Donald Trump, ausgestattet mit begrenzter ökonomischer Einsicht und weitgehend resistent gegenüber kompetenten Beratern, hat erneut Zölle erhöht – gegenüber nahezu allen Ländern. Laut Presseberichten sollen sogar Importe von einer kleinen Insel im Indischen Ozean betroffen sein, auf der nur Pinguine leben. Trumps Begründung: „Jahrzehntelang wurde unser Land geplündert, gebrandschatzt, vergewaltigt und ausgeplündert – von nahen und fernen Nationen, von Freunden und Feinden gleichermaßen.“ (1) Besonders im Fokus: Vietnam, das mit einem der höchsten Zollaufschläge von 46 % belegt wurde.

Solche Aussagen wirken verstörend – gerade aus dem Mund eines Präsidenten eines Landes, das in den letzten 100 Jahren kaum ein Jahrzehnt ohne Angriffskrieg erlebt hat, das Millionen, vielleicht zig Millionen Kriegstote zu verantworten hat, das in Vietnam einen der grausamsten Kriege seit dem Naziterror in Osteuropa geführt hat. Die USA unterhielten Folterschulen wie die „Escuela de las Americas“ in Panama, um in abhängigen Ländern Repression zu schulen, und ihre Konzerne plündern weltweit Rohstoffe und häufen immense Reichtümer an. Wenn ein Vertreter dieses Systems sich als Opfer stilisiert, bleibt einem fast die Sprache weg.

Einige Zollbeispiele (2)

  • Vietnam: 46 %
  • Bangladesch: 37 %
  • Thailand: 36 %
  • China: 34 %
  • Indonesien / Taiwan: 32 %
  • Schweiz: 31 %
  • Südafrika: 30 %
  • Pakistan: 29 %
  • Indien: 26 %
  • Südkorea / Japan: 25–24 %
  • EU: 20 %
  • Argentinien / Australien / Brasilien / Saudi-Arabien / Großbritannien: 10 %

Trumps Vorstellung: Rückbau der Weltwirtschaft

Trump sieht das große Handelsbilanzdefizit der USA als zentrales Problem – 2023 lag es bei 800 Milliarden Dollar, zehnmal so hoch wie das zweitgrößte Defizit. In den 1990er-Jahren betrug es noch unter 100 Milliarden. Im selben Zeitraum sank der Anteil der Industrie am US-BIP von 23 % auf 17 %. (3) Eine Grafik dazu zeigt, dass es in etwa der drei größten Handelsüberschüsse bedarf, um das US-Defizit auszugleichen.

Was Trump offenbar anstrebt, ist eine Renaissance der Industrieproduktion im eigenen Land – mehr „Made in USA“, weniger Importabhängigkeit. Er will zurück zu einer Zeit vor der Globalisierung, als Produktion noch vorwiegend national organisiert war. Damals war industrielle Wertschöpfung im Inland mit Exportorientierung verbunden, nicht mit der heutigen Praxis der global verteilten Produktionsketten.

Doch diese Welt existiert nicht mehr. Statt Produktion für den Export dominiert heute eine weltweite Arbeitsteilung, bei der Konzerne ihre Fertigung dahin verlagern, wo sich durch Lohnkosten, Steuervorteile, Infrastruktur oder Know-how maximale Gewinne erzielen lassen. Produktionsketten sind global fragmentiert, das Resultat ist ein undurchschaubares Netz aus Standorten, Vorprodukten und Lieferanten.

Eine Rückabwicklung dieser Strukturen ist nicht trivial: Sie ist komplex, detailreich, teuer – und politisch riskant. Trumps plötzliche Zollerhöhungen bewirken keine strukturelle Wende, sondern vor allem Chaos. Wer glaubt, man könne durch einseitige Strafzölle die industrielle Basis zurückholen, verkennt die ökonomischen Realitäten. Historische Beispiele von Schutzzoll-Politik zielten auf langfristige Industrieentwicklung – Trump hingegen agiert ohne Konzept und Kontext.

Konflikt mit den Kapitalinteressen: Die Konzerne denken global

Trumps Maßnahmen stehen in offenem Widerspruch zu den Interessen vieler US-Konzerne. Die großen Kapitalinteressen dürften deutlich anders gelagert sein, als Trump sie wahrnimmt. Beispiel Nike: Der US-Sportartikelkonzern lässt laut Süddeutscher Zeitung (5.4.2025) die Hälfte seiner Schuhe und ein Viertel der Textilien in Vietnam fertigen. Rechnet man Indonesien (32 % Zoll) und China (34 %) hinzu, sind 95 % der Nike-Produkte von den Zöllen betroffen. Diese Produkte sind für den US-Markt bestimmt. Nike hat keinerlei Interesse an einer Zollpolitik, die seine Produktionskosten massiv erhöht – und steht damit exemplarisch für viele Unternehmen mit globaler Produktion.

Trump ignoriert offenbar die Realität globaler Lieferketten. Moderne Konzerne organisieren ihre Produktion in viele Stationen, verteilt über unterschiedliche Länder. Kriterien sind u. a. günstige Löhne, staatliche Unterstützung, gute Logistik, Nähe zu Zulieferern, Forschungseinrichtungen oder Absatzmärkten. Heraus kommt ein fein abgestimmtes System – und ein globales Produktionsnetzwerk, das durch Transportketten zusammengehalten wird. Allein 110.000 Frachtschiffe transportieren täglich Halbfertig- und Vorprodukte um die Welt (4). Der dabei verwendete Kraftstoff – Schweröl – ist kostengünstig, wenn auch extrem umweltschädlich.

Dieses System zerschlägt Trump mit seinen Zöllen. Preisaufschläge zwischen 20 % und 50 % auf Importprodukte führen zwangsläufig zu massiven Kostensteigerungen – und damit zu wirtschaftlichen Verwerfungen.

Inflation und Zusatzkosten: Das Chaos nimmt Fahrt auf

Nehmen wir wieder Nike: Produkte aus Vietnam werden in den USA deutlich teurer. Das ist Inflation im klassischen Sinn – steigende Bezugskosten durch importseitige Verteuerung. Die Situation erinnert an den Preisschub durch die Sanktionen gegen russische Energie 2022. Sinkt der Absatz in den USA, versucht Nike womöglich, seine Waren nach Europa umzuleiten – wo es keinen Zollaufschlag auf vietnamesische Produkte gibt. Die Folge: Überangebot, Preisdruck, möglicherweise fallende Preise in der EU.

Ähnliches Szenario bei Autos: Deutsche Hersteller könnten Fahrzeuge, die sie in den USA nicht mehr absetzen können, in Europa oder Japan anbieten. Gleichzeitig drängen Toyota und Hyundai, ebenfalls betroffen, stärker in den EU-Markt. Das Ergebnis: höhere Autopreise in den USA, niedrigere Preise in Europa, verbunden mit Absatzverlagerungen, Druck auf heimische Hersteller und potenziell steigende Arbeitslosigkeit.

In den USA wiederum steigen die Verbraucherpreise – nicht nur für Importprodukte, sondern auch für inländisch produzierte Waren. Denn US-Firmen können in dieser Situation problemlos ihre Preise anheben, da die Konsumenten mit höheren Preisen ohnehin rechnen. Wir sahen dieses Muster schon 2022: Der Ölpreisschock ermöglichte vielen Konzernen, ihre Gewinnmargen zu steigern. Die Verbraucher tragen die Last – in Form von Reallohnverlusten und Nachfragerückgang. Eine Rezession ist kaum zu vermeiden.

Welche wirtschaftlichen Folgen sich daraus ergeben, hängt von vielen Faktoren ab: der Struktur der Lieferketten, der Reaktion der betroffenen Länder, möglichen Gegenzöllen, Wechselkursentwicklungen – doch sicher ist: Die Weltwirtschaft rutscht in eine Phase erheblicher Unsicherheit.

Märkte hassen Unsicherheit – und reagieren prompt

Die internationalen Finanzmärkte reagierten bereits: Aktienkurse weltweit stürzten ab, ebenso wie Gas- und Ölpreise – Letztere trotz unveränderter Angebotslage. Der Rückgang um 15 % innerhalb weniger Tage deutet darauf hin, dass die Märkte mit einem Nachfragerückgang rechnen – sprich: mit einer globalen Rezession.

Mag sein, dass einige US-Firmen kurzfristig profitieren – höhere Importpreise verbessern ihre Wettbewerbsposition. Doch diese Vorteile werden durch Inflation und sinkende Kaufkraft überlagert. Zölle wirken wie Konsumsteuern: Sie erhöhen die Staatseinnahmen, treffen aber die Verbraucher. Trump dürfte die Einnahmen nutzen, um Steuererleichterungen für seine wohlhabende Klientel zu finanzieren. Der Rest der Bevölkerung bleibt auf den Kosten sitzen.

Fazit: Ein ökonomisches Eigentor – globaler Rückschritt durch Zwangszölle

Wenn die Zölle Bestand haben – was fraglich ist, da sie gegen die Interessen vieler Großkonzerne verstoßen –, wird die Weltwirtschaft mit erheblichen Zusatzkosten belastet: durch die notwendige Neustrukturierung der Lieferketten, durch höhere Produktionskosten, durch geringere Effizienz. Die Trump-Zölle führen zu einer massiven Verteuerung von Produkten und zu einem Rückgang der globalen Wettbewerbsfähigkeit. Ein Rückschritt, der nicht nur die USA, sondern auch Europa, Asien und Lateinamerika in Mitleidenschaft ziehen dürfte.

Vor diesem Hintergrund ist der weltweite Einbruch der Börsenkurse nur allzu verständlich: Die Märkte antizipieren nicht nur ein temporäres Ungleichgewicht, sondern den Beginn einer tiefgreifenden Krise.

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Quellen

(1) Wirtschaftswoche 2.4.2025: USA führen komplexes Zollsystem ein – 20 Prozent auf Einfuhren aus der EU, https://www.wiwo.de/politik/ausland/donald-trump-us-praesident-verhaengt-zoelle-20-prozent-auf-einfuhren-aus-der-eu/100118574.html

(2) Wirtschaftswoche: 4.4.2025, https://www.wiwo.de/politik/ausland/zoelle-hoehe-laender-territorien-die-komplette-liste-der-neuen-importabgaben-der-usa/100118701.html (komplette Liste der verhängten US-Zölle)

(3) Weltbank, Data Indicators: https://data.worldbank.org/indicator?tab=all

(4) bpb – Bundeszentrale für politische Bildung: kurz und knapp: Seefracht, 24.9.2024, https://www.bpb.de/kurz-knapp/zahlen-und-fakten/globalisierung/52531/seefracht/