Die Versammlungen des Nationalen Volkskongresses, Chinas Legislative und die Politischen Konsultativkonferenz des chinesischen Volkes (PKKCV) tagten seit dem 4. März diesen Jahres in der Großen Halle des Volkes in Beijing. Nach einwöchigen Beratungen verabschiedeten die Gesetzgeber den Entwurf des 14. Fünfjahresplans (2021-2025) für die nationale wirtschaftliche und soziale Entwicklung und die langfristigen Ziele bis zum Jahr 2035.

Der Fünfjahresplan für die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung Chinas stellt die Weichen für die Entwicklung des Landes in den kommenden Jahren. Der verabschiedete Fünfjahresplan beziffert zum 14. Mal in Folge die staatlichen Planungsvorgaben der Zentralregierung und die Parameter für die Umsetzung durch die nachgeordneten Regionalregierungen, ein Wesensmerkmal zentralstaatlich gelenkter Planung der sozialistischen Volksrepublik China.

Der britische Wissenschaftler, John Ross vom Chongyang Institute for Financial Studies, Renmin University of China, merkt dazu an, sich in nur 70 Jahren, also in einem einzigen Leben, zu entwickeln, sei eine erstaunliche Leistung, die zuvor von keinem großen Land in der gesamten Menschheitsgeschichte erreicht wurde. Der Fünfjahresplan gelte als ein Fahrplan für das zweite hundertjährige Ziel des Landes, ein modernes sozialistisches Land umfassend aufzubauen und China in eine neue Phase der Entwicklung zu führen.

Vier Schwerpunkte des Fünfjahresplans

Die Versorgung der Bevölkerung durch die Fortsetzung des Wirtschaftswachstums, ein Umbau der Schlüsselindustrien zur Erlangung höherer Eigenständigkeit, die Förderung der technologischen Innovation, der Umweltschutz und Kohlenstoff-Neutralität bilden die Schwerpunkte des abgestimmten neuen Fünfjahresplans.

Wachstumsziel

Chinas BIP bis 2035 zu verdoppeln kann als die übergeordnete Zielvorgabe des Fünfjahresplan angesehen werden. Das entspricht einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate von etwa 4,4 Prozent, von 2021 bis 2035. Für das Jahr 2021 ist ein jährliches Wirtschaftswachstum von um die 6% zum Ziel gesetzt, trotzdem das Land seine wirtschaftliche Erholung von der Covid-19-Pandemie behutsam fortsetzt. Bei der Festlegung des Wachstumsziels betont die chinesische Regierung, das qualitative Wachstum zu priorisieren gegenüber eines fortgesetzten schnellen Wachstums in den vergangenen Planungsperioden.

„Bei der Festlegung dieses Ziels haben wir die Erholung der wirtschaftlichen Aktivität berücksichtigt“, betont der Ministerpräsident Chinas, Li Keqiang, in seinem Rechenschaftsbericht und fügt hinzu, dass das Ziel dazu beitragen wird, Reformen, Innovationen und eine hochwertige Entwicklung zu fördern.“

Das vergleichsweise bescheiden ausfallende Wachstumsziel für 2021 gegenüber den international beachtlichen Steigerungsraten des Bruttoinlandsproduktes in den vergangenen Jahren lässt den politischen Entscheidungsträgern mehr Anpassungsspielraum. Dies erscheint ratsam, um ein qualitatives Wirtschaftswachstum gerade nach den coronabedingten Einbrüchen steuerbar zu gestalten und den sich im Finanzsystem ansammelnden Risiken zu begegnen.

Hinzu kommt die im 14. Fünfjahresplan formulierte Zielsetzung der Einkommensumverteilung. Das verfügbare Pro-Kopf-Einkommen der obersten Einkommensgruppe erreichte 2020 10.230 Euro (Jahr), während die unterste Einkommensgruppe nur 1.002 Euro registrierte. Die chinesische Regierung folgt damit den nicht überhörbaren Forderungen der am Planungsprozess beteiligten Wirtschafts- und Partei-Kommissionen, den ungleichen Verteilungen des Nationalen Einkommens mit der Zielsetzung der Wohlstandsteigerung für die Mehrheit der Bevölkerung zu entsprechen.

Auch wenn die Prognosen eher positiv ausfallen, könnte sich das BIP-Wachstum nach den Steigerungsraten in den vergangenen Planungsperioden leicht abschwächen. China gibt seine jahrzehntelange Planungspraxis einer jährlichen BIP-Wachstumszielvorgabe für die Wirtschaft auf, da die Auswirkungen des Covid-19 die Planungsparameter teilweise stark beeinflussten. Chinas BIP wuchs im Jahr 2020 um 2,3 %, dem niedrigsten Steigerungswert seit 1976. Und dennoch war das Land die einzige große Volkswirtschaft, die inmitten der Auswirkungen der Pandemie expandierte.

Bruttoinlandsprodukt (BIP) in jeweiligen Preisen, Prognosen bis 2025

Datenquelle: statista.com

Gründe dafür sind insbesondere in den veränderten Prioritäten eines qualitativen und nachhaltigen Wachstums zu sehen, die bereits im Vorfeld der neuen Fünfjahresplanung die Richtungsänderung einleiteten. Auffällig in diesem Zusammenhang sind die Anmerkungen westlicher Analysten mit ihren ungläubigen Blicken auf die außergewöhnlichen Wachstumsraten einer Planwirtschaft in den zurückliegenden Jahren einerseits, und dem Erstaunen andererseits, plötzlich planerisch „nur noch“ von einem BIP-Wachstum von um die 6% ausgehen zu können. So etwa Iris Pang, Chefökonomin für Greater China bei der Bank ING: „Das sehr niedrige BIP-Wachstumsziel scheint so, als gäbe es gar kein Ziel. Gleichzeitig räumt sie aber ein, „dass das niedrige BIP-Ziel eine Möglichkeit signalisieren könnte, dass die Regierung ein Szenario für das Comeback von Covid einbezieht“. Ein weiterer Grund für die veränderte Priorisierung könnten die hohen staatlichen Investitionen in den vergangenen Perioden für den Aufbau landesweiter Infrastrukturen sein, einschließlich der Einbindung dezentraler Regionen, die infolge des Covid-19 nicht in gleichem Maße fortgesetzt werden. Das erscheint als nichts Außergewöhnliches in einem Planungsprozess, der überschaubar und beherrschbar bleiben soll. Die geplanten finanziellen Aufwendungen, die in einem Entwicklungsland für die nachhaltige Umgestaltung der Wirtschaft und die angestrebten Ziele der CO2-Neutralität in die Umstellung der Energieversorgung auf erneuerbare Energien fließen sollen, scheinen das zu belegen.

Auch für China soll die staatliche Verschuldung beherrschbar und kontrollierbar bleiben. Es wird zwar weiterhin auf infrastrukturelle Maßnahmen gesetzt, um das Wachstum in bestimmten Branchen gezielt zu unterstützen, aber gleichzeitig systemische Risiken zu verringern. Die Regierung hat ihre geschätzte Defizit-zu-BIP-Quote für das Jahr auf etwa 3,2 % von „mehr als 3,6 %“ im Jahr 2020 gesenkt, aber sie übersteigt immer noch die 3 %-Grenze, die von den politischen Entscheidungsträgern seit langem als eine Linie angesehen wird, die nicht überschritten werden soll. Hieraus erfolgt für die kommende Planungsperiode die Notwendigkeit, die „Kontinuität, Stabilität (und) Nachhaltigkeit“ für das Jahr 2021 durch eine „proaktive“ und „umsichtige“ Fiskal- und Geldpolitik zu erhalten. Aufgrund der veränderten Prioritäten für die Wirtschaftsentwicklung ergeben sich also im staatlichen Planungskontext Barrieren. Dabei scheint es eher um eine Konsolidierung der Staatsausgaben für Infrastruktur-Projekte zu gehen, als um staatliche Versäumnisse, wie sie in westlichen neoliberal organisierten Marktwirtschaften durch die renditegesteuerten Investitionszurückhaltungen zu beobachten sind (vgl. hierzu die Ausführungen im neu erscheinenden isw wirtschaftsinfo 58).

Während sich die Zentralregierung auf einen Ausstieg aus der langjährigen Stimulierungspolitik zubewegt, um die wirtschaftlichen Nachwirkungen des Pandemie-Breaks abzumildern, bleibt sie in ihren Zielsetzungen konsequent, „scharfe“ Wendungen in der Politik zu vermeiden und wichtige Wirtschaftsindikatoren innerhalb einer angemessenen Bandbreite aufrechtzuerhalten. Die Auswirkungen der Pandemie sind nach Auffassung des Ökonomen Merkt von Hongta Securities Co. Ltd. noch nicht vollständig abgeklungen, so dass der Rückzug solcher Stimulierungsmaßnahmen nicht zu früh oder zu schnell erfolgen sollte. Die Kontinuität der makroökonomischen Politik scheint China beizubehalten, um den weiterhin bestehenden strukturellen Ungleichgewichten entgegenzuwirken. So sieht der Fünfjahresplan vor, die Arbeitslosenquote in den Städten bei etwa 5,5% zu halten und über 11 Millionen neue Arbeitsplätze in den Städten zu schaffen, verglichen mit den Prognosen von „etwa 6%“ und „über 9 Millionen“ für das letzte Jahr. Die niedrigere Schätzung der Arbeitslosenquote und das höhere Ziel für neue Arbeitsplätze deuten auf erwartete Verbesserungen auf dem Arbeitsmarkt im Jahr 2021 hin.

report 119: Der Aufstieg Chinas und die Krise des neoliberalen Kapitalismus

Zudem sind Planungsvorgaben u. a. zur Ankurbelung des Binnenmarktes vorgegeben, die den auf dem Land geborenen Wanderarbeitern das Recht gewähren, sich in den Städten niederzulassen, zur Stärkung des Wachstums der ländlichen Einkommen, zur Verbesserung der sozialen Sicherheit und zur Erhöhung des Anteils von Tourismus und kulturellen Gütern in der Wirtschaft.

Rahmen-Vorgaben – „der innere und äußere Kreislauf“

Die Installation eines sogenannten inneren und äußeren Kreislaufs bilden den Rahmen für die definierten Schwerpunkte des aktuell verabschiedeten Fünfjahresplanes. Der erste Kreislauf (Vorgaben für das Wirtschaftswachstum) ist der alles Entscheidende: Er soll die inländische Wirtschaftsentwicklung und die Versorgungslage stärken. Zudem ist der Aufbau einer inländischen Lieferkette vorgesehen, um damit einer Störanfälligkeit globaler Lieferketten, sprich: den wirkmächtigen Wirtschaftssanktionen gegenüber China, auszuweichen. Ergänzend kommt der zweite Kreislauf hinzu, der die Nutzung ausländischer Unternehmen und die gleichzeitige Exportförderung für den weiteren Ausbau von Wirtschaft und Gesellschaft festlegt. Die Fortsetzung einer zentralstaatlich abgestimmten und umgesetzten Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik mit angereicherten marktwirtschaftlichen Elementen bildet die Grundlage für die chinesische sozialistische Marktwirtschaft, eine auf die Menschen ausgerichtete Wirtschaftsweise. Die Entwicklung der Volkswirtschaft ist aufgrund der noch fehlenden Produktionsmittel auf die effektive wirksame Marktwirtschaft bei der Beschaffung von Ressourcen angewiesen. Dabei bleibt das öffentliche Eigentum als Grundpfeiler bestehen und wird durch nicht-öffentliche Eigentum ergänzt zum System der sozialistischen Marktwirtschaft.

Marktöffnung

Der Fünfjahresplan sieht sogar vor, dass das Land die weitere Öffnung der Finanzmärkte, die Stärkung des Handelswettbewerbs und die Verbesserung der internationalen Zusammenarbeit vorantreiben wird. Somit dürfte die Internationalisierung der chinesischen Währung Renminbi auch für Kapitalmärkte an Bedeutung zulegen. Der Aufbau einer unabhängigen Wirtschaft bedeutet auch nicht, dass China seine Türen verschließen wird. Historisch materialistisch betrachtet ist die Aufnahme ausländischen Kapitals für den Aufbau eines sozialistischen Gesellschaftssystems auch nichts Schändliches. Gesellschaftlicher Reichtum ist keine Schande. Armut ist eine Schande! Häufig vorgetragene Auswüchse des westlichen Kloster-Sozialismus sind wenig zielführend, dass alle alles miteinander teilen müssen. Nach Einschätzung von Rüdiger Raul sei das auch nie der Gedanke der Urväter gewesen. Der Fünfjahresplan sieht sogar vor, dass das Land die weitere Öffnung der Finanzmärkte, die Stärkung des Handelswettbewerbs und die Verbesserung der internationalen Zusammenarbeit und die damit begleitende Beschaffung von ausländischem Kapital vorantreiben wird.

Innovation und Technologie

China will seine Technologiekapazität ausbauen und auf Unternehmen aus den Branchen Künstliche Intelligenz (KI), Quanteninformation, integrierte Schaltkreise und Biotechnologie setzen. Zu den strategisch angelegten Planvorgaben gehört somit generell die Förderung von moderner Technologie. Technologie-Patente, Expertenwissen, Spezialbauteile und wichtige Rohstoffe sollen künftig möglichst aus China selbst kommen. Infrastruktur, moderne Fertigung und erneuerbare Energien bilden weitere Schwerpunkte in der voranzutreibenden Technologie- Entwicklung und Forschung. Bis 2035 soll u. a. in den zuzuordnenden Schlüsseltechnologien Halbleiter und Künstliche Intelligenz eine weitreichende Unabhängigkeit erreicht werden.

Digitalisierung

Auch die sogenannten Plattformunternehmen sollen weiterhin bei der innovativen Entwicklung und der Verbesserung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit staatlich unterstützt werden. Die Digitalisierung hat sich infolge von Covid-19 signifikant beschleunigt. insbesondere Dienstleistungen wie Lebensmittel-Lieferservices, Bildung und Gesundheitsfürsorge haben sich auch in dezentralen Gebieten zunehmend in die digitale Welt verlagert. Durch die geplanten Investitionen in Bereiche wie Cloud, Big Data und KI sollen diese Bereiche langfristig eine wettbewerbsfähige Führerschaft übernehmen. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass die Geschäftstätigkeit von Unternehmensmonopolen im Interesse eines fairen Marktwettbewerbs und einer nicht gewollten unregulierten Kapitalausweitung in den Konsultationen zum neu aufgelegten 5-Jahresbericht eine besondere Erwähnung findet. Mit einer Reihe von neuen Regeln sowie Prozessen gegen große Unternehmen wie Finanzdienstleister und Tech-Firmen will die Zentralregierung die bereits erfolgten Einschränkungen von Firmen wie etwa Alibaba, Tencent und Bezahldienstleister wie Ant mit Antimonopolregeln unter strengere Regulierungen stellen. Das lässt sich zweifelsfrei als ein erwähnenswertes, klares politisches Bekenntnis zur Fortsetzung und Aufrechterhaltung des sozialistischen Charakters des chinesischen Gesellschaftsmodells bewerten.

Die Konstellation der privatwirtschaftlich tätigen Unternehmen und ihr Beitrag beim fortschreitenden Aufbau eines sozialistischen Landes wird, nach subjektiver Einschätzung, nicht zur Formation einer herrschenden Klasse von Kapitalbesitzern führen. Dazu sind die geschaffenen Machtstrukturen durch Partei und Staatsstrukturen zu stabil. Die obersten Führungsgremien der Volksrepublik China sind entschlossen, den Weg der sozialistischen Marktwirtschaft mit chinesischer Prägung fortzusetzen[1]. Für die Förderung von Innovationen sieht die staatliche Planung im verabschiedeten Fünfjahresplan eine Erhöhung der Ausgaben für Forschung und Entwicklung um 8 Prozent pro Jahr vor. Ergänzend dazu soll der bisher gültige Steuerabzug von 75% auf die F&E-Ausgaben von Unternehmen beibehalten werden. Der Steuerabzug für F&E-Kosten von Produktionsunternehmen wird für das Jahr 2021 auf 100% angehoben. Die Planungsumsetzung um mehr Eigenständigkeit und Auflösung der Abhängigkeit in der Halbleitertechnologie dürfte jedoch noch einige Zeit in Anspruch nehmen.

Dekarbonisierung - der Weg zur Klimaneutralität

China will bis 2060 CO2-neutral werden. China setzt dabei einen hohen Standard für den Umweltschutz an. Somit sollen signifikante Fortschritte bei der Kontrolle des Kohlenstoffausstoßes bis 2035 erzielt werden. Die geplante Transformation hin zu einer kohlenstoffarmen Entwicklung soll neben der Regulierung der Wirtschaftsstruktur, bei gleichzeitiger Niveauhebung der Industrien, eine Optimierung der Energiestruktur und dem Aufbau eines grünen und kohlenstoffarmen Wirtschaftssystems erfolgen. Laut dem Fünfjahresplan will China das Wachstum der Stromerzeugung, -übertragung und -verteilung aus erneuerbaren Energien beschleunigen. Die Nachfrage nach entsprechenden Ausrüstungen, Dienstleistungen und Investitionen dürfte demnach enorm ansteigen. Trotz des langfristigen Schwerpunkts auf erneuerbare Energien und Kohlenstoffneutralität ist jedoch zu erwarten, dass traditionelle Energiesektoren weiterhin eine Schlüsselrolle spielen werden. Auf der Kopenhagener Klimakonferenz 2009 hat China der internationalen Gemeinschaft das Versprechen gegeben, bis 2020 seine Kohlendioxidemissionen in Relation zum BIP verglichen mit 2005 um 40 bis 45 Prozent zu reduzieren. Der Anteil nicht-fossiler Energien am Gesamtenergieverbrauch sollte auf 15 Prozent steigen. Bereits 2019 ist es der Volksrepublik gelungen, den CO2-Ausstoß im Vergleich zu 2005 um 48 Prozent zu senken sowie den Anteil nicht-fossiler Energien am Gesamtenergieverbrauch auf 15,3 Prozent zu erhöhen. Damit hat China seine versprochenen Zielvorgaben erfüllt (1, 2).

Unter dem negativen Einfluss der Corona-Pandemie gestalten sich die Maßnahmen für eine kohlenstoffarme Transformation der Wirtschaft vermutlich deutlich schwieriger. Die große Herausforderung besteht insbesondere darin, dass der Kohlenstoffverbrauch im Prozess der Wirtschaftswiederbelebung wieder in die Höhe zu schnellen droht, weil die Branchen Bau und industrielle Fertigung naturgemäß einen hohen Energieverbrauch haben und sich schneller erholen als Dienstleistungssektoren mit eher niedrigerem Energie-verbrauch. Bei der Beibehaltung des Wirtschaftswachstums wird der Energiebedarf weiter steigen. Die Intensität des Energieverbrauchs sollte nach Einschätzung von Energie-Experten in Relation zum Wirtschaftswachstum gesenkt werden. Insofern sind die Zielsetzungen für das Erreichen von Klimaneutralität im Jahr 2060 bei gleichzeitigem Anstieg des Energiebedarfs und der erforderlichen Optimierung der Energiestruktur (Erhöhung des Anteils erneuerbarer Energien) eine enorme Aufgabenstellung. Hierzu sind wesentlich größere Anstrengungen erforderlich als in den westlichen Industrienationen, die dieses Ziel für 2050 angeben. Die jährliche Senkungsquote des Kohlendioxidausstoßes muss in China ab 2030 zwischen acht und zehn Prozent liegen. Sie muss also bei weitem die Geschwindigkeit und Intensität der Emissionsreduzierung in den Industrieländern übertreffen, nachdem die Industrienationen sich bereits in die Phase der Postindustrialisierung (Grad der industriellen Fertigung) befinden, in welcher der Energiebedarf bereits einen hohen Sättigungsgrad aufweist. Laut Chinas staatlichem Bericht über die Energieentwicklung 2020 machte der Kohlenverbrauch in 2020 rund 58 Prozent von Chinas Gesamtenergieverbrauch aus, während der Anteil nicht-fossiler Energien am Primärenergieverbrauch bei 15,3 Prozent lag. Um das Ziel der Klimaneutralität bis 2060 zu erreichen, muss die Volksrepublik bis Mitte des Jahrhunderts eine Energiestruktur der Nullemission aufbauen, in der neue und erneuerbare Energien die wichtigsten Säulen bilden.

Multilateralismus – chinesische Prinzipien zur Mitgestaltung und Teilhabe an der globalen Wirtschaftsentwicklung

Der neue Fünfjahresplan kann auch als eine Bestätigung dafür betrachtet werden, dass China weiterhin im globalen Maßstab eine unabhängige Außenpolitik des Friedens verfolgt. Globale Partnerschaften und der Aufbau einer neuen Art von internationalen Beziehungen sind ein Bekenntnis zur Fortsetzung des gegenseitigen Respekts in den internationalen Beziehungen, getreu den Prinzipien des chinesischen Multilateralismus. Im Zuge der Konsultationen zum verabschiedeten Fünfjahresplan ist dennoch nicht zu übersehen, dass die erkennbaren veränderten Priorisierungen, namentlich die Besinnung auf die Förderung der eigenmächtigen potenten Wirkungspotentiale auch eine Reaktion auf den Versuch der USA sind, China mit einem erbittert geführten Wirtschaftskrieg in ihrer Entwicklung zu behindern. Die Unzuverlässigkeit und Nichteinhaltung internationaler Standards für globale Wirtschaftsbeziehungen, vor allem von Seiten der USA, bewegt China dazu, wichtige Produktionselemente durch Eigenentwicklungen und anderen internationalen Kooperationen zu kompensieren. Das wird nach Schätzungen von Expertenkreisen Jahre an Entwicklungszeit und zusätzlichen Entwicklungskosten erfordern. Der Plan, auf Arbeitsteilung mit dem Westen zu setzen, ist am US-Wirtschaftskrieg gescheitert.

Und dennoch: China will sich weiterhin in die internationale Gemeinschaft mit einer Politik der Öffnung und friedlichen Zusammenarbeit auf Augenhöhe einbringen. Es will einen Beitrag leisten, das System der globalen Governance fairer und gerechter zu gestalten. Die friedliche Koexistenz und die gemeinsame Entwicklung anderer Länder sind in Übereinstimmung mit dem Prinzip der gegenseitigen Achtung, der Gleichheit und des gegenseitigen Nutzens die charakteristischen Merkmale der erneut bestätigten Prinzipien des Multilateralismus. Eine politisch-ideologisch vorgebrachte „systemische Rivalität“, made in USA, zwischen dem Westen und China scheint es wohl zu geben. Aber, die in westlichen Nationen vorherrschende Wertehaltung, die da lautet, überlegen zu sein und die Spielregeln für internationale Beziehungen vorgeben und alleine bestimmen zu müssen, geht mit der dargestellten chinesischen Auffassung von Multilateralismus nicht zusammen. Chinas Multilateralismus ist allerdings nicht belegbar als ideologische Rivalität, die als Exportware von China propagiert wird. Die „systemische Rivalität“ wird vielmehr durch die nie ermüdende hegemoniale und behauptete Überlegenheit der westlichen Staaten eingebracht. Letztlich sind die eskalierenden nächsten Schritte einer militärischen Konfrontation aus mangelndem Verständnis für Multilateralismus nicht auszuschließen.


[1] ausführlich hierzu: report 119 (2019): Der Aufstieg Chinas und die Krise des neoliberalen Kapitalismus Wolfgang Müller (2021): Die Rätsel Chinas – Wiederaufstieg einer Weltmacht, Hamburg Wolfram Elsner (2020): Das Chinesische Jahrhundert, Frankfurt