Auf den Philippinen ist in den vergangenen Maitagen das von 15 Mitgliedern ratifizierte Abkommen einer regionalen umfassenden Wirtschaftspartnerschaft (Regional Comprehensive Economic Partnership, RCEP) in Kraft getreten.[1]

Für die beteiligten Staaten bedeutet dies eine neue Stufe der vollständigen Umsetzung der Freihandelszone, die 30 Prozent der Weltbevölkerung, mit anderen Worten 2, 2 Mrd. Menschen abdeckt und 30 Prozent des Wirtschafts- und Handelsvolumens der Welt ausmacht. Die Freihandelszone gilt als die Freihandelszone mit dem stärksten Entwicklungspotential, von der ein neuer Schwung für die Weltwirtschaft erwartet werden kann.

Es handelt sich bei der nach den Grundsätzen einer multipolar konzipierten Wirtschafts-partnerschaft um eine Freihandelszone, die mit allen 15 Mitgliedsländern, unabhängig ihrer aktuellen politischen Disposition, auf Augenhöhe besteht. Die jeweiligen nationalen Zolltarife der Teilnehmerstaaten haben zwar für eine Übergangsphase noch Bestand, aber die bestehenden Zölle zwischen den RCEP-Ländern werden für Ursprungserzeugnisse der beteiligten Länder abgebaut. Zwischen den ASEAN-Staaten gibt es bislang bereits so gut wie keine Zölle. Auch die bestehenden Wirtschaftsbeziehungen zu Drittstaaten beruhen im Rahmen der RCEP-Vereinbarung auf niedrigen Zolltarifen.

Der größte ökonomische Gewinn für die Mitglieder des RCEP ist offenbar die Senkung der Zölle auf Produkte, die innerhalb des Handelsblocks bezogen werden. Das Abkommen enthält Regelwerke für zwanzig Bereiche. Ursprungsländer werden klar definiert, was den Warenfluss unter den beteiligten Ländern vereinfacht. Damit wird ein Anreiz für die RCEP-Mitglieder geschaffen, innerhalb des definierten Wirtschaftsraumes Waren freier zu beschaffen und generell freien Handel untereinander zu betreiben.[2]

Analysten verschiedener Wirtschaftsinstitutionen zufolge wird der offene und integrative Pakt zur langfristigen regionalen und globalen wirtschaftlichen Stabilität und Entwicklung beitragen und insbesondere der regionalen Wirtschaftsintegration neuen Schwung verleihen. Die 15 Mitgliedsländer (VR China, Japan, Südkorea, Australien und Neuseeland und den zehn Staaten des ASEAN-Bündnisses)[3] haben bereits vor dem jetzt vollständigen Inkrafttreten des Abkommens, einschließlich des zunächst letzten Beitrittskandidaten Philippinen, Maßnahmen umgesetzt, um ein offenes, freies, faires, inklusives und regelbasiertes multilaterales Handelssystem zu unterstützen. Dabei haben sich die Wirtschaftspartner - auch über weiterhin  fortbestehende  politisch-ideologische Grenzen hinweg - auf eine hochrangige Wirtschaftspartnerschaft und Zusammenarbeit gemeinsam verpflichtet.[4]
Das betrifft insbesondere die  Öffnung der Waren-, Dienstleistungs- und Investitionsmärkte sowie die vereinbarten  Regeln in verschiedenen Sektoren, die den freien Fluss von Produktionselementen in der Region, einschließlich Rohstoffen, Produkten, Technologie, Talenten, Kapital, Informationen und Daten, umsetzen und fortschreiben sollen.

Geistiges Eigentum garantiert – Kooperieren und nicht Bevormunden

Nach den Angaben des IHK, Stuttgart sind die RCEP-Länder eine wichtige Quelle für geistiges Eigentum. Im Jahr 2019 kamen nach Informationen der WIPO (Weltorganisation für geistiges Eigentum) von den über drei Millionen weltweiten Patentanmeldungen mehr als zwei Drittel aus RCEP-Ländern. Dieser Logik folgend sind auch Schutzrechte zum geistigen Eigentum in dem Abkommen verankert, mit dem Ziel, eine wirksame regionale Zusammenarbeit unter der Einhaltung eines gemeinsames Schutzniveaus und deren Einhaltung zu schaffen.

Das Abkommen enthält ein umfangreiches Kapitel mit Regelungen insbesondere zu Urheberrechten, Marken, geografischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen, Gebrauchsmustern und Designs, Patenten und dem Schutz von Geschäftsgeheimnissen.
Als Minimalstandard wird dabei auf das TRIPS-Abkommen der WTO (Trade Related Aspects of Intellectual Property) Bezug genommen.  an einigen Stellen geht das RCEP jedoch über das Schutzniveau von TRIPS hinaus, beispielsweise im Bereich des digitalen Urheberrechts.[5]

Pragmatismus gegenüber hegemonialen Ansprüchen – der Warenaustausch zwischen RCEP und deutschen/europäischen Unternehmen

Die RCEP-Staaten sind nach Einschätzung von IHK als wirtschaftlicher Interessensverband. wichtige Handelspartner der EU. Bereits im Jahr 2019 seien 20 Prozent der EU-Exporte in RCEP-Länder gegangen.[6]  Auf die RCEP-Staaten wird bis im Jahr 2030 ein Anteil des weltweiten BIP von 50 % entfallen.[7]  Der asiatisch-pazifische Raum gilt vor allem als ein wichtiger Absatzmarkt für technisch anspruchsvolle Güter. Für die EU könnte das Abkommen eine Herausforderung in ihrer bisher wettbewerbsstarken Position technischer Güter bedeuten, da mit reduzierten Handelsbarrieren zwischen den RCEP-Mitgliedsländern Handelsströme umgelenkt werden können.[8]

Die Produktion und der Handel innerhalb der RCEP-Region würde im Gegensatz zum Import in die RCEP-Länder günstiger werden: mithilfe des Abkommens können deutsche Unternehmen zollfrei in die Region exportieren. Voraussetzung ist, dass Unternehmen im Hoheitsgebiet der Vertragspartner produzieren und die Ursprungsvorschriften einhalten. RCEP dient als zusätzliches Instrument im internationalen Handel. Auch auf Bundesebene wird laut der IHK das Abkommen grundsätzlich als positive Entwicklung angesehen. Demgegenüber sei die Stärkung der regionalen Integration durch RCEP durchaus als ein Beitrag zur international regelbasierten Wirtschaftsordnung zu verstehen.

Gerade in der jetzigen Zeit, die von Handelskonflikten und protektionistischen Tendenzen geprägt ist, sei der Austausch nach den IHK-Meinungen besonders wichtig. An und für sich können auch europäische Unternehmen, die im Indo-Pazifischen-Raum tätig sind, von RCEP profitieren. Zollabbau und der Abbau von regulatorischen Handelshemmnissen könne ihnen erlauben, Produktion und Lieferketten zu diversifizieren, was den Konsumenten in Europa zugutekäme.

Die pragmatische Erkenntnis von Wirtschaftsverbänden und Unternehmen steht dabei der politisch gewollten und protektionistisch verfolgten US-Wirtschaftspolitik und ihrer hegemonialen Intention in Asien diametral entgegen. Wenn man das außenpolitische Agieren der deutschen Bundesregierung verfolgt, so stehen die  neo-konservativen interventionistischen Belehrungen, wie sich die asiatischen Länder zu verhalten hätten ganz im Einklang der von den USA verfolgten Asien-Politik.

Aber mit Verweis auf die grundsätzlich multilaterale Ausrichtung des RCEP zeigt sich beispielhaft an den zuletzt beigetretenen Philippinen, die sich auch auf die guten Beziehungen zu den USA berufen, dass „… die fruchtbaren Ergebnisse im Zusammenhang mit der regionalen Wirtschaftsintegration im Rahmen des RCEP im vergangenen Jahr von dem südostasiatischen Land (Philippinen) anerkannt wurden".[9]  Die Senkung der Handelskosten, die Erleichterung der Integration von Lieferketten und den Nutzen für die Volkswirtschaften  sowie erzielte Dividenden werden von den Partnerländern der  Region als die herausragenden Vorteile durch das RCEP-Abkommen betont. Die Vereinbarungen und Umsetzungen des RCEP-Pakts haben elementar zur Erholung der asiatisch-pazifischen Wirtschaft beigetragen und den starken Gegenwind durch die schleppende globale Nachfrage, den Russland-Ukraine-Konflikt und die aggressiven US-Zinserhöhungen ausgeglichen.

RCEP als offenes System

Nach den Angaben des MOFCOM, Ministry of Commerce People´s Republic of China hat das Außenhandelsvolumen zwischen China und anderen RCEP-Mitgliedern im Jahr 2022 mit einem Anstieg von 7,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr ein Volumen von 1,83 Billionen US-Dollar erreicht; das entspricht etwa einem Drittel des gesamten chinesischen Außenhandels. [10]
Als ein offenes System bietet das RCEP auch weiteren Volkswirtschaften die Partnerschaft bzw. die Integration an, um gerade für die Zukunftsbereiche der digitalen Wirtschaft, des grenzüberschreitenden Handels und der grünen Wirtschaft" im internationalen Maßstab zur Stabilität der Weltwirtschaft beizutragen. Auch Indien stünde eine Rückkehr in die Wirtschaftspartnerschaft offenstehen.[11Indien kehrte Ende 2019 dem weltgrößten Handelspakt den Rücken.

Die USA und das IPEF als Gegen-Aktion

Während das weltweit größte Freihandelsabkommen in Kraft tritt, verstärken die USA die Eindämmung Chinas, um ihre Präsenz in der asiatisch-pazifischen Region durch das Indo-Pacific Economic Framework for Prosperity (IPEF) auszuweiten.

Es handelt sich dabei um ein unilaterales, auf die hegemoniale und wirtschaftliche Vormachtstellung der USA pochende Gegengebilde. Unschwer ist im Rahmen der Auseinandersetzung zwischen den USA und China auch das IPEF als eine der vielen Maßnahmen zu interpretieren, die wirtschaftliche Schaffenskraft und multilaterale chinesische Politik einzudämmen. [12] 

Das Ende Mai erfolgte Ministertreffen der beteiligten IPEF in Detroit, USA diente insbesondere dem Zweck, eine Vereinbarung zur Stärkung der Zusammenarbeit in der Lieferkette für wichtige Materialien und Produkte zu treffen, um die Abhängigkeit von China zu verringern.

Das im Mai 2022 ins Leben gerufene, von den USA dominierte IPEF umfasst vor allem Nachbarländer Chinas, wie einige Mitglieder der ASEAN, Chinas größtem Handelspartner, und plant Vereinbarungen in vier Bereichen, darunter Handel, Lieferketten, grüne Wirtschaft und die so genannte "faire" Wirtschaft. Im Gegensatz zu einer Win-Win-Kooperation und dem auf Marktregeln basierenden RCEP sei das IPEF eine einseitige Vereinbarung, die von den USA dominiert werde, um China einzudämmen, und die USA andere Volkswirtschaften mit finanzieller Hegemonie, Monopolen und anderen Drohungen unter Druck setzten, ihre Bedingungen zu akzeptieren. [13]

Das nächste Ziel der RCEP-Mitglieder sei, so die Aussage der Teilnehmer bei der Unterzeichnung des RCEP-Abkommens, unbeirrt durch die politisch-ökonomischen Gegenströme, die Umsetzung der RCEP-Freihandelsregeln zu beschleunigen und den intraregionalen Handelsaustausch zu forcieren.

 

[1] https://www.globaltimes.cn/page/202306/1291861.shtml

[2] https://www.isw-muenchen.de/online-publikationen/texte-artikel/5020-rcep

[3] ASEAN-Staaten: Es handelt sich um einen Staatenverbund Südostasiatischer Nationen, der aus Indonesien, Malaysia, Singapur, Philippinen, Thailand, Brunei, Vietnam, Laos, Myanmar und Kambodscha besteht.
https://www.bmz.de/de/service/lexikon/vereinigung-suedostasiatischer-laender-asean-14926

[4] ebd.; MOFCOM, Ministry of Commerce People´s Republic of China

[5] https://www.ihk.de/stuttgart/fuer-unternehmen/international/import-export/warenursprung/zollvorteile-praeferenzen/handelsabkommen/rcep-handelsabkommen-5570158

[6] ebd.

[7] https://www.wirtschaftsdienst.eu/inhalt/jahr/2021/heft/6/beitrag/das-rcep-abkommen-und-dessen-bedeutung-fuer-die-eu.html

[8] http://www.glo.com.cn/en/Professionals/DemingZhao.html

[9]  Da Zhigang, Direktor des Instituts für nordostasiatische Studien an der Akademie für Sozialwissenschaften der Provinz Heilongjiang, zitiert nach https://www.globaltimes.cn/page/202306/1291861.shtml

[10] ebd.

[11] https://www.handelsblatt.com/meinung/kommentare/kommentar-indiens-absage-an-den-freihandelspakt-rcep-spielt-china-in-die-haende/25191822.html

[12] Wolfgang Müller: China: neuer Hauptfeind des Westens? ,  VSA-Verlag, Hamburg 2023, insbes, Kap. 4 und 5

[13] https://www.globaltimes.cn/page/202305/1290738.shtml?id=11