Die politische Führungsriege der EU erklärt beim Zusammentreffen mit der chinesischen Staatsregierung ihre Besorgnis, bei der Gestaltung der beiderseitigen wirtschaftlichen Partnerschaft in Zugzwang zu geraten.  



Das Handelsdefizit der durch Krisen charakterisierten EU-Volkswirtschaften ist gegenüber der planwirtschaftlich ausgelegten Volksrepublik China[1] in den vergangenen 10 Jahren kontinuierlich angestiegen. Nimmt man den ganzjährigen Vergleich des Jahres 2022, so zeigt sich ein Defizit gegenüber der Wirtschaft von China von ca. 400 Milliarden Euro.  (Siehe Tabelle 3) Die wirtschaftliche Schwäche der europäischen Volkswirtschaften mit einem stagnierenden Wirtschaftswachstum und rückläufiger internationaler Konkurrenzfähigkeit sieht die EU-Kommission zu einem nicht unwesentlichen Teil in den einseitig empfundenen Handelsbedingungen mit der Wirtschaftsmacht CHINA.
Hinter der diplomatisch verzierten good-will-Aktion durch die Vorsitzende der EU-Kommission Ursula der Leyen und dem Ratspräsident Charles Michel zeigt sich allerdings unübersehbar, dass die EU gegen die Wirtschaftskraft von China und dessen zunehmenden  Einfluß auf den Verlauf der Weltwirtschaft vorgehen  will, um nicht ins Hintertreffen zu geraten.
Zunächst  zeigt sich die politische Staatsführung Chinas mit ihrem Präsidenten Xi, von ihrem  prinzipiellen Standpunkt der „Partnerschaft auf Augenhöhe“ aus agierend,  als ein bereitwilliger Gegenüber, der die wirtschaftliche Beziehung zur EU als ein qualitativ hochwertige Entwicklung betrachtet. Sie signalisiert ihrerseits ihre Bereitschaft  für eine weitere vertrauenswürdige Beziehung in der industriellen und technologischen Zusammenarbeit sowie in der Pflege der bestehenden Lieferkette.[2]
Die politischen Führungsgremien der EU und der chinesischen Staatsführung werden im Hinblick auf ihre Berechenbarkeit in nächster Zukunft daran zu messen sein,  in welchem Maße die Modernisierung traditioneller Industrien und die Entwicklung aufstrebender Industrien in einer arbeitsteilig geprägten globalen Vernetzung  gelingt.
Einschränkend steht dem zuallererst die anmaßende Drohgebärde der EU-Repräsentanten entgegen, in der Gestaltung der Wirtschaftsbeziehungen in erster Linie die Verbesserung der Kapitalverwertung europäischer Unternehmen einzufordern, oder aber die Einfuhrbestimmungen für Produkte aus China mit protektionistischen Mitteln zu erschweren.
Zwei exemplarische  Belege dafür sind einmal die wiederholt vorgebrachte Ankündigung der EU-Kommission, die Einfuhr von kostengünstigen Elektro-Autos aus China in EU-Märkte mit Schutzzöllen zu blockieren,  und zu einem weiteren die angekündigten Schutzmaßnahmen für die europäische Windkraftindustrie oder die Stahlbranche.[3] In der Konsequenz könnte sich dieses Ansinnen eines Protektionismus, eine europäische Kopie der US-amerikanischen Sanktionspolitik gegenüber China,  als ein erheblicher Schaden vor allem für die schwächelnde Deutsche Wirtschaft auswirken. Dem stagnierenden Wirtschaftswachstum der europäischen Volkswirtschaften mit aggressiven politischen Maßnahmen gegenüber der Wirtschaftsmacht China entkommen  zu wollen, dürfte sich unweigerlich auf die Exporte nach China auswirken und das Ungleichgewicht im Handel zwischen China und der EU verstärken.

Ein wesentliches Merkmal der ungleichen Wirtschaftsentwicklung im EU-Wirtschaftsraum und China ist die unterschiedliche Entwicklung der Industrieproduktion.

 Tabelle 1

Die Industrieproduktion in der Europäischen Union (EU-27)

  

Quelle: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/226004/umfrage/veraenderung-der-industrieproduktion-in-den-eu-laendern/

Die Industrieproduktion in der Europäischen Union (EU-27) ist rückläufig. Im September 2023 ist sie arbeitstäglich bereinigt um rund 6,1 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat gesunken. In der Eurozone ist die Industrieproduktion im September 2023 auf -6,9 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat gesunken.

Demgegenüber wuchs das chinesische BIP nach den verfügbaren Zahlen im dritten Quartal 2023   um 4,9 % gegenüber dem Vorjahr und übertraf damit die Markterwartungen. Der inländische Konsum zog an und für die Industrieproduktion erfolgte im Zuge der staatlichen Maßnahmen zur Wachstumsförderung eine Stabilisierung.[4]

 Tabelle 2

Chinas BIP-Wachstum: 4,9 % im 3. Quartal 2023

Quelle: https://www.isw-muenchen.de/online-publikationen/texte-artikel/5117-5-5-wachstum-der-chinesischen-volkswirtschaft-eine-zwischenbilanz-1-halbjahr-2023

In den ersten drei Quartalen wuchs das BIP gegenüber dem Vorjahr durchschnittlich um 5,2 %. China dürfte somit sein jährliches Wachstumsziel von "etwa 5 %" gegenüber dem Vorjahr erreichen, vorausgesetzt im vierten Quartal ist das eingeplante Wachstum von 4,4 % im Jahresvergleich zu erreichen.
Für das Jahr 2023 wird das BIP China auf rund 19,4 Billionen US-Dollar prognostiziert. [5]


Nach den vorliegenden ganzjährigen Zahlen sind die EU-Ausfuhren im Jahr 2022 auf einen bisherigen Tiefstand gesunken.  Grund dafür dürfte vor allem in den grundsätzlichen Unterschieden zwischen profit-getriebener Marktwirtschaft mit seiner systembedingten Krisenanfälligkeit und der planwirtschaftlichen Ausrichtung und Steuerung sowie auf lockere Partnerschaft ausgerichteten Volkswirtschaft zu finden sein.

Tabelle 3

Handel zwischen der EU und China
2012 - 2022

Quelle: Eurostat

Bei den EU-Ausfuhrwaren handelt es sich zu 87% um Fertigwaren und 11% um Primärwaren. Die am häufigsten exportierten Fertigwaren waren Maschinen und Fahrzeuge (52 %), gefolgt von anderen Fertigwaren (19 %) und Chemikalien (16 %). Im gleichen Zeitraum war der Anteil der EU-Einfuhren von Fertigerzeugnissen (97 %) ebenfalls höher als der von Primärerzeugnissen (3 %). Die am meisten importierten Fertigwaren waren Maschinen und Fahrzeuge (53 %), gefolgt von anderen Fertigwaren (33 %) und Chemikalien (11 %).[6]

Tabelle 4

EU Handel mit China nach Produktgruppen 2012 - 2022

Quelle: https://ec.europa.eu/eurostat/statistics-explained/index.php?title=China-EU_-_international_trade_in_goods_statistics#China_largest_partner_for_EU_imports_of_goods_in_2022

Mit ihren Überlegungen, die Handelsstreitigkeiten mit China immer mehr in einem Wirtschaftskrieg zu eskalieren, dürfte die EU-Kommission allerdings den stagnierenden europäischen Volkswirtschaften eher Schaden zufügen. Die Erhebung von Schutzzöllen auf chinesische Einfuhren und eine Verschärfung der Ausfuhren würden vor allem auch die in China angesiedelten europäischen Produktionsbetriebe stark belasten und zu einer negativen Bilanz führen.
Durch die faktischen Entscheidungen einer ganzen Reihe von gewichtigen europäischen/ deutschen Unternehmen Volkswagen, (BASF, Volkswagen, BMW, Bosch, Mercedes-Benz und Siemens, Allianz als Dienstleistungs-Unternehmen), in China zu investieren und die Wirtschaftsbeziehungen durch vielerlei Einzelentscheidungen selbst zu bestimmen[7], ist die politische Ausrichtung der EU- Kommission mehr als in Frage zu stellen. So gehen etwa deutsche Unternehmen dazu über, für ihre chinesischen Fabriken Lieferketten aufzubauen, ohne sanktionsgefährdete europäischen Bauteile einzubeziehen. VW geht beispielsweise dazu über, die Produktionsbetriebe in China unabhängig von Standorten in Europa zu versorgen, um gegen neue westliche Sanktionen gefeit zu sein.[8]

Der Autokonzern Volkswagen geht noch einen Schritt weiter und betreibt in China die Entwicklung einer neuen Plattform für Elektroautos, die auch in China produziert werden sollen. Zugleich sollen die Zulieferteile überwiegend von in China ansässigen Betrieben geliefert werden, was will der Konzern bei der Herstellung von Elektroautos in China beinahe komplett auf Zulieferer aus der Volksrepublik zurückgreifen. Damit könne schneller, billiger und besser produziert werden.[9] im Fall einer Verschärfung der Sanktionen gegenüber China könnten die Aktivitäten von Volkswagen in ihrem größten Absatzmarkt aufrechterhalten bleiben.[10]  Weitergehende Überlegungen in den Konzernzentralen zur zukünftigen Ausrichtung ihres zukünftigen China-Politik ist hier nicht zu erörtern. Eine Schädigung der deutschen Industrie wäre aber die Folge.

Das Kölner Institut der deutschen Wirtschaft, IW, verweist auf eine Recherche, der zufolge China immer mehr Investitionen anziehe, da „die Unternehmen das Gefühl“ hätten, sie müssten „ihr Chinageschäft isolieren können, nachdem die Bundesregierung die Wirtschaft zur Verlagerung ihrer Aktivitäten weg aus China in andere Länder bewegen wolle., „schon paradox und so eigentlich nicht gewollt“. Hinzu komme, dass alles, was dank neuer Investitionen in China gefertigt werde, „nicht von Deutschland aus exportiert“ werde – zum Schaden der deutschen Exportindustrie.[11]

 

[1] https://www.isw-muenchen.de/online-publikationen/texte-artikel/3861-planvolle-gestaltung-der-wirtschafts-und-gesellschaftsentwicklung-chinas-nationaler-volkskongress-stimmt-14-fuenfjahresplan-zu

[2] https://www.scmp.com/news/china/diplomacy/article/3244223

[3] https://www.handelsblatt.com/politik/international/handelsbeziehungen-borrell-droht-china-mit-abschottung-des-europaeischen-markts/29485482.html

[4]  https://www.tagesschau.de/wirtschaft/konjunktur/china-wirtschaft-wachstum-drittes-quartal-100.html

[5] https://www.isw-muenchen.de/online-publikationen/texte-artikel/5117-5-5-wachstum-der-chinesischen-volkswirtschaft-eine-zwischenbilanz-1-halbjahr-2023

[6] https://ec.europa.eu/eurostat/statistics-explained/index.php?title=China-EU_-_international_trade_in_goods_statistics#China_largest_partner_for_EU_imports_of_goods_in_2022

[7] https://www.wiwo.de/politik/ausland/keine-angst-vor-china-sollte-es-zu-einem-krieg-kommen-steht-die-deutsche-wirtschaft-vor-einer-krise-enormen-ausmasses/29066666.html

[8] https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/9429

[9] https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/9429

[10] ebd.

[11] Jürgen Matthes: Deutsche Direktinvestitionen in China: Kaum Diversifizierung. IW-Kurzbericht Nr. 35. Köln, 17.05.2023.