Das seit Januar 2021 ratifizierte Regional Comprehensive Economic Partnership Agreement (RCEP) gilt als das derzeit größte existierende Freihandelsabkommen mit 15 beteiligten Ländern im asiatischen Wirtschaftsraum. Mit China, Japan, Südkorea, Australien und Neuseeland und den zehn Staaten des ASEAN-Bündnisses repräsentiert das Freihandelslabkommen rund 30 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung, das entspricht 29,94 Bill. $.[1] Davon fällt der größte Anteil mit 61 % auf die VR China. In Summe lebt jeder dritte Erdenbürger lebt in einem der 15 eingebunden Länder, die sich über politisch-ideologische Unterschiede hinweg als alternativ zu bezeichnendes Freihandelslabkommen zusammengeschlossen haben.[2]
Die Prinzipien der RCEP-Partnerschaft
Ziel des Abkommens ist es, im Zeitraum der nächsten 20 Jahre eine weitgehende Zollbefreiung der zwischen den Unterzeichnerstaaten gehandelten Waren umzusetzen. Die Grundlage für die wirtschaftliche Zusammenarbeit bilden die Vereinbarungen, die neben dem sukzessiv entfallenden Zollerhebungen, einer schnelleren Zollabfertigung und einen reibungsloseren Transport sowie die Entwicklung des elektronischen Handels vorsehen.[3] Der größte Gewinn für die Mitglieder des RCEP ist also die Senkung der Zölle auf Produkte, die innerhalb des Handelsblocks bezogen werden. Das Abkommen enthält Regelwerke für zwanzig Bereiche. Ursprungsländer werden klar definiert, was den Warenfluss unter den beteiligten Ländern vereinfacht. Damit wird ein Anreiz für die RCEP-Mitglieder geschaffen, innerhalb des definierten Wirtschaftsraumes Waren freier zu beschaffen und generell freien Handel untereinander zu betreiben.
Die von allen Teilnehmerstaaten ratifizierten Grundlagen der RCEP sehen vor, dass Produktkomponenten aus allen Mitgliedsländern gleichbehandelt werden. Dadurch dürften sich die Beschaffungsmöglichkeiten innerhalb der Region über Landesgrenzen hinweg erhöhen. Zudem werden dadurch mehr Möglichkeiten für kleine und mittlere Unternehmen geschaffen, sich in die regionalen Lieferketten und Warenströme zu integrieren und die Handelskosten für beteiligte Unternehmen zu senken.
Somit existiert bereits 12 Monate lang ein erstes multilaterales Abkommen, ohne dass die weiterhin bestehenden bi-lateralen Handelsabkommen aufgegeben werden. Australien unterhält beispielsweise mit jedem anderen Land im RCEP ein bilaterales Abkommen. Die Länder behalten diesew bilateralen Abkommen bei, die im Kern die Handelsbeziehungen zwischen den Ländern detaillierter regeln, jedoch respektieren alle die neuen einheitlichen Beschaffungsregeln im Rahmen des RCEP.[4]
Da die Welt mit der COVID-19-Pandemie und den erfolgten zahlreichen Einschränkungen der Warenströme zu kämpfen hat, bietet die fortschreitende Umsetzung des RCEP-Handelsabkommens einen rechtzeitigen Anstoß für eine schnellere Erholung sowie ein langfristiges Wachstum und Wohlstand in der Region.
Die regionale Partnerschaft umfaßt eine Vielfalt von Volkswirtschaften in unterschiedlichen Entwicklungsstadien, so dass die weniger entwickelten Volkswirtschaften die Stärke der entwickelten Partner wie China und dessen belegbar kooperativen und fairen Stil nutzen können, während die stärkeren Volkswirtschaften aufgrund der entstehenden Nachfrage kleinerer Märkte ebenfalls eine Fortsetzung ihrer wirtschaftlichen Entwicklung erleben. Analysten zufolge wird das RCEP-Abkommen die regionale wirtschaftliche Integration durch niedrigere Zölle, sich entwickelnden Lieferketten und Produktionsnetzwerke beschleunigen und ein robustes Handelsökosystem in der Region schaffen. Es liegt in der Natur der Sache, dass bei einem solchen großartigen Gebilde Unregelmäßigkeiten in der Umsetzung und der Präzisierung der Absprachen im zeitlichen Verlauf auftreten. Den allzu forschen begleitenden Kritiken ist allerdings entgegenzuhalten, dass die Zielsetzungen der RCEP-Vereinbarung zum Teil bis auf 20 Jahre ausgelegt sind und insofern Phasen der Entwicklung durchlaufen.
"Das RCEP ist ein bedeutendes Abkommen in einer Zeit großer globaler Handelsunsicherheit. Es wehrt sich gegen Handelsprotektionismus und Fragmentierung in 30 Prozent der Weltwirtschaft und ist ein enorm stabilisierender Faktor im globalen Handelssystem. " betont Prof. Peter Drysdale vom East Asian Bureau of Economic Research, Australien.[5]
Als größtes Freihandelsabkommen, das jemals geschmiedet wurde, könnte das RCEP die Rolle eines Vorreitermodells für andere Freihandelszonen und Freihandelsabkommen in der Welt spielen. Die im Ansatz erkennbare lebhafte Dynamik der Region dürfte in naher Zukunft auch eine starke Anziehungskraft auf Volkswirtschaften außerhalb der Region ausüben. Einer Recherche der Bertelsmann-Stiftung zufolge sollte sich auch die EU bemühen, mit RCEP Verhandlungen über eine Zusammenarbeit aufzunehmen, die über einen Beobachterstatus hinweg bis zu einer Mitgliedschaft führen könnte.[6]
Einem im Februar 2022 veröffentlichten Bericht der IFW zufolge werden die Länder mit niedrigem mittlerem Einkommen im Rahmen der RCEP-Partnerschaft die größten Lohnzuwächse verzeichnen. Die Studie simuliert die Auswirkungen des Handelsabkommens und kommt zu dem Ergebnis, dass die Realeinkommen, beispielhaft aufgezeigt an den RCEP-Teilnehmerländern Vietnam und Malaysia um bis zu 5 Prozent steigen könnten und bis zu 27 Millionen Menschen dank des Abkommens bis 2035 in die Mittelschicht aufsteigen werden. Es sei davon auszugehen, dass der Transfer von Technologie und Produktionskapazitäten aus den höher entwickelten Ländern in die weniger entwickelten Länder ein wesentlicher Vorteil des Handelsabkommens sei.[7] Die Bemühungen einer stärkeren wirtschaftlichen Kooperation zwischen Vietnam und China , denen zufolge Vietnam günstige Bedingungen für Investitionsvorhaben großer chinesischer Unternehmen schaff, können als ein Indikator für die zunehmende Vitalisierung der RCEP-Region angesehen werden.[8] Dem liegt ganz offenbar die banale Erkenntnis zugrunde, dass kein Land der Welt eine Kernposition in der globalen Lieferkette aufrechterhalten kann, indem es selbst seine vermeintlichen Partner behindert bzw. mit Sanktionen überzieht, wie im Falle der vielfältigen Sanktionen durch die US-Administration weltweit nachzuweisen ist.
Gerade deshalb ist anzumerken, dass trotz der Handelseinschränkungen durch die US-Politik Chinas Exporte in die USA seit 2018 auf Rekordhöhe gewachsen sind, zumindest statistisch belegbar bis einschließlich 2021.[9]
Chinas Wirtschaft hat sich beharrlich tief in die Weltwirtschaft integriert. Seit dem Beitritt zur Welthandelsorganisation (WTO) im Jahr 2001 hat China ein durchschnittliches jährliches Wachstum von über 11 % im Außenhandel verzeichnet und Handelsüberschüsse im Wert von über 5 Billionen US-Dollar angehäuft. Das Jahr 2021 markiert den 20. Jahrestag des Beitritts Chinas zur WTO. Im Jahr 2021 erreichte der Anteil der chinesischen Exporte an den Gesamtexporten der Welt ein Rekordhoch.[10]
Auch in der asiatisch-pazifischen Region ist China im Hinblick auf sein Wirtschaftswachstum zur wichtigsten Volkswirtschaft aufgestiegen. Dennoch hat das Land zu keinem Zeitpunkt den Anspruch erhoben, das Zentrum des RCEP zu bilden; das Zentrum der Partnerschaft ist den zehn ASEAN-Ländern übertragen.
Der Gegenwind aus dem US-Lager
Die US-Regierung ermutigt sowohl ihre Verbündeten als auch neutrale Länder, ihre etablierten industriellen Lieferketten aus China zu verlagern. [11]
Der sich seit langem zu einem Handelskrieg zugespitzten hegemonialen Konflikt konkurrierender Wirtschaftsmächte veranlaßt China, ein Gleichgewicht zwischen seinen gesellschaftspolitischen Entwicklungszielen und seiner souveränen Sicherheit herzustellen und zudem ein günstiges externes Umfeld für seine wirtschaftliche Entwicklung zu schaffen. Um dies zu erreichen, scheint in einer arbeitsteilig organisierten Weltwirtschaft, trotz der politisch-ideologischen Unterschiede eine rationale Suche nach Gemeinsamkeiten und Differenzen überwindenden Politik im Umgang mit anderen Ländern unausweichlich. Insofern sind wirtschaftliche Handelsabkommen und eine handelspolitische Zusammenarbeit, so wie die RCEP-Vereinbarung für den asiatischen Wirtschaftsraum ausgelegt ist, Ausdruck pragmatischer Politik, die eine Verknüpfung der Produktionsnetze und den Warenaustausch zwischen den beteiligten Ländern vorantreibt. Durch die festgelegten Grundsätze für die wirtschaftliche Zusammenarbeit schaffen die Länder im gegenseitigen Einvernehmen die Voraussetzungen für die Nutzung zum Beispiel von modernen Maschinen und Arbeitsgeräten im verarbeitenden Gewerbe, der Montage von Vorprodukten aus einem Nachbarland sowie der Nutzung von Ressourcen im Ringtausch. So soll die Fertigung von wettbewerbsfähigeren Produkten in den eher als Entwicklungsländern zu bezeichnenden RCEP-Ländern gefördert und vorangetrieben werden. Dieser Weg erscheint als eine Option, die Souveränität und Eigenständigkeit der beteiligten Länder zu erhalten bei gleichzeitiger Förderung der inländischen Nachfrage und Versorgung. Für die führende Wirtschaftsmacht China bedeutet das eine Verbesserung eines soliden makroökonomischen Umfeldes für die beabsichtigte Modernisierung der Industrie und Festigung seiner Position als verlässlicher und kooperativer Partner. Der Zuspruch der Beteiligten zur langfristig angelegten Partnerschaft in der RCEP läßt den Schluss zu, dass sich die beteiligten Länder trotz ihres unterschiedlichen wirtschaftlichen Entwicklungsstandes aufgeschlossen und kooperativ begegnen und eine langfristige Zusammenarbeit für ihr Land befürworten.
[1] https://www.handelsblatt.com/politik/international/rcep-vor-allem-china-setzt-auf-die-weltgroesste-freihandelszone/28896192.html
[2] https://www.isw-muenchen.de/2020/12/rcep-multilateralismus-auf-erfolgskurs/
[3] https://www.kas.de/de/analysen-und-argumente/detail/-/content/das-weltgroesste-freihandelsabkommen-rcep-tritt-in-kraft
[4] https://www.isw-muenchen.de/2020/12/rcep-multilateralismus-auf-erfolgskurs/
[5] https://www.eria.org/database-and-programmes/prof-peter-drysdale-rcep-as-alternative-course-to-avoid-protectionism/
[6] https://www.handelsblatt.com/politik/international/rcep-vertrag-neue-warenstroeme-in-asien-vor-allem-china-setzt-auf-die-weltgroesste-freihandelszone/
[7] https://openknowledge.worldbank.org/handle/10986/37012
[8] https://vovworld.vn/de-DE/nachrichten/beziehungen-zwischen-vietnam-und-china-gesund-stabil-und-nachhaltig-entwickeln-1147488.vov
[9] https://de.statista.com/infografik/27021/anzahl-der-derzeit-aktiven-sanktionen-nach-zielland/
[10] https://www.caixinglobal.com/2022-09-10/weekend-long-read-how-china-can-chart-a-path-forward-in-international-trade-101938178.html
[11] https://www.isw-muenchen.de/2022/11/us-midterms-bidens-konfrontative-aussenpolitik-kann-weitergehen-innenpolitisch-ist-er-eine-lahme-ente/