Als das Institut für sozial-ökologische Wirtschaftsforschung (isw) vor 30 Jahren gegründet wurde, war ich gerade mal 4 Jahre alt. Ich gehöre also nicht zur Gründergeneration, fühle mich dem Institut aber dennoch sehr verbunden. Es ist schade, dass wir im letzten Jahr Corona-bedingt den runden Geburtstag nicht feiern konnten. Seit Jahrzehnten leistet das kleine Team des Vorstands und die Redaktion mit vielen Gast-Autoren Großes. Denn um am Puls der Zeit und der politischen Debatten der Linken weltweit zu sein, bedarf es einer beständigen Beschäftigung mit den aktuellen Entwicklungen des Kapitalismus. Dies schaffen wir nur, weil wir eine kollektive Arbeitsweise haben, in der alle ihre Stärken einbringen können und unsere Schwächen ausgeglichen werden.
Mich persönlich begleitet das isw seit 20 Jahren. Als junger SDAJler in München konnte ich aus den Debatten der älteren GenossInnen viel lernen. Bei ihnen ballte sich jahrzehntelange politische Praxis und Theorie des Marxismus. Eine Besonderheit. Denn hier wurde nicht nur nachgedacht, sondern auch versucht das theoretisch Erarbeitete im alltäglichen Kampf der sozialen Bewegungen anzuwenden. Und von diesen Kämpfen wiederum zu lernen für die theoretische Arbeit. Eine dringend notwendige Dialektik, die bis heute ihre Gültigkeit hat. Dabei war das Marxismus-Verständnis des isw nie dogmatisch, sondern es wurde, im besten Sinne, immer kreativ auf konkrete Situationen angewendet. Das bedeutet auch, dass es im Institut unterschiedliche Standpunkte gibt, etwa im Bezug auf die Einschätzung Chinas. Diese werden aber meist produktiv diskutiert und basieren auf der gemeinsamen Grundannahme, dass die Welt so wie sie ist nicht bleiben darf und der Kapitalismus im Sinne der Mehrheit der Bevölkerung überwunden werden muss. Das ist eine Gemeinsamkeit, die uns verbindet und solidarisch handeln lässt.
Klar, heute gibt es weitere linke Institute, allen voran die Rosa Luxemburg-Stiftung. Sie sind wichtig. Und dennoch ist eine Vielfalt an linkem, marxistischen Denken unbedingt nötig. Verschiedene (auch institutionalisierte) Perspektiven sehen mehr als nur eine. Und deshalb sollte auch um den Erhalt kleinerer Zusammenschlüsse wie dem isw gerungen werden. Gerade in meiner Tätigkeit als Wissenschaftler an einer Universität kann ich von den Publikationen des isw nur profitieren. Während wissenschaftliche Texte in Fachzeitschriften manchmal wenig mit den drängenden Fragestellungen der heutigen Zeit zu tun haben, sie womöglich einfach nur veröffentlicht werden, um einen weiteren Text im Lebenslauf angeben zu können und damit die eigenen Karrierechancen zu erhöhen, hat das Wirken und Schreiben des isw eine andere Zielsetzung: Wie können soziale, gewerkschaftliche, emanzipatorische Bewegungen darin unterstützt werden, ihren Kampf zu führen und dabei wissenschaftlich fundierte Analysen zur Hand zu haben. Daran ausgerichtet ist auch die Art und Weise des Schreibens. Nicht unverständlich, unnötig akademisch, sondern so einfach wie möglich, so kompliziert wie nötig.
Wir müssen jedoch mehr darüber reflektieren, wie neue soziale Bewegungen wie Fridays for Future, Extinction Rebellion, Black Lives Matter, aber auch neue Generationen junger GewerkschafterInnen das isw als Ansprechpartner sehen und unsere Analysen wahrnehmen können. Es geht dabei vor allem um die Zusammenführung des „Sozialen“ mit dem „Ökologischen“, wie Franz Garnreiter bereits beschrieben hat. Dies gelingt nur im gegenseitigen Dialog, der vor allem dann erfolgreich ist, wenn wir es schaffen uns zu verjüngen. Denn wenn wir ehrlich sind: unsere Altersstruktur beim isw beeindruckt vor allem aufgrund der Anzahl gesammelter Lebensjahre. Auch wenn es in den letzten Jahren gelungen ist, jüngere Menschen für die Mitarbeit zu gewinnen, reicht das noch nicht aus. Das isw muss als organischer Intellektueller in diesen Bewegungen wirken, aus und mit ihnen lernen und das Gelernte theoretisieren. Deshalb sollten wir verstärkt auf sie zugehen und Angebote machen.
Als Kommunikationswissenschaftler war für mich ein isw-Highlight der letzten Jahre die Zusammenarbeit mit drei Kollegen aus Österreich (Ferschli, Grabner, Theine), die 2019 einen Report über die Konzentrations- und Besitzverhältnisse der Medien in Deutschland geschrieben haben. Daraus ist Großes entstanden. Vom 18.-20. November dieses Jahres wird am Institut für Heterodoxe Ökonomie der Wirtschaftsuniversität Wien eine Konferenz zum Thema „Eigentum, Medien, Öffentlichkeit“ stattfinden, organisiert vom Netzwerk Kritische Kommunikationswissenschaft in Zusammenarbeit mit dem isw und transform! europe. Dort soll die „Eigentumsvergessenheit“ von Teilen der Wissenschaft thematisiert werden und über Eigentum als Basisinstitution kapitalistischer Gesellschaften in Hinblick auf Medien und Öffentlichkeit diskutiert werden (Einreichungen sind noch bis zum 15. Juli möglich). Diese Form des Netzwerkens, des Sich-Miteinander-Verbindens, ist eine Stärke, die mit der Mitgliedschaft bei transform! Europe, einem Verbund von 39 europäischen linken Institutionen in 23 Ländern, ihren größten Ausdruck findet.
Nur so gelingt es uns als isw an den aktuellen Debatten teilzuhaben, mit unseren Analysen attraktiv zu sein und den Zahn der Zeit zu treffen. Und somit auch noch die kommenden 30 Jahre Bestand zu haben.