Das als Zwischenbericht titulierte Ergebnis der Arbeitsgruppe 1 der Verkehrskommission „Klimaschutz im Verkehr“ endete im März 2019 ergebnislos.

Die Bundesregierung hat zugesagt, in diesem Jahr ein Klimaschutzgesetz zu beschließen, das verbindliche Ziele und Maßnahmen aus den Sektoren Verkehr, Energie und Landwirtschaft bündelt. Expert*innen aus Politik, Wirtschaft und auch zivilgesellschaftlichen Verbänden sollen in 6 Arbeitsgruppen die notwendigen strategischen Weichenstellungen beraten, um Ziele für ein zukunftsfähiges Mobilitätssystem zu erreichen. Die 6 Arbeitsgruppen sind als „Nationale Plattform Zukunft der Mobilität“ zusammengefasst. Dabei hat die Arbeitsgruppe 1 die Aufgabe, Ideen und Konzepte zu empfehlen, wie das Sektorenziel im Verkehrsbereich von 40 bis 42 Prozent weniger CO2-Emissionen bis 2030 umgesetzt werden kann.

Der Verkehr befindet sich seit Jahren in einem ungebremsten Wachstumsmodus. Trotz der laufenden Optimierungen in der Motorentechnik werden immer mehr Klimagase durch den Verkehr ausgestoßen. Laut des lange schon bestehenden Klimaschutzplans sollen die Emissionen bis 2030 um bis zu 42 Prozent im Vergleich zu 1990 sinken.

Das zusammengefasste Resultat der Expertenrunde

Die E-Mobilität soll ausgebaut werden. Begleitend dazu sollen die Ladeinfrastruktur ausgebaut und Anreize zum Kauf von emissionsarmen Autos geschaffen werden. Die Rede ist von sieben bis 10 Millionen E-Autos bis 2030. Nach aktueller Zulassungsstatistik sind es bis dato in Deutschland etwa 83.000 reine E-Autos und 341.000 Hybridautos.

Eine verbindliche Elektroauto-Quote wie in anderen Ländern ist im Zwischenbericht nicht enthalten. Ebenso wenig tauchen Konzept-Vorschläge auf, wie etwa große, klimaschädliche Autos teurer und klimafreundliche gefördert werden könnten. In einem ergänzenden Prüfauftrag sollen Vorschläge über eine CO2-Steuer erarbeitet werden, die Benzin und Diesel verteuern. Eine konsequente Umstellung von Verbrennungsmotoren auf Elektro-Autos ist nicht vorgesehen. Hier sind die kontroversen Auffassungen der Kommissions-Mitglieder von Industrie und Umweltverbänden nahezu „unüberbrückbar“ aufeinandergestoßen.

Nach den Vorstellungen der dominierenden Industrieseite ist der Ausbau von synthetischen Kraftstoffen wie Biomethanol oder Wasserstoff zu fördern. Demgegenüber steht eine von Umweltseite geforderte konsequente Umstellung auf E-Antrieb und ein Aufheben der seit Gründung der Bundesrepublik bestehenden Subventionierung von Diesel.

Die Ticketpreise für den Zugverkehr sollen günstiger werden, Züge sollen besser getaktet werden. Der Radverkehr soll durch den Ausbau von Radwegen mit 18 Mrd. € gefördert werden. Ein Vorschlag für die Finanzierung dieser durchaus begrüßenswerten Maßnahme wurde nach aktuellem Kenntnisstand allerdings nicht vorgelegt. Vermutlich ist das aber nicht die Aufgabe der Kommission. Die im Zwischenbericht dokumentierten Vorschläge von Maßnahmen sind aus sozial-ökologischer Sicht in Summe unzureichend, um die Einhaltung der zugesicherten Klimaschutz-Ziele und das Sektor-Ziel im Verkehrsbereich zu realisieren.

Zensur für Tempolimit

Der Themenkomplex Tempolimit, der in der aktuellen Diskussion als ein wesentlicher Ansatz für die Senkung des CO2 -Ausstoßes eine bemerkenswerte Rolle spielt, war bereits im Vorfeld durch ein politisch-ideologisch motiviertes Diktat des CSU-Verkehrsministers kategorisch ausgeschlossen worden. Scheuer betätigte sich – ohne dafür eine „hidden agenda“ (verdecktes Agieren) zu benutzen- als Ober-Lobbyist der Autokonzerne. Bereits im Vorfeld drückte er der von ihm bestimmten Kommissionsrunde sein politisch motiviertes Diktat auf, wonach sich ein Tempolimit „gegen jeden Menschenverstand“ richten würde. Tempolimit und Spritverteuerung seien allenfalls nur als mögliche Maßnahmen aufzulisten. Und die Experten? Sie schluckten diese Scheuer-Kröte.

Die im Zwischenbericht aufgelistete Förderung von Biosprit für die Beibehaltung von Verbrennungsmotoren ist aus sozial-ökologischer Sicht als ein unverantwortliches Ausweichmanöver einzuschätzen.

Der fortschreitende Klimawandel macht wirksame, ambitionierte und schnelle Maßnahmen zur Umsetzung des Pariser Klimaabkommens sowie der deutschen und europäischen Klimaschutzziele immer drängender. Laut dem Klimaschutzplan 2050 der Bundesregierung darf der Verkehr im Jahr 2030 nur noch 98 Millionen Tonnen Kohlendioxid freisetzen. Derzeit fallen durch den Verkehr in Deutschland etwa 170 Millionen Tonnen Kohlendioxid im Jahr an, Tendenz steigend. Das entspricht fast einem Fünftel der deutschen CO2-Emissionen – und ist damit einer der Hauptgründe dafür, dass die Bundesrepublik weit davon entfernt ist, ihre Klimaziele zu erreichen.

Mit dem erreichten Minimalkonsens der Verkehrskommission käme Deutschland aber bestenfalls auf eine CO 2 Reduktion von 114 bis 124 Millionen Tonnen. Offen bliebe also eine Lücke zwischen 16 Millionen und 26 Millionen Tonnen Kohlendioxid. Die derzeit aufgelisteten Vorschläge der Verkehrskommission zur Erreichung des Klimaschutz-Ziel für 2030 sind dafür schlicht nicht ausreichend.

Die Verkehrspolitik hat sich drei Jahrzehnte lang nicht ernsthaft mit Klimaschutz befasst. Die Interessen der Autokonzerne und ihrer politischen Repräsentanten standen und stehen in Deutschland als übergeordnete Leitlinie für das etablierte politische Handeln vor Gemein-wohl und Klimaschutz. Daran dürfte sich auch nichts ändern, weil Verkehrsminister Scheuer als oberster nationaler Verkehrslenker auch jetzt, in einer als dramatisch einzuschätzenden Lage, nicht bereit ist, umzusteuern.

Strukturmaßnahmen und eine klimaneutrale Mobilität können (noch) helfen

Ohne strukturelle Veränderungen im Verkehrsbereich werden sich aus sozial-ökologischer Position weder die Klimaziele einhalten lassen, noch werden die Herausforderungen für eine am Gemeinwohl orientierten Verkehrswende gelöst. Das Ziel der CO2- Reduzierung ist in weite Ferne gerückt. Das Leben der „Fridays for Future Generation“ dürfte bis zur Wirksamkeit der heute angedachten Maßnahmen für den Klimaschutz schon zur Hälfte vorüber sein. Und die Verantwortlichen aus Politik und Wirtschaft werden bis zu diesem Zeitpunkt höchstwahrscheinlich für ihr unverantwortliches Handeln nicht mehr zur Verantwortung gezogen werden können.

Der Politik fehlt trotz vielfältiger Expertisen, Gutachten und wissenschaftlichen Untersuchungen und auch trotz der eingesetzten Verkehrskommission ein Erfolg versprechendes Konzept, ein so dringend benötigtes Konzept für eine alternative Verkehrspolitik mit dem Fokus auf Förderung von grünen Verkehrsmitteln, Fußwege, Radwege, ÖPNV und Einschränkung des ausufernden fossilen Individualverkehrs.
Eine ausführliche Erörterung alternativer Verkehrspolitik ist dem isw-report 112/113 zu entnehmen.

Oberstes Ziel einer zeitgerechten und an den Bedarfen einer öffentlichen Mobilitätsversorgung ausgerichteten Verkehrspolitik bedeutet eine Verkehrs- und Strukturpolitik der Dezentralität. Erforderlich sind Investitionen und Maßnahmen, die Dezentralität und Nähe fördern. Auf diese Weise könnten in großem Maßstab Verkehrswege verkürzt und das Verkehrsaufkommen in Summe eingeschränkt werden. Dem heute existierenden strukturellen Zwang, ein Auto für die individuelle Mobilität zu nutzen, sollte die Prämisse einer zukunftsorientierten Verkehrspolitik entgegengesetzt werden: Abkehr von der bestehenden Verkehrsmarktordnung, Einschränkung der roten Verkehrsarten Luftverkehr, Schifffahrt, Straßenverkehr und insbesondere der PKW-Verkehrs.

Korrespondierend hierzu sind die Aussagen des Bündnisses aus BUND, Campact, Changing Cities, Deutscher Umwelthilfe, Greenpeace, der Klima-Allianz Deutschland, Naturfreunde Deutschland sowie dem ökologischen Verkehrsclub VCD anzugeben. Das Bündnis fordert insbesondere in Städten eine klare Fokussierung auf Bus und Bahn sowie den Rad- und Fußverkehr. Das Ziel des Bündnisses ist eine Verkehrswende hin zu klimaneutraler Mobilität.

„Wir müssen uns so bald wie möglich vom Verbrennungsmotor verabschieden. Nur den Antrieb zu wechseln, reicht allein aber nicht aus. Gefragt sind weniger und vor allem effiziente und gemeinsam genutzte Fahrzeuge, es müssen mehr Güter auf der Schiene transportiert werden. Die Maßnahmen dafür müssen von der Verkehrskommission jetzt angestoßen werden” erklärt Dorothea Saar von der Deutschen Umwelthilfe.

Die böswillig gegen das Gemeinwohl ausgelegte Verkehrspolitik verlangt geradezu nach einer unüberhörbaren Stimme, die die parlamentarisch kritischen Anmerkungen zum Ergebnis der Verkehrskommission von SPD und Grünen außerparlamentarisch übertönen kann.