Jetzt liegt sie fast vollständig vor, die Rangliste der weltweiten Profite im Jahr 2022. Für die Welt war 2022 vor allem ein Krisenjahr. Nicht so für die Ölkonzerne. Ausschließlich sie stehen ganz oben in der Profitpyramide. Ihre Gewinne sind im vergangenen Jahr regelrecht explodiert. Sie zählen zu den Gewinnern des Krieges um die Ukraine und des Wirtschaftskrieges gegen Russland.

An der Spitze steht die ExxonMobil, die in Deutschland unter dem Namen Esso aktiv ist. Dank kräftig gestiegener Ölpreise hat der us-amerikanische Öl-Multi im vergangenen Jahr mehr verdient als je zuvor: Er steigerte sein Nettoergebnis gegenüber dem Vorjahr um rund 140 Prozent auf 55,7 Milliarden US-Dollar. Der Konzern übertrifft damit auch seinen bisherigen Jahresrekord von mehr als 45 Milliarden Dollar im Jahr 2008 und erzielt das höchste Ergebnis in der mehr als 140-jährigen Geschichte des Unternehmens. Größte Eigentümer sind die Finanzinvestoren Vanguard Group mit 8,95 Prozent und Blackrock Inc. mit einem Aktienanteil von 7,07 Prozent (Stand 30.12.2022).

An zweiter Stelle liegt mit großem Abstand die britisch-niederländische Shell. Auch Shell verzeichnet mit 39,9 Mrd. USD einen neuen Rekordgewinn - in etwa das Doppelte des Vorjahres. Der Ölkonzern die niedrigen Einnahmen aus dem Flüssiggas-Handel - der enorme Zuwachs bei LNG schlägt sich auf den Konten us-amerikanischer Konzerne nieder – wurde durch höhere Preise und Raffineriemargen ausgeglichen. Auch Mehr-Einnahmen aus dem Gas- und Stromhandel kamen dazu. BlackRock Investment Management (UK) Ltd. ist mit einem Akteinpaket von 7,25 Prozent größter Anteilseigner.

Chevron, zweitgrößter US-Ölkonzern, reiht sich an dritter Stelle in den Reigen der großen Profiteure der Energiekrise ein. Die hohen Preise für Öl und Erdgas haben Chevron 2022 den höchsten Gewinn seiner Geschichte beschert. Der Überschuss lag mit rund 35,5 Mrd. USD mehr als doppelt so hoch wie im Vorjahr. Freuen können sich die Aktionäre, es gibt Aktienrückkäufe und höhere Dividenden. Für das Gesamtjahr wurde ein Gewinn je Aktie von 18,83 USD präsentiert, zu 8,13 USD im Vorjahr. Angesichts des Supergewinns wird Chevron ab April Aktien im Wert von 75 Mrd. USD zurückkaufen und so den Aktienkurs pushen. Größte Profiteure sind Berkshire Hathaway, Inc mit einem Akteinanteil von 8,43 Prozent, Vanguard Group Inc. (8,22 Prozent) und Blackrock Inc. (7,00 Prozent). (Stand 31.12.2022)

An vierter Stelle steht überraschenderweise die norwegische Equinor (ehemals Statoil) mit 28,7 Milliarden, die vom EU-Gasboykott für russische Gas und der Sprengung von Nordstream profitiert. Equinor – der norwegische Staat ist mit 67 Prozent größter Eigentümer des Konzerns – hat als nun wichtigster Gaslieferant in Europa die russischen Unternehmen abgelöst.

Noch weiter zurück liegt der britische Ölmulti British Petrol BP. Zur BP Group gehören u.a. auch Aral und Castrol. Zwar konnte auch BP seinen Gewinn im vergangenen Jahr mit 27,7 Milliarden US-Dollar mehr als verdoppeln, aber es reicht nur für den fünften Platz. Die Aktionäre - größte Anteilseigner sind JPMorgan Chase, Blackrock Inc. und Vanguard Group Inc. - sollen von den sprudelnden Gewinnen profitieren und eine um zehn Prozent erhöhte Dividende erhalten. Zudem hält der Konzern an seinem Ziel fest, 60 Prozent seiner überschüssigen Barmittel für Aktienrückkäufe zu verwenden. Belastet wird BP durch den Rückzug aus dem russischen Ölmulti Rosneft, an dem sie zuvor fast 20 Prozent der Anteile gehalten hatten. Allein dadurch musste BP etwa 24 Milliarden US-Dollar abschreiben.

Aufgrund hohen Nachfrage nach Öl und Gas und der hohen Preise korrigierte BP seine Klimaziele - und zwar nach unten: Der Konzern will seine Ölforderung bis 2030 nur noch um 25 Prozent im Vergleich zum Vorjahr kürzen. Zuvor waren 40 Prozent angekündigt.

Die französischeTotal, die am Mittwoch vergangener Woche als letzte ihre Jahresbilanz veröffentlicht hat, konnte mit einem Gewinn von 20,5 Mrd. USD das Ergebnis um 28 Prozent im Jahresvergleich steigern und zugleich eines der besten Betriebsergebnisse eines französischen Unternehmens erzielen. Und das, obwohl der französische Ölriese wegen seines Rückzugs aus Russland fast 15 Milliarden Dollar abschreiben musste.
TotalEnergies profitierte besonders von den hohen Öl- und Gaspreisen, wie das Unternehmen mitteilte.

Gewinne der sechs Öl-Multis größer als das Bruttoinlandsprodukt von halb Afrika

Das sind erschreckende Zahlen: Alle Unternehmen haben ihre Gewinne im Vergleich zu 2021 mindestens verdoppelt. Rechnet man die ersten sechs zusammen, kommt man auf die unglaubliche Zahl von über 200 Milliarden Dollar, mehr als das Bruttoinlandsprodukt von halb Afrika.
Dabei sind die italienische ENI und der weltgrößter Mineralölkonzerns Aramco aus Saudi-Arabien noch gar nicht eingerechnet. Sie geben ihre Zahlen erst noch bekannt. Aramco, mit einem Börsenwert von 2.300 Mrd. USD das weltweit teuerste Unternehmen an der Börse, lässt einen schwindelerregenden Gewinn erwarten, schließlich verbuchte der saudische Ölkonzern bereits in den ersten neun Monaten des vergangenen Jahres einen Nettogewinn von insgesamt 130,3 Milliarden Dollar.

110 Milliarden für die Aktionäre

Die Aktionäre der Unternehmen (von denen nur ein sehr kleiner Teil öffentlich ist) werden ebenfalls gemästet, denn bei derartigen Gewinnen gehen die ausgeschütteten Dividenden in die Milliarden: Sie werden auf insgesamt etwa 110 Milliarden geschätzt. Das lässt die Kassen bei BlackRock und anderen Finanzinvestoren klingeln, die nicht nur bei den Öl-Multis sondern auch bei den Rüstungskonzernen zu den größten Anteilseignern zählen. Für sie ist der Krieg um die Ukraine und der Wirtschaftsboykott gegen Russland in jeder Hinsicht ein Riesengeschäft.

Diese Zahlen fallen auch im Kampf gegen den Klimawandel und die Dekarbonisierung schwer ins Gewicht: Die Lobbys der Erdölkonzerne sind überall auf der Welt am Werk, um die Umweltgesetzgebung zu verwässern und ihre Greenwashing-Operationen zu subventionieren, um so zu tun, als seien sie für eine Reduzierung der Schadstoffemissionen.

Bei der nächsten Weltklimakonferenz, die für Ende November 2023 geplant ist, wird sich der Einfluss der Öl-Lobby direkt zeigen: Sultan Ahmed Al-Jaber, Vorstandsvorsitzender der nationalen Ölgesellschaft der Vereinigten Arabischen Emirate, wurde nämlich zum Vorsitzenden der Cop28 ernannt, die in dem reichen Golfstaat Dubai stattfinden wird. Al-Jaber leitet nicht nur die Abu Dhabi National Oil Company, sondern ist auch Industrieminister der VAE und Sondergesandter für den Klimawandel. Er wird der erste CEO sein, der einer COP vorsitzt: "Wir werden einen pragmatischen, realistischen und lösungsorientierten Ansatz einbringen", sagte er.

 Übergewinnsteuer kommt doch. Aber zaghaft

Diese Profitexplosion – bezahlt von den Verbraucherinnen und Verbrauchern, die für die hohen Energiepreise teuer bezahlen müssen -, haben die Forderung nach einer Besteuerung der Extraprofite, die bisher in allen Ländern auf Sparflamme behandelt wird, wieder aufflammen lassen.

Anfang Oktober hatte der Rat in Brüssel als Reaktion auf die hohen Energiepreise eine EU-Verordnung beschlossen, die bis Ende des vergangenen Jahres umgesetzt werden musste. Der Plan der Europäischen Kommission zu den Extraprofiten sah eine 33-prozentige Abgabe auf jeden steuerpflichtigen Gewinn in den Jahren 2022 und 2023 vor, der den durchschnittlichen Gewinn der Jahre 2018 bis 2021 um mindestens 20 Prozent übersteigt. Nun drängen jedoch mehrere Parlamentarier verschiedener Fraktionen darauf, die Prozentsätze zu erhöhen und die Regelung zu verschärfen, um ihr Anwendungsbereich zu erweitern.

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hatte sich lange gegen eine solche Steuer auf Extra-Profite gewehrt. Erst auf Druck der EU kommt die Sonderabgabe für Öl- und Gasunternehmen nun doch. Das Bundesfinanzministerium will die Extra-Gewinne von Mineralöl- und Gasunternehmen mit einem Steuersatz von 33 Prozent besteuern. Dabei handelt es sich um den Mindestsatz, den jene EU-Verordnung beschreibt. Die Einnahmen will der Bund genauso wie die Abschöpfung von Zufallsgewinnen im Strombereich zur Deckung der Finanzierung der Strompreisbremse nutzen. Die zusätzlichen Einnahmen des Bundes werden auf ein bis drei Milliarden Euro beziffert.

Der Linken-Co-Parteivorsitzende Martin Schirdewan kritisierte, dass die Bundesregierung mit ihrem Tankrabatt im Sommer zu den hohen Gewinnen der Ölkonzerne beigetragen habe. Die geplante Übergewinnabschöpfung hingegen sei zu niedrig und greife zu spät.

Andere europäische Länder haben schneller und zum Teil härter gehandelt. Am Härtesten trifft es die Norweger: Equinor wird rund 40 Milliarden Euro an Steuern zahlen. Eine sehr hohe Zahl, vor allem im Verhältnis zur geringen Einwohnerzahl: Die Regierung von Oslo wird aus diesen Sondereinnahmen pro Einwohner bis zu 7.361 EUR ausgeben können.

Unglaublicherweise beschweren sich die Ölgesellschaften sogar noch über die schwachen Vorschriften, die erlassen wurden, und behaupten, dass "Steuern auf zusätzliche Gewinne eine umstrittene Maßnahme sind, weil sie von Investitionen abschrecken". Der Vorstandsvorsitzende von Saudi Aramco, Amin Nasser, erklärte vor einigen Tagen: "Die Dekarbonisierung der vorhandenen Ressourcen kostet auch eine Menge Geld, daher brauchen wir gleichzeitig die Unterstützung der politischen Entscheidungsträger und der Kapitalmärkte."

Exxon hat die EU wegen der neuen Steuer auf Extra-Gewinne verklagt. Die Europäische Union habe damit ihre Befugnisse überschritten, sagte ein Sprecher des US-Konzerns, der die Öffentlichkeit über Jahrzehnte belogen hat und dadurch Hunderte Milliarden abkassieren konnte.