US-Präsident Donald Trump hat angekündigt, aus dem INF-Vertrag aussteigen zu wollen. Mit dem INF-Vertrag (Intermediate-Range Nuclear Forces) von 1987 verpflichteten sich die USA und die damalige Sowjetunion, auf den Besitz und die Entwicklung von landgestützten Atomraketen von 500 bis 5500 km Reichweite zu verzichten. Zu diesen Raketen gehörten damals die amerikanischen Pershing II und die sowjetischen SS-20 Raketen.

Gegen die Stationierung von SS20-Mittelstreckenraketen auf sowjetischer Seite und von US-amerikanischen Pershing II auf deutschem Boden hatten in den 1980er Jahren Millionen Menschen protestiert. Der Vertrag führte zur Zerstörung dieser Kurz- und Mittelstreckenraketen auf beiden Seiten. Das INF-Abkommen und die Zerstörung dieser Waffen trug wesentlich dazu bei, das atomare Wettrüsten zu begrenzen.

Mit Trumps Ankündigung, aus dem INF-Vertrag auszusteigen ist eine neue gefährliche Runde des Wettrüstens wahrscheinlich. Russland hat bereits angekündigt, auf ein Ausscheiden der USA aus dem INF-Vertrag entsprechend zu reagieren. Die USA berufen sich auf Erkenntnisse, Russland entwickle im Widerspruch zum INF-Vertrag neue Marschflugkörper und Mittelstreckenraketen. Russland weist seinerseits darauf hin, dass die vorgeschobenen Stützpunkte des Raketenabwehrschirms in Polen und Rumänien zum Abschuss atomar bestückter Marschflugkörper umgerüstet werden könnten, was dem INF-Vertrag widerspräche.

“Um die gegenseitigen Vorwürfe auszuräumen, wären wechselseitige Informationen und Inspektionen notwendig”, stellte im März die Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) fest: “Dazu müsste das 2001 beendete INF-Inspektionsregime reaktiviert und modifiziert werden.” Das wäre nach Washingtons angekündigtem Austritt aus dem INF-Vertrag aber endgültig unmöglich.

Auf dieses Verfahren weist auch die Naturwissenschaftlerinnen-Initiative am 23. Oktober 2018 hin. Darin heißt es:

…Wenn es Verletzungen des INF Abkommens gegeben haben sollte, hat das INF-Vertragswerk dazu klare Regelungen. Die entsprechende Kommission der beiden Unterzeichnerstaaten muss einberufen werden. … Propagandistische Anklagen helfen nicht weiter und lenken von den wahren Motiven ungehemmter Aufrüstung ab…

Weiter heißt es in der Erklärung der Naturwissenschaftler*innen:

…Als bisher einziges Abkommen hat es (das INF Abkommen W.L.) zur Verschrottung einer ganzen Kategorie von Atomwaffen, also zu realer Abrüstung geführt. …. Dieses …Abkommen ist eine historische Errungenschaft des weltweiten Abrüstungsprozesses und darf nicht einer wahnwitzigen Aufrüstungs- und Konfrontationspolitik des jetzigen Präsidenten der USA Donald Trump und seiner rechtskonservativen Regierung geopfert werden.

Das Ende des INF Vertrages wäre mehr als die Beendigung eines Vertrages, es wäre das Ende einer internationalen Abrüstungs- und Rüstungskontrollpolitik, die Europa und die Welt sicherer gemacht hat vor den Gefahren eines Atomkrieges…Das Ende dieses Vertrages wäre ein schwerer politischer Schlag auch gegen den Atomwaffenverbotsvertrag. Ein ungehemmtes atomares Wettrüsten droht.

Nach der Aufkündigung des Atomabkommens mit dem Iran durch die USA ist die geplante Aufkündigung des INF-Vertrages das zweite Mal, dass die USA aus Verträgen ausscheiden, die Rüstung begrenzen und einen militärischen Konflikt verhindern könnten.

Die internationale Atomenergiebehörde IAEO bestätigte, dass sich der Iran bisher an die Abmachungen des Atomabkommens gehalten habe. Damit war ein wesentlicher Grund für den Aufbau eines Raketenabwehrschirms weggefallen, den die USA mit Hinweis auf die atomare Bedrohung durch den Iran anführten. Diese angebliche Bedrohung der USA durch den Iran fiel zwar weg, an den Plänen für einen Raketenabwehrschirm in Rumänien und Polen wurde aber seitens der USA festgehalten.

“Ein Alptraumszenario für China” stellt German Foreign Policy am 24.10.2018 fest: Mit dem angekündigten Ausstieg der USA aus dem INF-Vertrag drohe eine Rüstungsspirale rings um China. Die USA drängten darauf, US-Mittelstreckenraketen etwa in Japan, Nordaustralien und auf den Philippinen zu stationieren, um das US-Aggressionspotenzial gegenüber China zu stärken.

Die USA erklären schon seit geraumer Zeit, der Vertrag sei nachteilig für die USA, weil Beijing nicht beteiligt sei und Mittelstreckenraketen besitzen dürfe. „Von einem Alptraumszenario für die Volksrepublik ist die Rede, deren angrenzende Meere zu einem operativen Niemandsland würden. In den Regionen Ost- und Südostasiens sowie des Westpazifik, in denen damit ein umfassendes Wettrüsten droht, ist in zunehmendem Maß auch die Bundeswehr unterwegs“ heißt es bei German Foreign Policy.

USA mit Kurs auf Atomkrieg

Trump hatte bei seinem Amtsantritt eine Überprüfung der Nuklearstrategie der USA angekündigt. Wesentliches Ergebnis dieser Überprüfung: Die „Miniaturisierung der Atomwaffen, denn – so die FAZ vom 03.02.2018:

…Strategische Atomwaffen mit ihrem gigantischen Zerstörungspotential reichen nicht zur Abschreckung. Russland setze demnach womöglich darauf, dass Amerika diese Waffen niemals einsetzen würde, da das Risiko eines atomaren Gegenangriffs von ähnlicher Dimension und der damit drohenden Vernichtung von großen Teilen der Menschheit zu hoch sei…

Noch unter Präsident Obama wurde eine „Modernisierung“ der US-Atomwaffenarsenale beschlossen. Ziel ist es, die Atomwaffen zu „miniaturisieren“ und damit gefechtsfeldfähig zu machen. Damit ist die jetzige Orientierung der USA auf atomare Mittelstreckenraketen mit „Miniatomwaffen“ ein weiterer Schritt in Richtung auf einen Atomkrieg. Mit dieser „Modernisierung“ soll die Hemmschwelle für den Einsatz von Atomwaffen gesenkt werden.

Mit miniaturisierten Atomwaffen und einer neuen Generation von Mittelstreckenraketen verbinden die US-Kriegsstrategen offensichtlich die Hoffnung, einen Atomkrieg z.B. in Europa unterhalb der Schwelle eines globalen atomaren Infernos führbar zu machen. Aber diese Vorstellung ist so illusionär wie verbrecherisch.

Für die Friedensbewegung steht damit die dringende Aufgabe, den Kampf gegen neue, mit Atomwaffen bestückten Mittelstreckenraketen und für weltweite atomare Abrüstung zu verstärken.