtschaft. In allen diesen Fragen stehen die rechten Vertreter, Joe Biden zumal, auf der Gegenseite. 

Warren: sozialistische Vorschläge für heute

In der Handelspolitik teilen Sanders und Warren die Trump-Strategie protektionistischer Maßnahmen zum „Schutz amerikanischer Arbeiter“. Biden lehnt solche Aktionen ab und befürwortet einen strikt marktwirtschaftlichen Kurs, wie ihn die Obama-Regierung verfolgt hat. In der Bildungspolitik zeigen sich relevante Unterschiede zwischen den Positionen. Im Unterschied auch zu Warren tritt Sanders dafür ein, dass staatliche Krippenplätze und Universitäten einkommensunabhängig kostenlos angeboten werden sollen. Sanders wie Warren wollen die wachsende wirtschaftliche Ungleichheit bekämpfen und fordern, eine Steuer auf das gesamte private Vermögen einzuführen, über das bisher weitgehend steuerfrei verfügt werden kann. Joe Biden lehnt dies ab. Am größten ist der Abgrund zwischen den Kandidaten in der Frage der staatlichen Gesundheitsversorgung. Seit Jahren nimmt die Zahl der Unversicherten wieder zu. Heute sind fast 30 Millionen US-BürgerInnen ohne jede Krankenversicherung[1]. Biden plädiert dafür, die öffentliche Krankenversicherung im Wettbewerb mit den bestehenden privaten Versicherungen anzubieten. Sanders hingegen fordert die vollständige Abschaffung des privaten Marktes für Krankenversicherungen. Warren teilt dies als Ziel, will es aber langsamer erreichen. Ihr Argument ist, dass 18% der derzeitigen US-Wirtschaft im Gesundheitswesen angesiedelt seien, was man nicht einfach durch ein Gesetzt eliminieren könne. Sanders argumentiert umgekehrt, dass nur ein öffentliches System im Interesse der Bevölkerung umstrukturiert werden könne. (Zu den Positionen der Kandidaten: Wer will was? Die politischen Positionen der KandidatInnen bei den Vorwahlen der US-Demokraten.) Wie wird es weitergehen? Die Mehrzahl der Delegierten des Parteitags der Demokraten ist noch zu wählen. Am 10.3. schon treten die Wähler in Michigan und Washington an die Urne, es folgen u.a. Florida und Illinois, im April stehen New York und Pennsylvania an. Das Biden-Lager hat keinen Konkurrenten auf der Rechten zu fürchten, der Milliardär Bloomberg ist auf die Nase gefallen, nachdem er über eine halbe Milliarde Dollar (500 Millionen) ausgegeben hat, um sich die Kandidatur zu kaufen. In der ersten Debatte, an der Bloomberg teilnahm, hat er sich als der „Mini Mike“ herausgestellt, als den ihn Trump verhöhnt hat. Dass er ein zwanzigfach größeres Vermögen hat als Trump mit dessen 3,7 Milliarden Dollar, hat weder Schwarzen, Latinos und ArbeiterInnen ihre Frage beantwortet, was sie mit diesem Plutokraten zu schaffen haben. Biden bleibt also unangefochten als Vertreter des offen kapitalistischen Flügels seiner Partei. Stärker denn je. Denn Bloomberg hat nach seinem schwachen Abschneiden seine hunderte Millionen Biden zur Verfügung gestellt mitsamt den Expertenstäben auf allen Ebenen und in allen Regionen der USA. Biden ist innerhalb der Partei mächtiger denn je. 

Die üblen Pläne der Parteiführung

Auf der Linken drängt man Warren, ihre Kandidatur aufzugeben und zur Wahl Sanders' aufzurufen. Die nächste größte Hürde für die Linke ist nämlich auf dem Parteitag selbst zu nehmen. Auch wenn Sanders die meisten Delegiertenstimmen gewonnen hätte, ist er damit noch keineswegs als Kandidat bestimmt. Denn die Bindung der Delegierten an ihre Wählerstimmen zählt nur im ersten Wahlgang. Dort zählt die absolute Mehrheit der Delegierten – 3971 : 2 + 1. Diese Zahl kann Sanders nicht erreichen. Die Kandidaten haben den Vorschlag Sanders' zurückgewiesen, dann solle der Kandidat mit den meisten Stimmen gewählt werden. Die bisher Unterlegenen werden alle Stimmen an Biden geben, unsicher ist bislang Warrens Entscheidung. Dazu kommen ab dem zweiten Wahlgang die 771 „Super-Delegierten“, die durchgängig vom Parteiestablishment bestimmt und den Direktiven von oben folgen werden. Es kann auch sein, dass auf dem Parteitag eine völlig andere Alternative vorgeschlagen wird. Vielleicht hält sich Warren, die sich als „bis auf die Knochen kapitalistisch“ vorstellt, für diesen Moment bereit. Progressiv, aber moderat. Die Linke will für den Parteitag mobilisieren, sodass Milwaukee, Wisconsin, ein demokratisches Massenerlebnis erleben kann. Die Democratic Socialists of America, die sich seit den Occupy-Tagen 2011 von einer Mitgliederzahl von 20.000 auf 50.000 vervielfacht haben, träumen von 100.000 Menschen in den Straßen Milwaukees, die ein demokratisches Ergebnis vom Parteitag fordern. (A.a.O.) Und der Kampf gegen Trump? Sanders hat formuliert, du kannst Trump nicht schlagen mit den Rezepten und Figuren von gestern. Das wäre Bidens Strategie, die Nostalgie der Obama-Jahre hervorzurufen. Das würde bei vielen Schwarzen und auch bei manchen aus der „urbanen“ Oberschicht funktionieren. In der Tat aber haben diese Kräfte, damals personifiziert in Hillary Clinton, schon beim ersten Kräftemessen mit Trump verloren. Sanders verweist auf Umfragen, die ihn in der direkten Konfrontation mit Trump um mehrere Prozentpunkte vorn sehen. Das wird die Führung der Demokratischen Partei nicht umstimmen. Die Aufrechterhaltung des neoliberalen Kapitalismus ist ihr wichtiger als ein Sieg über Trump. So kann sie das aber nicht sagen. Die Losung wird lauten: Biden hat die größte Chance, Trump aus dem Weißen Haus zu vertreiben – nur verbohrte Ideologen werden ihre reine Lehre über die praktische Chance des Fortschritts stellen.


[1] Joachim Bischoff: Kann „Crazy Bernie“ den Autokraten Trump schlagen? Sozialismus.de, 3-2020, S. 35