Am 17. Juli 2018 wurde JEFTA (Japan EU Free Trade Agreement – der Freihandelsvertrag zwischen der EU und Japan) in Tokio im Beisein von Ministerpräsident Abe für Japan, sowie von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Junker und dem Präsidenten des EU-Rates, Donald Tusk für die EU unterzeichnet. Er beinhaltet auch ein weitreichendes „Investitionsschutzabkommen“. Nach dem Scheitern des TPP (Abkommen zwischen einer Reihe von ostasiatischen Staaten und den USA) und dem Einfrieren von TTIP versucht die EU, ihre Freihandelspraxis durch bilaterale Abkommen mit möglichst vielen Staaten (es laufen im Geheimen Verhandlungen mit etwa 60 von ihnen, demnächst geht es vor allem um Lateinamerika!) auf einen Gutteil des Globus auszudehnen. Die Propaganda spricht von JEFTA als „größten Freihandelsraum der Welt“, der etwa 30 Prozent des weltweiten Brutto-Inlandsproduktes und fast 40 Prozent des globalen Handels umfasse. Durch JEFTA sollen die europäischen Exporteure, besonders diejenigen für landwirtschaftliche Produkte, auf die im Schnitt 21% Zoll erhoben wird, etwa eine Milliarde Euro an Zöllen einsparen. Außerdem werden geschützte regionale Bezeichnungen wie Camembert oder Roquefort von Japan anerkannt.

Die Exporte der EU nach Japan beliefen sich 2016 auf 58,1 Mrd. Euro (BRD 18,4 Mrd.), die von Japan in die EU auf 66,5 Mrd. Euro (BRD 22,0 Mrd. = 2,3% der Gesamtexporte). Laut einer Studie der Bertelsmann-Stiftung und des ifo-Instituts soll sich für die BRD nach einer Übergangsphase von zehn Jahren aus dem Abkommen eine Zunahme der Exporte um 8,6 Mrd. Euro p.a., ein Zuwachs der Einkommen um 3,4 Mrd. Euro und ein zusätzliches Wachstum des BIP von 0,11 Prozent ergeben. Natürlich kann man solche Annahmen als Lesen im Kaffesatz bezeichnen.

Bei JEFTA handelt es sich formal um einen völkerrechtlichen Vertrag, daher ist unklar, ob das Abkommen von den Parlamenten der Einzelstaaten abgesegnet werden muss oder über welche Teile die EU-Kommission (ggf. mit Zustimmung des EU-Parlamentes) allein befinden kann. Es verwundert nicht, dass die EU-Kommission das Abkommen wie schon CETA als „EU only“ einstuft. Eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes zum Abkommen mit Singapur, in der diese Fragen des demokratischen Entscheidungsprozesses behandelt werden sollen, steht noch aus. Allgemein lässt sich sagen, dass sich hinter dieser Politik die neoliberale Trinität aus Deregulierung, Privatisierung und Sozialabbau verbirgt, die natürlich vor allem den international agierenden Großkonzernen zu Gute kommt. Unter großem Aufwand wird versucht, uns diese Interessenspolitik als letzten Schrei der Verwirklichung des Allgemeinwohls zu verkaufen.

Seit dem 1. Dezember 2009 fällt die Handelspolitik in die alleinige Zuständigkeit der Europäischen Union. Glaubt man der EU-Kommission, die im Herbst 2015 ihre neue Strategie „Handel für alle“ vorgestellt hat, so profitieren alle, besonders aber die „kleinen und mittleren Unternehmen“ von dieser Handelspolitik. Diese „zukunftsweisende Strategie“ setzt angeblich „auf eine ausgewogene und effektive, auf Werte und Nachhaltigkeitsprinzipien beruhende Handelspolitik“. (…) Die Kriterien „Werte, Transparenz und Wirksamkeit“ bilden das Gerüst. Mit dieser angeblich „wertebasierten Handelspolitik“ verfolge die EU das Ziel, „Wirtschaftswachstum mit sozialer Gerechtigkeit, Menschenrechtsstandards und Normen in den Bereichen Arbeits-, Gesundheits-, und Umweltschutz und Sicherheit zu verbinden und Rechtsstaatlichkeit sowie gute Regierungsführung zu fördern.“ Man sieht, dass die Massendemonstrationen der vergangenen Jahre weniger in der Politik als vielmehr in den Diskursen (früher hätte man gesagt: in der Propaganda) der EU-Kommission ihre Spuren hinterlassen haben. Angeblich unterstützt die EU auch „faire und ethische Handelsabkommen sowie verantwortungsvolle Lieferketten“. Also alles bestens unter der Sonne ?

Die Verhandlungen über JEFTA fanden ab 2013 größtenteils im Geheimen statt. Nur vier Dokumente wurden bis zum Sommer 2017 veröffentlich, darunter die Vorschläge, die kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) betreffend, diejenigen zur „regulatorischen Zusammenarbeit“, sowie die Protokolle der 17. Und 18. Verhandlungsrunde.

Die niederländische Sektion von Greenpeace hackte im Juni 2017 etwa 200 Seiten geheimer Verhandlungstexte, aus denen sich ergab (und die Kritik gilt genauso für das unterzeichnete Abkommen):

  1. Das Abkommen macht es in Zukunft auf nationaler oder kommunaler Ebene schwieriger, neue Regelungen für den Schutz der Arbeitenden oder den Umweltschutz zu erlassen, weil diese als „nicht-tarifäres Handelshemmnis“ gelten können;
  2. Die Auflagen für Umweltschutz unterschreiten noch die bereits im TPP-Abkommen aushandelten Standards;
  3. Bei landwirtschaftlichen Produkten (die jedoch im Handel mit Japan nur eine geringe Rolle spielen) liegen die Standards deutlich unter den europäischen. Im Hinblick auf den Einsatz von Gentechnik sind die japanischen Vorschriften vergleichsweise lax.
  4. „Unnötige Gesetze“ sollen abgeschafft werden. Das betrifft vor allem das Finanzwesen, wobei die „asset backed securities“ explizit erwähnt werden (Art. 8.59), deren Regulierung angeblich zu extensiv sei. Dabei wissen wir doch, dass gerade diese Form der Finanzspekulation in der Finanz- und Wirtschaftskrise von 2008 eine unrühmliche Rolle gespielt hat und viele „Finanzinstrumente“ eigentlich verboten werden müssten.
  5. Der Datenschutz, vor allem auch in den Finanzbeziehungen, soll später in einer „Review Clause“ geregelt werden. Bis zu ihrer Verabschiedung gibt es nur geringen Datenschutz im Datenverkehr zwischen der EU und Japan.
  6. Das Abkommen enthält die „klassische“ „Rachet-Klausel“, was bedeutet, dass einmal privatisierte Betriebe oder Bereiche nicht wieder in öffentliches Eigentum zurückgeführt werden können. Zwar wird die Versorgung mit Trinkwasser von einer möglichen Privatisierung ausgenommen, doch nicht die Abwässer. Heribert Prantl von der „Süddeutschen Zeitung“ hat zu Recht darauf hingewiesen, dass Konzerne, die sich die Abwässer-Reinigung unter den Nagel reißen, schnell auch Zugriff auf das Trinkwasser bekommen könnten.
  7. Die japanische Praxis, wertvolle Hölzer (zumeist illegal) nicht nur aus Südostasien, sondern auch aus Rumänien zu importieren, wir nicht angegangen; es soll nur „der Schutz der Wälder gefördert“ werden, was angesichts brutaler Praxis eine Leerformel darstellt. Die Aufforderungen des EU-Parlamentes und des Bundestages, im Abkommen auf die Beendigung des nach Völkerrecht illegalen Walfangs japanischer Trawler hinzuwirken.
  8. Da die (zumeist in den USA beheimateten) „Schiedsgerichte“ (eigentlich mit Wirtschaft und Handel befasste große Anwaltskanzleien), die Japan gerne als Vertragsbestandteil festgelegt hätte, in Europa auf großen Widerstand – auch in vielen Parlamenten – stießen und bei ihrem Einschluss JEFTA in jedem Fall von den nationalen Parlamenten hätte ratifiziert werden müssen, einigte man sich darauf, das Problem später zu verhandeln. Daher ist man – vor allem auch in der Auseinandersetzung mit dem CETA-Abkommen mit Kanada, auf die Idee verfallen, einen Internationalen Schiedsgerichtshof mit professionellen Richtern und einer Appelationsinstanz zu errichten. Bisher lehnt Japan dieses Konzept ab, so dass man sich in dieser Frage nicht geeinigt hat. Das könnte dann bedeuten, dass in Streitfällen doch die „Schiedsgerichte“ bemüht werden, also sogar die Rechtsweggarantie des bürgerlichen Staates ausgehebelt wird.

Es gibt also mehr als genug Gründe, das Abkommen abzulehnen und vor allem alles dafür zu tun, dass es (wie CETA) von den Parlamenten nicht ratifiziert wird.