“Das chinesische Virus”, Strafzölle auf chinesische Waren, die Huawei-Sanktionen, die Liefer-Embargos, der interne Nationalitäten-Konflikt Xinjang, das Sicherheitsgesetz in Hongkong, ein irriger Aufenthaltsentzug für Studenten chinesischer Nationalität, die Schließung von Konsulaten und zuletzt die verschärften militärischen Übungen der US-Flotte im Südchinesischen Meer sind die aktuellen US-amerikanischen Akzentuierungen eines bedrohlich anmutenden Wirtschaftskrieges zwischen den USA und der Volksrepublik China.

Die gegenwärtige US-Politik gegenüber China fasst die ARD-Tagesschau so zusammen: “Die Kritik an China ist eine der wenigen kontinuierlichen Linien in der Politik von US-Präsident Trump. In der Corona-Krise legte er noch einmal nach. Donald Trump ist nicht der erste Präsident, der die schwierigen Beziehungen der beiden Supermächte USA und China zum Thema macht. Doch anders als seine Vorgänger hat Trump China zum Sündenbock Nummer eins erklärt. Das war vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie so und gilt erst recht seitdem.“

Im Juni diesen Jahres hielt die chinesische Marine wie gewöhnlich Militärübungen im Südchinesischen Meer ab. Dass die aktuelle Übung in der Nähe der Paracel-Inseln im Südchinesischen Meer stattfand, ist gleichermaßen nichts Ungewöhnliches. Ungewöhnlich ist jedoch, dass die USA nahezu zeitgleich Kriegsschiffe ins Südchinesische Meer schickten, die von heftigen aggressiven Tönen gegenüber China begleitet waren. Die chinesische Übung sei kontraproduktiv für die Bemühungen um Entspannung in der Region. Die chinesische Regierung wies dies zurück mit dem Argument, wenn überhaupt sei die Präsenz “nicht- regionaler Länder” im Südchinesischen Meer gefährlich. Nach Ansicht der chinesischen Führung seien für die wachsenden Spannungen in der Meeresregion nicht China oder die angrenzenden Länder verantwortlich, sondern vor allem die Vereinigten Staaten.

Das Südchinesische Meer, durch das etwa ein Drittel des maritimen Welthandels geht, ist zunehmend als möglicher Konfliktherd in den Fokus geraten, nachdem China dort als „Nachzügler“ ebenfalls Landaufschüttungen wie die Philippinen und Vietnam in den Jahren davor vorgenommen hatten und Riffe zu Militärstützpunkten ausgebaut hatte[1].

China argumentiert, seine Territorialansprüche auf Inseln und Gewässer des Südchinesischen Meeres mit bis zweitausend Jahre zurückreichenden historischen Argumenten, und dies in Anlehnung an die üblichen Bestimmungen im Souveränitätsrecht. Es etablierte und hielt seine Souveränität über dies Inselketten im Laufe der Geschichte durch Entdeckung, Benennung, Kartierung, Patrouillen und Kontrolle, öffentliche und private Nutzung, administrative Zuteilung von Gerichtsbarkeit und andere Erscheinungsformen der Autorität aufrecht.

China beansprucht im Südchinesischen Meer ein Gebiet, das durch die „Neun-Punkte-Linie“ (markierte Territorialgrenzen), begrenzt wird. Der Gebietsanspruch bezieht sich in etwa auf 60% des Südchinesischen Meeres. Die US-amerikanische Version spricht demgegenüber von 90%.

Jährlich passieren ca. 100.000 Transportschiffe und zahlreiche Verkehrsflugzeuge dieses Gebiet, ohne dass es bei der Freiheit der Passage durch das Südchinesische Meer eskalierende Probleme gegeben hätte, außer durch Unfälle amerikanischer Kriegsschiffe. Ein jahrzehntelanger, regionaler, allseits bewusst niedrig gehaltener Konflikt über die Hoheits- und Nutzungsrechte an den Inseln, Riffen, Felsen, Untiefen und anderen „features“ sowie Meeresgebieten wird von den USA und ihren Verbündeten außerhalb der Region als Problem hochgekocht.

Die jüngst erfolgte Erklärung des US-Außenministers Mike Pompeo zu den Seeforderungen im Südchinesischen Meer löste Verwunderung unter den Anrainerstaaten des Meeres aus, während China die Vorwürfe in aller Deutlichkeit zurückweist.

Seit „Tausenden von Jahren“ gehörten die Inseln, Riffe und Meeresgebiete zu Chinas Einflussgebiet. Die chinesische Botschaft in Washington erklärte gegenüber den USA, sie seien „kein Land, das direkt in die Streitigkeiten involviert ist. „Nichtsdestotrotz haben sie sich immer wieder in das Thema eingemischt.“

Der Asien-Pazifik-Experte beim staatlichen Shanghaier Institut für internationale Studien, erklärt hierzu: “Die USA ergreifen Partei und schlagen sich auf die Seite bestimmter Anrainerstaaten. Aber nicht nur das: Die US-Regierung schickt auch Kriegsschiffe in die Region. Das fordert Chinas nationale Souveränität heraus und berührt unsere Sicherheits-interessen. Die USA verhalten sich sehr aggressiv.” Bereits Anfang Juni hatten die USA ergänzend zu den regelmäßigen Patrouillenfahrten zwei Flugzeugträger provozierend zu Manöverzwecken ins Südchinesische Meer geschickt.

Mehr als 11.000 Kilometer vom US-amerikanischen Festland entfernt sondieren amerikanisch Flugzeugträger, Lenkwaffenkreuzer sowie EP-3-Spionageflugzeuge im Südchinesischen Meer die „Schifffahrtsfreiheit“ (siehe weiter unten.) Die gegenwärtige Position der USA zum Südchinesischen Meer beruht angeblich auf dem Völkerrecht, d.h. auf dem Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen (UNCLOS). Die USA maßen sich an, weite Teile des Südchinesischen Meeres als internationales Gewässer zu bestimmen. Sie behauptet, mit dem Rest der Welt ein “gemeinsames Interesse” am Südchinesischen Meer zu teilen. Dabei ist festzuhalten, dass die Vereinigten Staaten nicht zu den Unterzeichnern dieses Dokuments gehören.

Die Inselgruppen im Südchinesischen Meer

Im Südchinesischen Meer gibt es vier Inselgruppen, die von den Anrainerstaaten China, Taiwan, Vietnam, den Philippinen, Malaysia und Brunei jeweils unterschiedlich beansprucht werden:

Paracel/Xisha-Inseln 35 kleine Inseln, Untertiefen, Sandbänke und Riffe, ungefähr gleich weit von Vietnam und China entfernt. Spratly-Nansha-Inseln, sie liegen im Südosten des Südchinesischen Meeres, 140 kleine Inseln, Felsen, Riffen, Sandbänken Und Untiefen. Die 12 größten sind – mit Ausnahme von Taiping/Itu Aba (Taiwan) teils von Vietnam und teils von den Philippinen besetzt. Die Philippinen beanspruchen acht, China sieben, Malaysia fünf, Taiwan und Brunei je eine. Vietnam hat einen Flugplatz und Radarstationen errichtet. Die „features“ der Spratly/Nansha-Inseln werden von China, Taiwan und Vietnam beansprucht. Die Philippinen haben ca. 600 Marinesoldaten zur Bewachung ihrer „features“ stationiert. China hat in den letzten Jahren auf den Spratly/Nansha-Inseln drei Flugplätze gebaut; Taiwan hält die größte Insel besetzt. Taiwan hat die Insel zum Militärstützpunkt ausgebaut. Die Pratas/Dongsha-Inseln unterliegen der Kontrolle von Taiwan. Sie werden von China und Taiwan beansprucht[2].

Handelsströme und Rohstoffe im Südchinesischen Meer

Nach Berechnungen aus dem Jahr 2018 passieren jährlich Handelsströme von 3,4 Billionen US-Dollar das Südchinesische Meer. Vietnam, Indonesien, Taiwan und die Philippinen werden weitgehend über küstennahe Schiffsrouten außerhalb der von China beanspruchten Gebiete, jenseits der „Neun-Punkte-Linie“ versorgt. Etwa zwei Drittel der Handelsströme, die das Südchinesische Meer passieren, führen von und nach China. China wäre insofern das einzige Land, das bei einer Unterbrechung der Schifffahrt in Südchinesischen Meer ein massives, existenzielles Problem hätte. Umso erstaunlicher wirken die von den USA vorgetragenen Vorwürfe gegenüber China, es könnte den Schiffsverkehr unterbrechen und somit eine Gefährdung der Schifffahrts- und Versorgungsrouten für Ostasien erzeugen wollen. Unschwer lässt sich daran die kontinuierlich fortgesetzte und militärisch auf Zwischenfälle ausgelegte Präsenz der USA, nicht nur in dieser Region, als politisch-ideologisches Manöver erkennen.

Nach Informationen der U.S. Energy Information Administration wird das Öl- und Gasvorkommen auf 11 Mrd. Barrel Öl und 190 Billionen Kubikfuß Gas geschätzt, das entspricht etwa zwei Drittel der geschätzten Reserven in Europa, ohne Rußland[3]. Große Bedeutung hat hingegen der Fischfang, der etwa 12% des weltweiten Fangertrages erbringt. Er ist ein wichtiger Faktor für die regionale Nahrungsmittelsicherheit. Durch die Meerenge nahe der gleichnamigen malaysischen Stadt Malakka, die den Indischen Ozean mit dem Pazifik verbindet, gehen 80 Prozent der chinesischen Öl-Importe, das sind gut 20 Prozent des chinesischen Bedarfs, vorwiegend aus dem Nahen Osten und Afrika kommend.

Das Südchinesische Meer ist eine der strategisch wichtigsten Wasserstraßen der Welt, durch das nicht nur ein Drittel des weltweiten Schiffsverkehrs geht, sondern auch ein Fünftel des weltweiten Handels: fast vierzig Prozent des chinesischen Außenhandelsvolumens, ein Drittel des indischen, ein Viertel des brasilianischen und jeweils etwa ein Zehntel der deutschen, britischen und französischen Handelsgüter. Die Abhängigkeit Chinas von der Malakka-Straße dürfte eine der größten Achillesfersen für den Aufstieg des Landes sein. Ihre Bedeutung ist für China in den vergangenen Jahren eher noch gewachsen. Den größten Teil seines internationalen Handels wickelt China über die Seewege ab. Das macht die Tanker-Route, deren Kapazitätsgrenze von 122.000 Schiffen pro Jahr fast erreicht ist, zu einer Hauptschlagader der chinesischen Wirtschaft. Dieser Seeweg könnte die China in einer geopolitischen Krise äußerst verwundbar machen. Mit nur kurzem Vorlauf wäre die US-Armee in der Lage, Chinas Energie- und Rohstoffversorgung durch eine Blockade empfindlich zu treffen.

In welchem Maße die über den Schiffsweg erfolgenden Handelsströme durch die Transportwege der neue Seidenstraße kompensiert werden, ist in einer separaten Recherche darzulegen.

Zu berücksichtigen ist, dass der US-Militärstützpunkt Guam mit seiner riesigen Luftwaffenbasis ca. 2.000 km entfernt vom Südchinesischen Meer für einen Luft- und Seekrieg vorbereitet wird.

Das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen (UNCLOS)

Chinas Seeforderung beruht nach Einschätzung des Friedensforschungsinstituts in Leipzig auf historischen Beweisen. Unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg hatte China die Kontrolle über die verschiedenen Inseln und Inselchen im Südchinesischen Meer zurückgefordert, die von Japan besetzt waren. Die in diesem Zusammenhang von China erklärte 9-Punkte-Linie, die den Gebietsanspruch von China darlegt, war ohne Widerstand irgendeines Landes respektiert worden.

Die gegenwärtige Position der USA zum Südchinesischen Meer beruht angeblich auf dem Völkerrecht, d.h. auf dem Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen (UNCLOS – der United Nations Convention on the Law of the Sea von 1982) beigebracht werden[4].

Sie maßen sich dabei an, weite Teile des Südchinesischen Meeres als internationales Gewässer zu bestimmen. Anzumerken ist, dass die Vereinigten Staaten nicht zu den Unterzeichnern dieses Dokuments gehören. Der Nicht-Vertragsstaat USA unternimmt aktuell den Versuch, diejenigen, die unterzeichnet haben, davon zu überzeugen, dass nur die USA- Interpretation der unterzeichneten Konvention die Legitimation für deren Agieren, freie Schifffahrt nicht für Handelsschiffe, sondern für US-amerikanische Kriegsschiffe im Südchinesischen Meer, Gültigkeit besitze. Sie behauptet, mit dem Rest der Welt ein “gemeinsames Interesse” am Südchinesischen Meer zu teilen.

Die weit verbreitete Meinung im Westen ist, dass China durch Sandaufschüttungen große Inseln entwickelt, dass China als erste Land militärische Einrichtungen errichtet hat und somit das Südchinesische Meer militarisiert. Demgegenüber lautete eine Aussage des stellv. Verteidigungsministers der USA, David Shear, dass in den letzten Jahrzehnten alle Anspruchsteller außer Brunei Außenposten im Südchinesischen Meer entwickelt haben für ihre maritime Präsenz und zur Überwachung der Aktivitäten anderer Anspruchsteller[5]. China habe genauso viele Stützpunkte wie die Philippinen, nicht einmal 20% der Einrichtungen von Vietnam, die im Jahr 2017 sogar mobile Raketenabschussrampen für Langstreckengeschosse auf 5 ihrer Stützpunkte auf den Nansha/Spratly-Inseln installiert haben. Zudem war Vietnam im Zeitraum von 2009 bis 2014 mit seiner Landgewinnung von 240.000 qm der aktivste Anspruchsteller in der Region.

China und Brunei wird bestätigt, als die einzigen Anspruchsteller bis zu diesem Zeitpunkt keinerlei Landebahnen auf den umstrittenen Teilen der Spratlys errichtet zu haben[6]. China wird bei dem Inselbesetzungsspiel als „Nachzügler“ angesehen, nachdem es erst im Jahr 1980 seine Aktivitäten aufnahm, lange nach der Installation von militärischen Einrichtungen der anderen Anrainerstaaten. Das Interesse Chinas richtet sich dabei auf die noch nicht besetzten kleineren Inselteile, die zu künstlichen Inseln ausgebaut werden.

Die Historie der Militarisierung des Südchinesischen Meeres

Zur Sicherstellung imperialistisch-hegemonialen Operationsfähigkeit in größtmöglichen Meeresbereichen unterhalten die USA seit Jahrzehnten ein eigenes Programm, das auf systematische „Freedom of Navigation operations“ (FON-operations) setzt. Es handelt sich dabei um gezielte militärische Aktivitäten in Meeresgebieten und Lufträumen, auf die aus US-Sicht andere Staaten „exzessive Ansprüche“ erheben. Von Oktober 2012 bis September 2013 wurden derartige Operationen gegen die „excessive maritime claims“ von zwölf Ländern ausgeführt, von denen die meisten in Asien liegen (Kambodscha, VR China, Indien, Indonesien, Iran, Libyen, Malaysia, Malediven, Oman, Philippinen, Taiwan, Vietnam). Seit 1979 steuern die USA Kriegsschiffe durch Meeresgebiete, deren Nutzung von den Küstenstaaten gesetzlich beschränkt wurde.

FONOPS-Operationen finden kontinuierlich in der Nähe von China im Südchinesischen Meer statt. Staaten mit abweichender Meinung soll mit Kriegsschiffen und Marineflugzeugen die korrekte Lesart der USA-Interpretation des SRÜ/UNCLOS demonstriert werden. Dahinter steckt die selbstermächtigte Ablehnung der USA, dass Küstenstaaten fremde militärische Aktivitäten in ihrem Küstenmeer und ihrer ausschließlichen Wirtschaftszone durch Gesetze beschränken können. Die USA haben UNCLOS selbst nicht unterzeichnet. Die Militarisierung des Südchinesischen Meeres erfolgte belegbar durch die USA. Dabei sind sie wie schon erwähnt nicht um freie Schifffahrt für Handelsschiffe besorgt, es geht ihnen vielmehr um die uneingeschränkte Freiheit für amerikanische Kriegsschiffe.

FON-Operationen und Rechtsinterpretation richteten sich in den letzten Jahren verstärkt gegen die chinesischen Bestrebungen, dessen seit Jahrzehnten von den USA abweichende Interpretation der UNCLOS-EEZ-Regeln nicht nur in den internationalen Diskurs einzubringen, sondern auch in der Praxis innerhalb der chinesischen EEZ in moderaten Schritten durchzusetzen, so auch die Anwendung auf die EEZ.

Als EEZ Exclusive Economic Zone, wird nach Art. 55 des Seerechtsübereinkommens (SRÜ/UNCLOS) der Vereinten Nationen das Meeresgebiet jenseits des Küstenmeeres bezeichnet. Küstenmeer und EEZ dürfen zusammen bis zu 200 Seemeilen betragen. Darin kann der angrenzende Küstenstaat in begrenztem Umfang souveräne Rechte und Hoheitsbefugnisse wahrnehmen, insbesondere das alleinige Recht zur wirtschaftlichen Ausbeutung einschließlich des Fischfangs.

Mit dem Seerechtsübereinkommen 1982 konnte eine allgemeine völkerrechtliche Anerkennung der EEZ erreicht werden. Zu den souveränen Rechten gehören die Erforschung und Ausbeutung, Erhaltung und Bewirtschaftung der lebenden und nichtlebenden natürlichen Ressourcen der Gewässer über dem Meeresboden, maßgeblich durch Fischerei, des Meeresbodens und seines Untergrunds durch Meeresbergbau im Rahmen von Sand-, Kies- und Kohlenstoffgewinnung sowie andere Tätigkeiten zur wirtschaftlichen Erforschung und Ausbeutung der Zone wie der Stromerzeugung, insbesondere durch Offshore-Windparks und Meeresströmungskraftwerke.

Im Rahmen seiner Hoheitsbefugnisse darf der Küstenstaat künstliche Inseln, Anlagen und Bauwerke, wie z.B. Bohrinseln, errichten und wissenschaftliche Meeresforschung betreiben. Er ist hierbei dem Schutz und der Bewahrung der Meeresumwelt und damit dem Naturschutz verpflichtet. Sie ermöglichte es Küstenstaaten, alle unterseeischen Ressourcen in einer bis zu 200 Seemeilen breiten Zone vor ihren Küsten zu kontrollieren.

Die „Festlandssockelregelung“ erlaubt zudem eine Ausdehnung entsprechender Anrechte bis zu insgesamt 350 Seemeilen ins Meer. Im Südchinesischen Meer führte dies zu einer Vielzahl überlappender Ansprüche, weil auch kleine Inseln entsprechende ausschließliche Wirtschaftszonen bilden, deren wirtschaftliche Nutzung inklusive der vermuteten Rohstoffvorkommen den Küstenstaaten zugutekommen.

2018 haben mehr als sechzig Staaten Einschränkungen für Kriegsschiffe und Militärflugzeuge bei der Durchfahrt durch ihr Küstenmeer oder ihre ausschließliche Wirtschaftszone festgelegt. Vor einer Durchfahrt ist eine Genehmigung einzuholen.

Für den asiatischen Raum sind die Unterzeichnerländer Bangladesch, Kambodscha, China, Indien, Indonesien, Malaysia Myanmar, Pakistan, die Philippinen, Sri Lana, Thailand und Vietnam. Die Durchfahrten und Überflüge des amerikanischen Militärs werden von den meisten Unterzeichnerstaaten, nahezu in Ehrfurcht, hingenommen; China lehnt sich öffentlich dagegen auf.

So gesehen erteilt der Außenminister Pompeo mit seiner selbst legitimierten Militärübung China eine Lektion, dass sie gefälligst den hegemonialen Anspruch der USA zu respektieren haben[7].

Mit einem „reengagement“ in Asien versuchen die USA der wahrzunehmenden Macht-verschiebung und dem durch den chinesischen Aufstieg behaupteten Bedrohungspotenzial zu begegnen. Bereits in den ersten Jahren der Obama-Regierung wurde unter dem Slogan des „pivot to Asia“ und später des „rebalancing“ die US-Außenpolitik gegenüber Asien begründet. Ziel dieser US-amerikanischen Politik ist, den Status quo eine nach USA-Regeln funktionierenden internationalen Ordnung aufrechtzuerhalten und die aufstrebenden Mächte, insbesondere China, so zu integrieren, dass weder die globale noch die regionale US-amerikanische Hegemonie in Frage gestellt wird.

Die USA stärkten in diesem Kontext auch ihre Allianzen in Südostasien und suchen bzw. stärken durch Militärhilfen etwa für die Philippinen und Waffenlieferungen an Taiwan ihr „Sicherheitspartnerschaften“.

Über ihre Regionalorganisation ASEAN (Verband Südostasiatischer Nationen) bemühen sich die Anrainerstaaten des Südchinesischen Meeres um eine Klärung ihrer unterschiedlichen Positionen und Gebietsansprüche. Dies geschieht mittlerweile in kontinuierlichen Verhandlungen, unter Einbindung von China, das nicht der ASEAN- Organisation angehört.

Tatsächlich sind China und die ASEAN-Länder (einschließlich derjenigen, die an die entsprechenden Gewässer angrenzen) seit einigen Jahren dabei, einen Verhaltenskodex der Parteien im Südchinesischen Meer (COC) auszuhandeln, der als eine Grundlage von Sonderregeln für die Region zur Ergänzung des internationalen Seerechts betrachtet werden kann. Der COC soll einvernehmlich die friedliche Zusammenarbeit zwischen China und anderen Anrainerstaaten des Südchinesischen Meeres weiter fördern. Im November 2017 unterzeichneten die Teilnehmer auf der 20. ASEAN+1-Konferenz (d.h. plus China) eine Verlängerung einer von China vorgeschlagenen strategischen Partnerschaft bis 2030. Diese erfuhr eine Bestätigung zu Beginn des Jahres 2020.

Der im Zusammenhang des regionalen Konfliktfalls Südchinesisches Meer häufig zitierte Ständige Schiedshof Den Haag, der im Falle des erörterten Anrainerkonfliktes im Südchinesischen Raums eine Vermittlerrolle einnehmen soll, hat nichts mit dem internationalen Gerichtshof in Den Haag zu tun. Der Ständige Schiedshof (Permanent Court of Arbitration, PCA) hat seinen Sitz auch in Den Haag und wurde anlässlich der Haager Friedenskonferenzen in den Jahren 1899 und 1907 gegründet. Die Zielsetzung dieser ständigen Einrichtung ist die friedliche Beilegung von Konflikten zwischen internationalen Parteien, Staaten, Firmen und Organisationen. Er bietet den Parteien sämtliche Strukturen, die erforderlich sind, um Streitigkeiten vor einer Schiedsstelle zu verhandeln und zu verbindlichen Schiedssprüchen zu gelangen.

Der philippinische Präsident Aquino III zog 2013 von den USA ermutigt (die Übernahme der Anwaltskosten von 30 Millionen US-Dollar eingerechnet) vor den PCA, um die erklärte 9-Punkte-Linie als nichtig zu erklären. Der PCA hat das Vermittlungs-Verfahren mit nur einem einzigen Teilnehmerstaat (Philippinen) angenommen. China lehnt dieses rechtsunverbindliche Verfahren ab und setzt demgegenüber auf eine bilaterale Vereinbarung mit den Philippinen. Ihr jetziger Präsident Duterte hat dieser Vorgehensweise im Nachgang des PCA-Schiedspruchs von 2016 entsprochen. Der US-Außenministeer Pompeo nutzt aktuell den vierten Jahrestag des Schiedsspruchs des PCA zu seiner Hetztirade.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die amerikanische Erklärung zu den Seeforderungen in Bezug auf das Südchinesische Meer den Ländern in der Region nicht dazu beiträgt, ihre konkurrierenden Ansprüche zu verwalten und die Stabilität der Region zu fördern. Die Vereinigten Staaten betrachten die Frage des Südchinesischen Meeres als ein Hebel zur Eindämmung Chinas. Ihre Positionserklärung wird bequemerweise als ein Instrument benutzt, das auch ihrer ständig zunehmenden regionalen Militärpräsenz “Legitimität” vor den Augen der Weltöffentlichkeit verleihen soll.

Sie deutet auf eine anmaßende Einmischung von außen in die Region hin und führt auch andere Anrainerstaaten des Südchinesischen Meeres in unkluger Weise dazu, einem benachbarten riesigen Land zu misstrauen und es sogar gegen sich aufzubringen. Die aggressiven Verlautbarungen der USA zu den Seeforderungen im Südchinesischen Meer kommt einer Kriegserklärung gleich. Es ist ein Störfeuer gegenüber den Bemühungen der Anrainerstaaten, ihre konkurrierenden Ansprüche zu verwalten und die Stabilität der Region zu fördern. Die USA benutzen ihre Militäroperationen als Sperrfeuer gegen den gegenseitigen Respekt der nationalen Souveränität und territorialen Integrität, den gegenseitigen Gewaltverzicht, die gegenseitige Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines Landes, und eine gebotene Kooperation zum gegenseitigen Nutzen[8].

Eine Lösung für eine konfliktbeladene Wirtschaftszone wie das Südchinesische Meer, mit all den überlappenden Ansprüchen der Anrainerstaaten dürfte sich nur anbieten, wenn die Anrainerstaaten, ohne Einwirkung eines Drittstaates ihren eingeschlagenen Weg der Kooperation und der gegenseitigen Vorteilsnahme weiter verfolgen.


[1] Robert Fitzthum (2019): China verstehen, Vom Aufstieg zur Wirtschaftsmacht und der Eindämmungspolitik der USA. Wien, S. 142-166
[2] ebd.
[3] ebd.
[4] ebd.
[5] ebd., S. 52
[6] ebd., S. 142-166
[7] ebd.
[8] Conrad Schuhler (2020): Wie weit noch bis zum Krieg? Die USA, China, Die EU und der Weltfrieden. Köln