Die Nato ist die gewaltigste und aggressivste Militärallianz der Welt
Die 29 Staaten der Nato – 27 Europäer, dazu die USA und Kanada von der anderen Seite des Atlantiks – vereinigen rund 60 % aller Militärausgaben der Welt auf sich. Mehr als die Hälfte davon entfällt auf die USA allein. Ein Hauptgrund für die ständigen Zornesausbrüche Trumps auf dem Nato-Summit, weil sich angeblich die Europa-Partner von den USA ihre Sicherheit finanzieren lassen, während jene, vor allem die Deutschen, Geschäfte machten mit der „Gefahr“, sprich Russland. Tatsächlich war der Anteil der EU-Staaten an den Ausgaben der Nato im Jahr 2000 bei knapp 80% des Anteils der USA. Erst mit den US-Ausgabensteigerungen im sogenannten „Krieg gegen den Terror“ entstand wieder ein Abstand zwischen den „Partnern“ wie in den Siebziger Jahren, den Trump jetzt mit Macht und wachsendem Erfolg wieder verringern will.
Dabei war und ist die Nato eine treibende Kraft unter den „willigen“ US-Verbündeten. Neben Russland gilt ihr der „Terrorismus“ als „direkte Bedrohung der Sicherheit unserer Bevölkerungen“. Die Gipfel-Erklärung führt Syrien, Afghanistan, Irak, Iran, Libyen, Jordanien, den Mittleren Osten und Nordafrika, Korea, auch den Westbalkan, das Kosovo und Mazedonien, Bosnien und Herzegowina als Regionen ihres angeblich legitimen Einsatzes auf. Die Nato denkt nicht daran, ihre bisherigen völkerrechtswidrigen Einsätze auf dem Balkan, in Afghanistan – wo der US-Überfall umgemünzt wurde als ein Angriff auf die USA, denen man nun nach dem Nato-Vertrag beizustehen habe – und gegen Libyen zu korrigieren, sie bereitet vielmehr schulmäßig die nächsten Aggressionen im Namen von „Frieden, Sicherheit und Stabilität“ vor.
Der aggressive Charakter der Nato zeigt sich nicht zuletzt an der explosionsartigen Vergrößerung der Allianz. Seit den Neunziger Jahren kamen 13 neue Länder dazu – alles Länder des ehemaligen „Ostblocks“. Während die Nato nicht müde wird, auf die „russische Gefahr“ zu weisen, hat sie sich Land um Land an Russland militärisch herangemacht. Auf der Liste stehen nun Nord-Mazedonien und Georgien. In der Abschlusserklärung des Gipfels behauptet die Nato wiederum, Russland bedrohe die „euro-atlantische Sicherheit und Stabilität“, Stichworte „Krim-Annexion und andauernde Destabilisierung der Ost-Ukraine“. In Wahrheit rückt der Westen militärisch systematisch gegen Russland vor. Die „friedliebenden“ USA haben ihre Rüstungsausgaben zwischen 2016 und 2018 um über 25 % erhöht, das „gefährliche“ Russland hat die seinen im letzten Jahr um 20 % gesenkt.
Der Gipfel-Beschluss: Trump und Berlin bekommen, was sie wollen
Die Meinungsmacher überbieten sich in der angewiderten Einschätzung von Trumps Auftritt beim Nato-Gipfel. Die Süddeutsche Zeitung schreibt: „Einem marodierenden Söldnertrupp gleich zieht Donald Trump mit seiner Entourage durch Europa, zerstört Gewissheiten und Institutionen, verbrennt Freundschaften und eine 70 Jahre Ordnung.“ Der alte Kalte Krieger und US-Atlantiker Joffe weiß hingegen in der ZEIT: „Die Ironie will es, dass Trumps Gezeter auch deutschen Interessen entspricht.“ Was er meint ist, dass die Bundesregierung genau in die Richtung will, in die Trump sie treibt: drastische Erhöhung des Rüstungshaushaltes. Seit Jahren argumentiert die deutsche Regierung, je weniger auf die USA Verlass sei, umso mehr müsse die Bundeswehr ausgebaut werden. Der Dissens USA-BRD ist der ideologische Hauptfaktor, um die militärische Stärke Deutschlands weiter zu entfalten.
Der Spiegel entsetzt sich: „Deutschland ist von einem der engsten Verbündeten der USA zum Feindbild Nr. 1 für Donald Trump geworden.“ So wie der neoliberale US-Thinktank „European Council on Foreign Relations” schon seit über einem Jahr verkündet: „Trump wird Deutschland, nicht China, zum Feind Nummer eins erklären.“ Das entspricht der Linie, wie sie die von Berlin finanzierte Stiftung Wissenschaft und Politik seit Jahren im Verbund mit der Münchner Sicherheitskonferenz verficht und eine größere Rolle des deutschen und europäischen Militärs in der internationalen Politik fordert.
Trumps „Gezeter“, die Deutschen mästen sich an der von den USA gewährleisteten Sicherheit, und die Berliner Absichten, eine militärisch gestützte Großmachtrolle zu spielen, entsprechen einander. Die Motive und Argumente der beiden Regierungen sind höchst verschieden, aber sie laufen auf dasselbe Ergebnis hinaus.
Der „Westen“ ist im Zustand der Auflösung
Trump-USA will die imperiale Vorherrschaft unilateral erzwingen – Chinas „Staatskapitalismus“ wird zum konkurrierenden Modell
Dass der „Westen“ in Auflösung ist, liegt nicht in erster Linie an Trumps Vorgehen, sondern an dem Umstand, dass der neoliberale kapitalistische „Westen“ dramatisch an wirtschaftlichem Gewicht gegenüber dem „Süden“ verliert. Im CIA-Factbook 2018 werden unter den ersten zehn Volkswirtschaften (Bruttoinlandsprodukt nach Kaufkraftparitäten) fünf des „Südens“ aufgeführt. China, das seit 40 Jahren dreimal höhere Wachstumsraten erzielt als die USA, führt mit klarem Abstand vor den USA (China produziert 29,9 % der Wirtschaftsleistung der ersten Zehn, die USA nur noch 25,1 %). Gegenüber den „Partnern“ in der G7 haben die USA zwar hinzugewonnen, doch ist ihr eigenes Gewicht innerhalb der Zehnergruppe erheblich zurückgegangen (um rund 10%).
Als Wirtschaftsmacht verlieren die USA mithin relativ an Bedeutung. Sie sind – nominell, nach Dollartauschwerten – nach wie vor die stärkste Volkswirtschaft und vor allem sind sie die überragende Militärmacht. Trumps Konzept besteht darin, diese überlegenen Mittel nun einzusetzen, um wirtschaftliche Vorteile zu erzielen. Er will heraus aus multilateralen Bindungen, um bilateral die überlegenen US-Machtmittel zur Geltung zu bringen, oder er biegt die multilateralen Bedingungen unter Androhung des Ausscheidens oder der Obstruktion zu seinen Gunsten um. In seinem „Jahresbericht 2018 zum freien, fairen und reziproken Handel“ hat Trump diese Maximen zwar freundlicher, aber unmissverständlich formuliert.
Dem Trump-Diktat folgen andere „Partner“ des Westens, wenn der zu befürchtende Schaden zu groß würde (eventuell die Strafzölle auf deutsche PKW) oder wenn Trumps Stoßrichtung die eigenen Interessen mit abdeckt (Deutschlands Aufrüstung).
Der enorme Vormarsch Chinas ist aber nicht nur ein geopolitisches Problem der Neugewichtung der wirtschaftlichen Bedeutung der einzelnen Staaten, er ist auch eines der „globalen ideologischen Konkurrenz zur liberalen Demokratie“ (Timothy Garton Ash). Seit dem Ende des „Kalten Krieges“ hatte der „Westen“ keine ideologische Konkurrenz, startete die neoliberale „Marktwirtschaft“ ihren globalen Triumphzug. Nun entsteht mit der Volksrepublik China eine gewichtige ideologische Alternative, was nach Ashs Einschätzung in Afrika und Lateinamerika schon zu merken ist. Eine Konkurrenz, die dem möglichst staatsfreien Wirken der Monopole im Neoliberalismus eine von sozialen Momenten geprägte Staatswirtschaft entgegenstellt. Auch dies hat Trump als wichtiges Element seiner Strategie vermerkt und hier kann er auch mit dem Zuspruch der „westlichen Partner“ rechnen.
Auch mit der Zustimmung der internationalen Monopole, deren globale Wertschöpfungsketten sich eigentlich schlecht vertragen mit protektionistischen Maßnahmen einzelner staatlicher Akteure. Das globale Kapital braucht idealiter einen integralen globalen Staat. Den kann es derzeit nicht herstellen. Dass es mit China nun eine globale ideologische Herausforderung zur „freien Marktwirtschaft“ gibt, könnte das global agierende Kapital sich möglicherweise mit einem Protektionismus à la Trump arrangieren lassen.