Am 1. Mai 2024 rufen DGB und Gewerkschaften zu bundesweiten Kundgebungen auf. Motto in diesem Jahr: "Mehr Lohn, mehr Freizeit, mehr Sicherheit". „Unsere Aufgabe ist es, den Wandel sozial gerecht zu gestalten“, betont der DGB. „Transformation gelingt nicht ohne die Beschäftigten und ihre Gewerkschaften“.


Eine besondere Bedeutung hat dabei KI, die „künstliche Intelligenz“: „Die öffentliche Diskussion dreht sich oft nur um die Frage, wie viele Arbeitsplätze durch KI ersetzt werden. Viel spannender ist die Frage, wie sich Angestelltenarbeit qualitativ verändert. Diese Veränderungen sind vielfältig und zum Teil widersprüchlich. Das bietet Ansatzpunkte für Betriebsräte, die digitale Transformation im Sinne der Beschäftigten zu gestalten“, so Stefan Lücking von der Forschungsförderung der Hans-Böckler-Stiftung. https://www.boeckler.de/de/boeckler-impuls-roboter-am-schreibtisch-59534.htm) „KI ist in den Betrieben schon lange angekommen. Wichtig ist, dass wir die Potentiale anschauen und die Chancen nutzen“, sagt die Vorsitzende der IG Metall  Christiane Brenner

Das Bundesministerium für Arbeit hat eine Arbeitsgruppe „Algorithmisches Management in der Arbeitswelt“ ins Leben gerufen (www.denkfabrik-bmas.de/schwerpunkte/plattformoekonomie/arbeitsgruppe-algorithmisches-management). Vertreter von Unternehmen, Gewerkschaften, und Wissenschaft und Behörden legen Ergebnisse der gemeinsamen Diskussionen in einem Arbeitspapier vor. Um die Gefahren des „algorithmischen Managements“ in den Griff zu bekommen, empfiehlt die Arbeitsgruppe, diese Systeme vor der Einführung unter Arbeitsschutzgesichtspunkten zu analysieren.

Mit People Analytics zum gläsernen Beschäftigten

Die Unternehmen setzen aber Fakten und führen neue Technologien in den Betrieben ein. Mit Chatbots sparen sich Unternehmen die Bereitstellung von menschlichen Ansprechpartnern für Kundenfragen. KI im Chatbot simuliert Kundennähe und antwortet in meist normal klingenden Sätzen. Die Gespräche können ausgewertet und dem Kunden weitere Angebote unterbreitet werden. In der Arbeitswelt sind für ChatGPT viele Anwendungsbereiche denkbar, etwa im Kundenservice, bei Erstellung von Werbetexten oder beim Schreiben von Softwarecode.

Ein weiterer Vorteil: Mithilfe der KI können große Datenmengen ausgewertet werden. Nach der BWL-Logik muss alles in Zahlen ausgedrückt werden. Das sind klassischerweise

1. Ergebnisziffern wie Gewinn oder Umsatz.

2. Eine Betriebsdatenerfassung zur Maschinennutzung, die Auswertungen über Produktionsarbeit beinhaltet.

3. „People Analytics“ als neuer Trend auf dem Weg zur gläsernen Belegschaft, egal ob in Produktion oder Verwaltung tätig, werden Daten über Arbeiter und Angestellte erfasst. Die systematische, auf Algorithmen basierende Analyse von Personaldaten wird unter dem Schlagwort People Analytics zusammengefasst. „Durch People Analytics können Sie bestimmte Zusammenhänge aufdecken“ und „Optimierungspotenziale“ erkennen, wirbt der Softwareanbieter Personio bei Personalverantwortlichen (www.personio.de/hr-lexikon/people-analytics). Dabei „werden Personaldaten im Ist-Zustand, aber auch Entwicklungen über einen Zeitraum hinweg, erfasst. Diese Daten nutzen Sie im People Analytics und verknüpfen Sie mit anderen Unternehmensdaten, um Zukunftsprognosen für die Entwicklung des Unternehmens zu erstellen.“

Der Arbeitsablauf beginnt mit der Kundenanfrage und reicht bis zur Feststellung der Kundenzufriedenheit. Gemessen werden etwa die Bearbeitungsdauer, Gesprächsdauer, Wartezeiten oder Antwortzeiten. Auf dieser Basis werden die Arbeitsergebnisse und Abläufe ständig gemessen, standardisiert und die Beschäftigten durch Zeitvorgaben kontrolliert. Per Software soll der Arbeitsanfall und das Kundenverhalten prognostiziert und stundentaktgenaue Vorgaben des Arbeitsvolumens ermittelt werden, um Personalkapazitäten und die Verteilung der Arbeitszeiten bis hin zur Lage der Pausen vorschreiben zu können. Ausgehend von Vergangenheitsdaten wie Aufträge, zu produzierende Stückzahlen, Kassentransaktionen, prognostizierte Planumsätze, Telefonate oder Kundenfrequenz-Messungen entsteht ein Ausblick für die Personaleinsatzplanung, heute „Forecast“ genannt. Die Folge sind standardisierte Prozesse, d.h. die konkrete Vorgabe von Arbeitsschritten für Bildschirmarbeitsplätze.

Aus der Sicht des Managements soll „People Analytics“  dabei helfen, die Arbeitsabläufe zu verbessern, die Produktion zu steigern oder die Kosten zu senken. Für die Belegschaft bedeutet dies permanente Kontrolle.

People Analytics nutzt teilweise anonymisierte, teilweise jedoch auch personenbezogene Daten – zum Beispiel, um vorherzusagen, welcher Bewerber oder welche Bewerberin für eine Stelle besonders geeignet ist. Auch Gehaltsdaten können ausgewertet werden, um festzustellen, um die Bezahlung im Unternehmen zu prüfen.

„Zukünftige Ereignisse und Entwicklungen können prognostiziert werden“, bedeutet in der Praxis: Die Schichtplanung soll über KI und Algorithmen erfolgen und so Einwände von Beschäftigten erschweren, da diese Daten „objektiv“ ermittelt wurden. „People Analytics ist im Gegensatz zum Personalcontrolling in die Zukunft gerichtet. Das bedeutet: Sind Einflussfaktoren bekannt, können negative Entwicklungen schneller erkannt und Gegenmaßnahmen getroffen werden. Es kann aber auch vorausgesagt werden, mit welcher Wahrscheinlichkeit ein Ereignis in Zukunft eintreffen wird (Predictive Analytics).“, so der der Haufe-Verlag, der auch mit „datenbasierten Entscheidungen“ argumentiert: „Statt Bauchgefühl liefern Zahlen und faktenbasierte Hypothesen die Grundlage für Entscheidungen“. www.haufe.de/hr/magazin/people-analytics)

Auswirkungen auf die Arbeitsinhalte

KI wirkt sich auch auf die Arbeitsinhalte aus. Dieser Automatisierungsschub betrifft vor allem Angestellte, macht eine aktuelle Untersuchung deutlich, von der die gewerkschaftlichen Hans-Böckler-Stiftung berichtet (www.boeckler.de/de/boeckler-impuls-roboter-am-schreibtisch-59534.htm). Wie die Automatisierung zu einer Abwärtsspirale führen kann zeigt ein Beispiel aus der Finanzbranche. Sachbearbeiter mussten bis vor Kurzem zum Beispiel Zahlungsverkehr für verschiedene Geldinstitute abwickeln und bei Fehlern Geldautomaten-Transaktionen korrigieren. Diese Arbeiten werden inzwischen von einer KI erledigt. Die verbliebenen Beschäftigten überprüfen lediglich, ob die Software fehlerfrei agiert. Sie „bilden faktisch nur noch das Back-up für den Fall, dass die Maschine einmal ausfallen sollte“, urteilen Thomas Lühr vom Münchner Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung und Tobias Kämpf von der University of Labour in Frankfurt (www.boeckler.de/de/boeckler-impuls-roboter-am-schreibtisch-59534.htm). Wurden durch Betriebsdatenerfassung und Ansätze einer Industrie 4.0-Maschinen-Vernetzung Arbeitsplätze in der Produktion reduziert oder verändert, sind nun Verwaltungseinheiten betroffen. Die Konsequenz ist ein Dequaifizierung, die sich auch auf die Bezahlung auswirken wird, da Entgeltgruppen in Tarifverträgen abhängig von den Anforderungen an die Stelle ist.

Probleme beim Arbeiten zuhause

Wie sich Arbeitsbedingungen in der modernen Arbeitswelt verschlechtern, zeigt auch eine aktuelle Untersuchung zum mobilen Arbeiten, die der Industrieverbands Büro und Arbeitswelt e. V. (IBA) in Zusammenarbeit mit Forsa durchführte. Die Problematik zeigt sich allein bei der Ausstattung im Homeoffice. Immerhin 56 Prozent aller Beschäftigten arbeiten zeitweise von zu Hause aus. Bei den Beschäftigten in Unternehmen mit mindestens 250 Beschäftigten trifft das sogar auf 66 Prozent aller Mitarbeitenden zu.

Fast die Hälfte der Arbeitenden (48 Prozent) berichten, dass ihr Homeoffice in Sachen Ergonomie weniger gut ausgestattet ist als der Arbeitsplatz im Büro. Jeder Dritte (33 Prozent) sagt das von der technischen Ausstattung und 43 Prozent von der Funktionalität der Arbeitsplätze. Im Vergleich zur Befragung im Jahr 2020 zeigen sich kaum Verbesserungen. „Es gibt noch einiges nachzuholen, um Büros und Homeoffices fit für die Anforderungen der neuen Arbeitswelt zu machen. Aber der Wandel hat begonnen“, fasst Helmut Link, Vorsitzender des IBA zusammen. Letztendlich sei aber mehr Tempo gefragt www.haufe.de/arbeitsschutz/gesundheit-umwelt/hybrides-arbeiten-unsicherheit-bremst-die-transformation_94_618944.html).

Auch zum Wegfall von Arbeit gibt es zunehmend Meldungen in den Medien: Eine firmeneigene KI spart jede Woche 30 Minuten Arbeit ein – so berichten es Beschäftigte der Otto Group nach der Einführung ihres KI-basierten Chatbots „ogGPT“, meldet das Handelsblatt und kommentiert: „Das ist ein Durchschnittswert, den KI-Profis vielleicht sogar mehrmals am Tag reinholen.“ www.handelsblatt.com/technik/ki/ki-briefing-40-stunden-minus-x-wie-viel-arbeit-erledigt-ki-fuer-sie/100031691.html)

Für den Tag der Arbeit ist also klar: Arbeitsverkürzung mit Lohnausgleich ist also aktueller denn je!