Die EU-Mitgliedsländer stimmten zusätzlichen Einfuhrzöllen  auf E-Autos aus chinesischer Produktion zu.  Je nach Hersteller liegen die Aufschläge zwischen 17,4 und 37,6 Prozent, zusätzlich zu den bereits geltenden zehn Prozent Einfuhrzoll.
Nach der geheimen Abstimmung der 27 Mitgliedsstaaten der Union werden ab dem 1. November für fünf Jahre Zölle erhoben.


Die EU-Kommission ist nun befugt, die beschlossene Zoll-Entscheidung bis zum 30. Oktober in Kraft zu setzen, wobei die Zölle am nächsten Tag bereits angewandt werden sollen.
Die einzige Möglichkeit, einen solchen Schritt noch zu verhindern, wäre nach Angaben von Brüssel eine kurzfristige Verhandlungslösung mit China. [1] Die ab November d.J. vorgesehenen Zölle auf in China hergestellte Elektrofahrzeuge,  mit Ausnahme der im Land gebauten Fahrzeuge ausländischer Marken, zielen darauf ab, „Wettbewerbsfähigkeit“ der in China hergestellten Elektrofahrzeuge in Bezug auf ihre Kostenleistung auf dem EU-Markt herzustellen, nachdem europäische Autobauer keine vergleichbaren Kostenangebote für E-Autos anbieten wollen.
„Wettbewerbsfähigkeit“ bestimmt also die EU!

Medienberichten zufolge stimmten  zehn EU-Mitglieder für die Zölle: Bulgarien, Dänemark, Estland, Frankreich, Irland, Italien, Litauen, Lettland, die Niederlande und Polen, die   zusammen 45,99 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren,  aber die meisten unter ihnen nicht einmal zu den  wichtigsten Import-Nationen für in China hergestellte Elektrofahrzeuge zählen; 12 enthielten sich der Stimme..
Die fünf Länder, die gegen diesen Zoll- Schritt stimmten, Deutschland, Ungarn, Malta, Slowenien und die Slowakei, vertreten  22,65 Prozent der EU-Bevölkerung, verfehlen aber  die vorgegebene  Sperrminorität nach EU-Recht (4 Mitgliedsländer, die mindestens  35 % der EU-Bevölkerung repräsentieren).[2]

Die EU führt den gebrauchswertigeren Preis der in China hergestellten Elektrofahrzeuge auf dem EU-Markt auf staatliche Subventionen zurück. Die EU hat dafür, offensichtlich ohne offizielle Beschwerde bei der Welthandelsorganisation (WHO) eigenmächtig eine Untersuchung gegen „wettbewerbsverzerrende Praktiken chinesischer E-Fahrzeughersteller“ eingeleitet, allerdings ohne stichhaltige Beweise vorlegen zu können.

Faktisch beruht die Wettbewerbsfähigkeit der in China hergestellten Elektrofahrzeuge auf dem langfristigen Einsatz der chinesischen Elektrofahrzeughersteller in der Forschung und Entwicklung einiger Kerntechnologien, wie z. B. im Zusammenhang mit den Batterien für Elektrofahrzeuge, sowie auf den Skaleneffekten der riesigen und vollständigen Produktionsbasis Chinas.
Neben dem riesigen Mobilitätsbedarf von China, das auch weiterhin aufnahmefähig für Automobile mit Verbrenner-Antrieb von Europa bleibt, sorgt das Land entsprechend seiner planerisch ausgelegten staatlichen Wirtschaftspolitik dafür, seine inländischen Produkte konkurrenzfähig auch in Europa anzubieten. Im Gegenzug praktiziert China infolge seines riesigen Mobilitätsbedarfs die Einfuhr europäischer, insbesondere deutscher Automobile. [3]

China ist der größte Automarkt der Welt und war laut Verband der Automobilindustrie (VDA) im Jahr 2023 für Autos aus Deutschland der drittgrößte Exportmarkt.
Und dabei kommen die international gültigen Handelsvereinbarungen und Regelwerke letztlich zum Tragen, wie z. B. das Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten [4]  oder der WTO- Streitbeilegungsmechanismus.[5]

Staatliche Stützmaßnahmen sind in einem System, das keine Profitmaximierung privater monopolistischer Unternehmensstrukturen zum Ziel hat, sondern dem Gemeinwohl der institutionalisierten sozialistischen Marktwirtschaft chinesischer Prägung verpflichtet ist,  durchaus angebracht und von der Bevölkerung so auch gefordert und befürwortet. Das ist der systemische Unterschied zur Subventionierung beispielsweise von Großkonzernen, die ihre Profitziele verfehlen und dann dem Staat mit Abwanderung und Vernichtung von Arbeitsplätzen drohen, wenn staatliche Subventionen ausbleiben sollten. [6] 
In dem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass auch Autokonzerne zu den Börsenkonzernen (u. a. VW und BMW) gehören, die in den vergangenen Jahren dreistellige Milliardengewinne erzielten und zugleich hohe staatliche Subventionen eingefordert und erhalten haben, um ihre „Wettbewerbsfähigkeit“ zu fördern. [7]

Ein Pfad der Eskalation

Mit der Abstimmung der EU wird zunächst ein Schlussstrich unter den wohl größten Handelsstreit in der Geschichte der Beziehungen zwischen der EU und China gezogen – doch ist dieser keineswegs beigelegt und könnte letztlich einen seit langem vorhergesagten Handelskrieg entfachen.

Statement IG Metall und GBR-Vorsitzende der deutschen Automobilhersteller zu geplanten Importzöllen

Im Vorfeld der Entscheidung der EU-Länder über die Importzölle für in China produzierte Elektrofahrzeuge teilte die IG Metall durch ihre Vorsitzende Christiane Benner, zusammen mit den GBR-/KBR-Vorsitzenden der deutschen Automobilhersteller Daniela Cavallo (Volkswagen), Ergun Lümali (Mercedes-Benz), Dr. Martin Kimmich (BMW), Benjamin Gruschka (Ford), Jörg Schlagbauer (Audi), Uwe Baum (Opel/Stellantis) mit:

"Wir lehnen die geplanten Import-Zölle ab und fordern die Bundesregierung auf, gegen die Einführung der Zölle zu stimmen. Mit Blick auf die Zukunftsperspektiven für hunderttausende Beschäftigte bei den deutschen Automobilherstellern und deren Zulieferern sagen wir unmissverständlich: Die Zölle sind der falsche Ansatz, denn sie verbessern nicht die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Automobilindustrie.

Beide Seiten sollten alles tun, um mit Hochdruck auf dem Verhandlungswege Lösungen für ein faires Wettbewerbsumfeld auf den internationalen Automobilmärkten zu finden. In einem eskalierenden Handelskonflikt würden alle verlieren. 

Angesichts der starken gegenseitigen Abhängigkeiten sprechen wir uns nicht für „Anti-China“-Zölle aus, sondern für ein CO2-orientiertes Handels- und Förderregime, das die Entwicklung regional-lokaler Wertschöpfungsketten voranbringt. Es sollte für deutsche, europäische, US-amerikanische und asiatische Hersteller gleichermaßen gelten. Dabei müssen Wertschöpfung und Beschäftigung an den deutschen und europäischen Standorten im Vordergrund der europäischen Interessenvertretung stehen.

Beispielsweise muss bei Ansiedlung nicht-europäischer Automobilhersteller sichergestellt sein, dass europäisch gefertigte Komponenten (local content) verbaut werden. So könnte auch die deutsche und europäische Zulieferindustrie profitieren und Innovation beim Software-Defined Vehicle stärker in Europa stattfinden. Ziel der Maßnahmen sollte nicht die Abschottung gegenüber chinesischen Herstellern sein, sondern die Schaffung eines fairen Wettbewerbs und die Stärkung des deutschen und europäischen Wertschöpfungsanteils aller hier verkauften Fahrzeuge.“[8]

 

Den Aussagen der Arbeitnehmervertreter der deutschen Automobil-Industrie ist ergänzend hinzuzufügen, daß deutsche Firmen nicht nur von den chinesischen Gegenmaßnahmen betroffen sein werden, sondern auch von den EU-Maßnahmen selbst.
Deutsche Auto-Konzerne lassen in Joint Venture Kooperationen (deutsche und chinesische Unternehmen), zum Teil sogar mit deutscher Mehrheitsbeteiligung[9] , in China für den Export produzieren und müßten durch die „Schutzzoll“-Maßnahmen mit einem Absatzrückgang der chinesischen Import-Fahrzeuge in Deutschland rechnen. Sollte China seinerseits Einfuhrzölle auf Fahrzeuge mit einem Motor, z. B. ab 2 Litern Hubraum einführen, würde dies die deutschen Autohersteller hart treffen.
Im Jahr 2023 ist etwa ein Drittel der  in Deutschland  produzierten Fahrzeuge nach China exportiert worden. So sind etwa mehr als 30 % des VW-Konzern-Absatzes von 3,24 Millionen Fahrzeugen im Jahr 2023 nach China exportiert worden.[10]

Die Unternehmerseite, vertreten durch den Verband der Deutschen Automobilindustrie (VDA) hatte sich im Vorfeld ebenfalls gegen die Einführung der Zölle ausgesprochen. Wettbewerbsverzerrungen würden zwar bestehen, aber die Einführung von Strafzöllen sei das falsche Mittel.[11]

Faktisch ist die Entscheidung der EU ein Akt protektionistischer Praxis, die einen schweren Verstoß gegen die Regeln der Welthandelsorganisation darstellt und die normale internationale Handelsordnung stört.  Sie behindert aber nicht nur die Handels- und Investitionszusammenarbeit zwischen China und der EU, sondern sie richtet sich auch den grünen Wandel der EU, was sich negativ auf die globale Klimapolitik auswirkt und die verpflichtenden Klimaziele  zur Makulatur werden läßt.

Seit Ende Juni haben die autorisierten Verhandlungsteams beider Seiten sechs Konsultationsrunden durchgeführt. Im Laufe des Prozesses sind immer wieder Forderungen und Meinungen der chinesischen und europäischen Industrie Gehör geschenkt worden. Allerdings berichten Analysten, dass die offene und kooperative Haltung nachweislich von den Verhandlungsführenden der EU weitestgehend ignoriert wurde und die Empfehlung der EU-Verhandler letztlich die Entscheidungsgrundlage für den Zollerhebungsbeschluss lieferte. [12]
In den kommenden Wochen soll es weitere Gespräche zwischen China und der EU zu diesem Thema geben, um die „harten“ Zielsetzungen noch abzufedern und eine Ausweitung des Handelsstreits in Richtung eines nicht absehbaren Handelskrieges zu vermeiden.

 

 

 

 

 

Quellen

[1] https://www.handelsblatt.com/politik/international/handelspolitik-eu-staaten-machen-weg-fuer-zoelle-auf-chinesische-e-autos-frei

[2] https://www.juracademy.de/europarecht/der-rat.html

[3] https://www.electrive.net/2024/07/10/volkswagen-konzern-china-geschaeft-mit-bevs-wiegt-absatzminus-in-europa-auf

[4] https://www.bgbl.de/xaver/bgbl/start.xav?startbk=Bundesanzeiger

[5]https://www.blw.admin.ch/blw/de/home/international/agrarmaerkte-und-agrarhandel/wto/streitschlichtung-der-wto.html

[6] https://www.isw-muenchen.de/online-publikationen/texte-artikel/5302-historischer-meilenstein-75-jahrestag-der-volksrepublik-china

[7] https://www.manager-magazin.de/politik/deutschland/subventionen-deutsche-konzerne-profitieren-von-staatlichen-zahlungen-in-milliardenhoehe

[8] https://www.igmetall.de/presse/pressemitteilungen/statement-ig-metall-und-gbr-vorsitzende-der-deutschen-auto

[9] https://www.press.bmwgroup.com/deutschland/article/detail/T0367989DE/ad-hoc:-bmw-ag-uebernimmt-mehrheit-an-bmw-brilliance-automotive

[10] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/238001/umfrage/auslieferungen-von-volkswagen-nach-china

[11] https://www.zeit.de/wirtschaft/2024-10/widerstand-gegen-eu-strafzoelle-auf-e-autos-aus-china-gescheitert;

https://www.auto-motor-und-sport.de/verkehr/strafzoelle-auf-china-elektroautos-bis-zu-38-prozent-v3/

https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/eu-zoelle-auf-chinesische-autos-was-sind-die-folgen-110027146.html;

[12]  A. a.  O.  https://www.handelsblatt.com/politik/international/handelspolitik-eu-staaten-machen-weg-fuer-zoelle-auf-chinesische-e-autos-frei