Am 13. Januar 2018 wurde aus dem Traum von der atomwaffenfreien Welt für 1,5 Millionen Menschen auf Hawaii erst mal ein Alptraum. 38 Minuten lang wurden die Menschen durch einen Atomalarm in blanke Panik versetzt. Erst danach hieß es von der Regierung Hawaiis: Entschuldigung – da hat jemand den falschen Knopf gedrückt.
Die Süddeutsche Zeitung schrieb dazu am 15. Januar 2018: „Zum Glück war es nicht der amerikanische Präsident, der den falschen Knopf gedrückt hat. So wie es die Behörden darstellen, hatte ein Mitarbeiter des Katastrophenschutzes bei einem Routinetest mit der Maus auf seinem Bildschirm einen falschen Klick gemacht.“ Und weiter die SZ: „Das mag alles lächerlich und absurd klingen – so ein Pentagon-Mitarbeiter – aber in Wahrheit fangen so Kriege an.“
Dieser Fehlalarm, einer von mehreren, bestätigt, dass die Risiken eines versehentlichen Atomkrieges selbst bei routinemäßigen Wartungsarbeiten oder technischen Problemen unkalkulierbar sind. Und er bestätigt, was Papst Franziskus bei der Atomwaffenkonferenz 2017 im Vatikan mit Blick auf den Konflikt USA/Nordkorea sagte: "Die Welt steht am Beginn des dritten Weltkrieges und man muss alles tun, um einen Atomkrieg zu vermeiden". Und weiter: Die Welt riskiere den Selbstmord; ein weltweites Verbot von A-Waffen sei „ein humanitärer Imperativ.“
Mit dem Ukrainekrieg ist die Angst vor einem Atomkrieg als reale Gefahr zurück
Der Ukrainekrieg droht nicht nur zu einem Dauerkrieg zu werden, sondern er trägt auch die Gefahr eines Atomkrieges in sich. Aus einem Regionalkonflikt wurde ein Stellvertreterkrieg zwischen den Atommächten USA/NATO und Russland. Dabei ist seit langem bekannt, dass ein Atomkrieg die menschliche Zivilisation zerstören und einen Großteil der Menschen weltweit auslöschen würde.
Auf einen Atomkrieg zwischen Russland und den USA würde ein nuklearer Winter von einem Jahrzehnt oder mehr folgen. Ein Großteil der Menschheit würde sterben. Dazu die Stellungnahme von IPPNW, "International Physicians for the Prevention of Nuclear War“: „Jeglicher Einsatz von Atomwaffen verursacht katastrophales menschliches Leid. Ein Atomkrieg würde das Ende unserer Zivilisation und eine Katastrophe für die Ökosysteme des Planeten bedeuten. Schon ein regional begrenzter Atomkrieg hätte so weitreichende Konsequenzen für das Klima und unsere Landwirtschaft, dass das Leben und die Gesundheit von Milliarden von Menschen bedroht wären.“
SIPRI: rund 13.400 Atomwaffen weltweit
Schon mit der Androhung von A-Waffeneinsatz wird die gesamte Menschheit in Geiselhaft genommen. Nach SIPRI befinden sich insgesamt 13.400 Atomwaffen im Besitz der neun Atomwaffenstaaten; 3.720 sind sofort einsatzfähig, davon wiederrum 1.800 in ständiger Höchstalarmbereitschaft. Derzeit gibt es fünf offizielle Atomwaffenstaaten: USA, Frankreich, Großbritannien, Russland und China. Hinzu kommen die sog. inoffiziellen Atomwaffenstaaten: Israel, Indien, Pakistan, Nordkorea. Hinzuzurechnen sind die sog. Teilhabestaaten, auf deren Territorien A-Waffen gelagert, deren Einsatz geübt und die dort gelagerten Waffen modernisiert werden. In Europa: Türkei, Italien, Belgien, Niederlande und Deutschland, obwohl es seit 2010 einen Bundestagsbeschluss gibt, alle Atomwaffen aus Deutschland abzuziehen.
Die USA haben als einzige Atommacht im Rahmen der sog. „nuklearen Teilhabe“ Atomwaffen außerhalb ihres Territoriums stationiert. Sie verfügen zusammen mit Russland über 90% der vorhandenen Nuklearwaffen. Käme davon auch nur ein Prozent der Atomwaffen zum Einsatz, könnte ein globaler nuklearer Winter das Klima, die Nahrungsmittelproduktion und damit die Existenzgrundlage der Menschheit zerstört werden. Schon ein atomarer Schlagabtausch zwischen Indien und Pakistan oder USA und Nordkorea könnte zum Ende der menschlichen Zivilisation führen.
Atomwaffen sind die zerstörerischsten, unmenschlichsten und willkürlichsten Waffen, die je geschaffen wurden.
Sie sind nach dem Atomwaffenverbots-Vertrag illegal und unmoralisch, aber es findet geradezu ein Wettrennen um ihre Modernisierung statt.
Atomares Wettrennen
„Die USA begannen bereits 2010 mit einer vollständigen Modernisierung ihres A-Waffenarsenals (vergl. ICAN, internationale Kampagne zur Abschaffung der Atomwaffen). Sie modernisieren dabei alle Bereiche der Atomwaffenindustrie: Waffenfabriken, die gesamte Triade strategischer Bomber, U-Boote und Sprengköpfe. ICAN merkt dazu an:Durch die Modernisierung erreichen die Raketen eine größere Genauigkeit also die Fähigkeit Ziele genauer zu treffen: Dadurch steigt die Bedrohung durch einen Einsatz dieser Waffen. Insgesamt werden die USA in den nächsten 30 Jahren 1,2 Billionen Dollar für die Modernisierung ihrer Atomwaffen investieren.“ Dazu Fred Schmid: https://www.isw-muenchen.de/online-publikationen/texte-artikel/3968-67welt-militaerausgaben-2020-welt-im-waffen-wahn
Die jetzt in Gang gesetzte Modernisierung der in Europa stationierten Atomwaffen soll den Einsatz dieser Waffen unterhalb der Schwelle eines großen Atomkriegs ermöglichen, sie sollen zielgenauer werden, geringere „Kollateralschäden“ verursachen, und die Trägersysteme eine größere Reichweite haben. Mit dieser Modernisierung soll die Hemmschwelle für den Einsatz von Atomwaffen gesenkt werden.
Erinnern wir uns noch an die bejubelte Rede von Barak Obama 2009 in Prag? Sein Thema: Eine Welt ohne Atomwaffen! Aber, noch unter Obama planten die USA, eine Billion (!) US-Dollar in den nächsten dreißig Jahren – also 100 Mrd. $ jährlich – in diese Modernisierung zu investieren. Wieviel Hunger, Armut und Elend könnte mit diesen Geldern beseitigt werden? Wie viele Fluchtursachen könnten damit bekämpft werden?
Atomwaffen töten bereits durch ihre Erprobung und Entwicklung
ICAN, Friedensnobelpreisträger von 2017 schätzt, dass seit Beginn des atomaren Zeitalters im Juli 1945 mehr als 2000 Atomwaffentests durchgeführt wurden: oberirdisch, unterirdisch und unter Wasser. Diese Tests haben die gesamte Weltbevölkerung verstrahlt. IPPNW (Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges) schätzt, dass an den Folgen oberirdischer Atomwaffentests 2,4 Millionen Menschen gestorben sind. Quelle: ICAN: Katastrophales humanitäres Leid, S. 17.
Bis heute lagern in Büchel US-Atomwaffen
Regelmäßig trainiert die Bundeswehr mit Tornado Kampfbombern den Einsatz dieser Atomwaffen, obwohl der Deutsche Bundestag schon im März 2010 mit großer Mehrheit die Bundesregierung aufgefordert hat, sich für den Abzug der Atomwaffen aus Deutschland einzusetzen. Die Behauptung der Bundesregierung, dass für den Abzug der Atomwaffen aus Deutschland die NATO zuständig sei, ist eine billige Ausrede. Man könnte auch sagen eine Lüge: Ob Massenvernichtungswaffen in Deutschland stationiert werden, ob sich die Bundesrepublik im Ernstfall an Atombombenangriffen beteiligt und dafür schon jetzt regelmäßige Trainingsflüge absolviert, das hat allein die Bundesregierung zu entscheiden.
Deutschland verstößt schon seit Jahrzehnten gegen den Atomwaffensperrvertrag
Der Atomwaffensperrvertrag wurde im Juli 1968 von den fünf Atommächten USA, Frankreich, VR China, Großbritannien und der Sowjetunion initiiert und mittlerweile von 191 Vertragsstaaten unterzeichnet. Nur vier Staaten wurden nicht Mitglied des Atomwaffensperrvertrags: Indien, Israel, Pakistan und Südsudan. Nordkorea trat im Januar 2003 aus dem Vertrag aus. In dem Vertrag heißt es in Artikel II: „Jeder Nichtkernwaffenstaat … verpflichtet sich, Kernwaffen oder sonstige Kernsprengkörper oder die Verfügungsgewalt darüber von niemanden mittelbar oder unmittelbar anzunehmen.“ Aber nicht nur die Bundesregierung, auch deutsche Finanzkonzerne beteiligen sich an der Entwicklung und Herstellung von Atomwaffen und Trägersystemen. In einer ICAN-Studie wird nachgewiesen, dass diese Finanzkonzerne von 2013 bis 2016 insgesamt über 9 Milliarden Euro in Firmen investiert haben, die an der Herstellung von Atomwaffen und Trägersystemen beteiligt sind.
Aufstand der atomwaffenfreien Länder gegen die Atommächte
Am 7. Juli 2017 hat die Mehrheit von zwei Drittel der Mitgliedsstaaten der UN einen Atomwaffen-Verbortsvertrag beschlossen. Nach dem Wortlaut des Vertrages verpflichten sich die Unterzeichnerstaaten, niemals, unter keinen Umständen Kernwaffen zu entwickeln, herzustellen oder zu erwerben, zu besitzen oder zu lagern, niemals Kernwaffen anzuwenden oder mit ihrer Anwendung zu drohen und weder direkt noch indirekt Kontrolle über solche Waffen zu erlangen. Atomwaffen nicht von anderen direkt oder indirekt übertragen zu bekommen, oder ihre Stationierung, Installierung und ihren Einsatz auf dem eigenen Staatsgebiet zu erlauben. Entsprechend dieses Vertrages gilt der Besitz oder die Herstellung von Nuklearwaffen weltweit als unethisch und als illegal.
Die Atomwaffenstaaten sowie die NATO-Mitglieder, darunter auch Deutschland, boykottieren bislang den Verbotsvertrag. Sie können jedoch später noch beitreten, wenn sie sich bereit erklären, ihre Atomwaffenarsenale zu vernichten. Aus Deutschland müssten die US-Atomwaffen abgezogen werden. Das entspricht auch der Erklärung des Internationalen Gerichtshofs von 1996, dass die Drohung mit Atomwaffen generell mit dem Völkerrecht unvereinbar sei und nach gültigem Völkerrecht die Verpflichtung zur Vollständigen nuklearen Abrüstung bestehe. Die Bundesregierung hat, ebenso wie alle Atommächte und die anderen NATO-Staaten, die Atomwaffenverbotsverhandlungen boykottiert. Sie hat sogar gegen die Aufnahme von Verhandlungen gestimmt.
Atomwaffen abschaffen!
Man kann zurecht einwenden, die Atomwaffen aller Länder sind gleich verheerend und daher verbiete sich jede Politik, die sich auf die Drohung mit dem Einsatz von Atomwaffen gründet. Das ist prinzipiell richtig – und doch lässt solche Gleichsetzung Wesentliches außer Acht:
- Es waren die USA die als erste Atomwaffen entwickelt, über Hiroshima und Nagasaki eingesetzt– und damit eine nukleare Rüstungswelle initiiert haben.
- Im Gegensatz zu den USA hat z.B. China erklärt, nicht als erste Atomwaffen einzusetzen, Während sich die USA den Ersteinsatz von Atomwaffen ausdrücklich vorbehalten. Hier ist hinzuweisen auf Hiroshima und Nagasaki, am 6. Aug. 1945.
Würden alle Atomwaffenstaaten erklären, nicht als erste Atomwaffen einzusetzen, könnten diese Waffen abgeschafft werden. - Russland wird zu nuklearen Abrüstungsmaßnahmen nicht bereit sein, solange die USA und NATO eine erdrückende uneinholbare Überlegenheit im konventionellen Bereich haben.
Die aktuellen, kaum verhüllten Drohungen Russlands, im Ukrainekrieg ev. auch Atomwaffen einzusetzen zeigt: Die Entscheidung über den atomaren Selbstmord der Menschheit darf man nicht denen überlassen, die an den roten Knöpfen sitzen, den Herrschenden, den Militärs und den Profiteuren dieses Wahnsinns.
Diese Botschaft sollte auch von starken Ostermärschen in diesem Jahr ausgehen.