Der Koalitionsvertrag in Sachen Krieg/Frieden bringt wenig Überaschendes. Im Abschnitt „Abrüstung, Rüstungskontrolle, Rüstungsexporte“ ist zwar auch von Abrüstung die Rede, aber der Grundton lautet „weiter so“ . Weiter so mit dem Bekenntnis zur NATO-Politik der Kriegsvorbereitung, weiter so mit der atomaren Teilhabe Deutschlands und weiter so bei der Pflege der Feindbilder Russland und China. Im entsprechenden Abschnitt des Koalitionsvertrags dominieren die Kategorien „systemisch Konkurrenz“, „Abschreckungspotential“ oder die Bedrohung aus dem Osten. Ein Konzept für eine Entspannungspolitik, geschweige denn konkreter Abrüstungsvorschläge sucht man im Koalitionsvertrag vergeblich. Der entsprechende Abschnitt des Vertrages verströmt den Atem des kalten Krieges und fügt sich damit passgenau in die NATO-Globalstrategie ein. Dem entsprechen die im Koalitionsvertrag geplanten Aufrüstungsmaßnahmen, von bewaffneten Drohnen bis zur aktiven Vorbereitung eines Atomkriegs im Rahmen der Politik der USA.

Beispiel Drohnen

Trotz anfänglichen Bedenken und Widerständen von Teilen der SPD und Teilen der Grünen sind bewaffnete Kampfdrohnen für die Bundeswehr koalitionsvertraglich eingeplant. Als Begründung für die Anschaffung bewaffneter Drohnen wird angeführt, der Schutz der Bundeswehrsoldaten mache diese Drohnenentscheidung notwendig. Wörtlich heißt es im Koalitionsvertrag: „Bewaffnete Drohnen können zum Schutz der Soldatinnen und Soldaten im Auslandseinsatz beitragen. Unter verbindlichen und transparenten Auflagen und unter Berücksichtigung von ethischen und sicherheitspolitischen Aspekten werden wir daher die Bewaffnung von Drohnen der Bundeswehr in dieser Legislaturperiode ermöglichen.“ Damit wird schon klar: Es soll weitergehen mit Auslandseinsätzen der Bundeswehr. Dabei wäre der beste Schutz der Bundeswehrsoldaten eine Beendigung aller Auslandseinsätze statt bewaffneter Drohnen. Offensichtlich macht man nach dem Afghanistandesaster, wo mit Drohnenangriffen tausende unschuldige Zivilisten getötet wurden, einfach weiter.

Neue Bundesregierung für Atomwaffen

Geradezu grotesk die Positionen im Koalitionsvertrag zum Thema Atomwaffen. Da heißt es:

Unser Ziel bleibt eine atomwaffenfreie Welt (Global Zero) und damit einhergehend ein Deutschland frei von Atomwaffen.

Aber gleichzeitig:

Solange Kernwaffen im Strategischen Konzept der NATO eine Rolle spielen, hat Deutschland ein Interesse daran, an den strategischen Diskussionen und Planungsprozessen teilzuhaben.

Statt das Atomkriegskonzept der NATO in Frage zu stellen, möchte man sich daran beteiligen. „Atomare Teilhabe“ bedeutet nichts anderes, als sich an Atomkriegskonzepten zu beteiligen, die das Ende der menschlichen Zivilisation, wie wir sie heute kennen, bedeuten könnte. Das Bekenntnis zu einem atomwaffenfreien Deutschland ist nichts wert, so lange US-Atomwaffen weiterhin hier gelagert werden und deren Einsatz von der Bundeswehr regelmäßig geprobt wird. Deutschland verstößt damit schon seit Jahrzehnten gegen den Atomwaffensperrvertrag. Darin heißt es in Artikel II:

Jeder Nichtkernwaffenstaat … verpflichtet sich, Kernwaffen oder sonstige Kernsprengkörper oder die Verfügungsgewalt darüber von niemanden mittelbar oder unmittelbar anzunehmen.

Mit der „atomaren Teilhabe“ ist auch die Beschaffung eines Nachfolgemodells des Kampfflugzeuges Tornado als atomwaffenfähiges Trägersystem verbunden. Dazu heißt es im Koalitionsvertrag:

Wir werden zu Beginn der 20. Legislaturperiode ein Nachfolgesystem für das Kampfflugzeug Tornado beschaffen.

Dazu schreibt Jürgen Wagner vom IMI (Informationsstelle Militarisierung):

Als Kostenpunkt errechnete eine Studie von Greenpeace, die Anschaffung der 45 F-18 werde auf einen Betrag zwischen 7,67 Mrd. Euro und 8,77 Mrd. Euro hinauslaufen. Weil es gleichzeitig sowohl innerhalb der SPD wie auch der Grünen relativ viele KritikerInnen der Nuklearen Teilhabe gibt, ist es umso enttäuschender, dass sich der Koalitionsvertrag faktisch ohne Wenn und Aber zu diesem Konzept bekennt

Bekenntnis zum 3% Ziel der NATO

Im Koalitionsvertrag heißt es:

Die NATO bleibt unverzichtbare Grundlage unserer Sicherheit. Wir bekennen uns zur Stärkung des transatlantischen Bündnisses und zur fairen Lastenteilung. Wir wollen, dass Deutschland im Sinne eines vernetzten und inklusiven Ansatzes langfristig drei Prozent seines Bruttoinlandsprodukts in internationales Handeln investiert, so seine Diplomatie und seine Entwicklungspolitik stärkt und seine in der NATO eingegangenen Verpflichtungen erfüllt. Die NATO-Fähigkeitsziele wollen wir in enger Abstimmung mit unseren Partnern erfüllen und entsprechend investieren.

Hier werden Rüstungsausgaben zusammen mit „internationalen Handel“ und „Entwicklungspolitik“ verquickt und damit die Steigerungsraten des Rüstungshaushaltes kaschiert. Die NATO Politik ist nicht Grundlage „unserer Sicherheit“ sie ist im Gegenteil Brandbeschleunigerin der Krisen in Europa und Asien. Das Vorrücken der NATO an die Westgrenze Russlands und der maritime Truppenaufmarsch gegen China verbunden mit dem atomaren Erstschlagskonzept der USA, ist eine globale Bedrohung der Menschheit

Russland „abschrecken“ und die EU gegen China in Stellung bringen

Vor dem Hintergrund der fortbestehenden Bedrohung für die Sicherheit Deutschlands und Europas nehmen wir die Sorgen insbesondere unserer mittel- und osteuropäischen Partnerstaaten ernst, bekennen uns zur Aufrechterhaltung eines glaubwürdigen Abschreckungspotenzials und wollen die Dialoganstrengungen der Allianz fortsetzen…

...heißt es im Koalitionsvertrag. Und zu China:

Um in der systemischen Rivalität mit China unsere Werte und Interessen verwirklichen zu können, brauchen wir eine umfassende China-Strategie in Deutschland im Rahmen der gemeinsamen EU-China-Politik.

Die Lüge von der „Bedrohung aus dem Osten“ diente schon immer der Legitimierung für Kriegsvorbereitung und des angeblich notwendigen „Abschreckungspotentials“. In der jüngeren Geschichte mit katastrophalen Folgen. Um „unsere Interessen“ in der „ systemischen Rivalität“ mit China zu verwirklichen, müsste man dafür sorgen, dass Deutschland und die EU sich nicht in die kriegsgefährliche Politik der USA involvieren lassen. Denn diese Politik droht sich vom Handelskrieg zum heißen Krieg zu entwickeln. Der Koalitionsvertrag ist eine Herausforderung für die Friedensbewegung.