- Wie groß die wirtschaftlichen Schäden sein werden, hängt ab
- von Dauer und Ausmaß der Pandemie
- von den wirtschaftspolitischen Maßnahmen
- und davon, ob sich in den Finanz- und Kreditmärkten größere Blasen verstecken, die zum Platzen kommen könnten.
- Dass die Weltwirtschaft, aber vor allem die deutsche Wirtschaft 2020 in eine Rezession abrutschen werden, ist bereits beim derzeitigen Stand sehr wahrscheinlich. Schon vorher waren für Deutschland Rezessionssignale sichtbar. Auch die Vorhersagen für die europäische Wirtschaft waren mit vom IWF prognostizierten 1,0% eher verhalten, inzwischen wurden sie für die Eurozone auf 0,1% gesenkt (OECD). In der Währungsunion werden vor allem Italien und Deutschland das BIP nach unten ziehen.
- Bei den wirtschaftspolitischen Maßnahmen geht es vor allem darum, Einnahmeausfälle der Unternehmen auszugleichen und damit Pleiten, Arbeitslosigkeit und eine Spirale nach unten zu verhindern.
Anders als nach der Eurokrise spielt die EZB derzeit dabei keine entscheidende Rolle. Die bisher angekündigten Maßnahmen der EZB sind nicht passgenau und haben einen Konstruktionsfehler: Sie bewegen sich logischerweise im Rahmen der Geldpolitik, die derzeit aber nicht wesentlich weiterführt. Konkret verspricht die EZB weitere Liquiditätsspritzen für Banken durch ein zusätzliches Anleihe-Kaufprogramm über 120 Milliarden €. Das kann begrenzt dabei helfen, dass Banken Kredite stunden oder verlängern. Insgesamt ist es allerdings untauglich, Banken zum Kampf gegen die Rezession zu beauftragen, da man damit den Bock zum Gärtner macht. Wieso sollten profitmaximierende Banken gerade den Betrieben, die wegen Einnahmeausfällen vor der Pleite stehen, risikobehaftete Kredite geben?Die Zinspolitik der EZB spielt bei der Bekämpfung der wirtschaftlichen Coronaschäden ebenfalls nur eine untergeordnete Rolle, da die Leitzinsen ohnehin schon bei Null oder im Negativbereich liegen und hier kein Handlungsspielraum mehr besteht.
Auch die EU blamiert sich eher mit einem 25 Milliarden-Fonds, der aus einigen freien Mitteln und Umfinanzierungen aus den Strukturfonds gebildet wird. Die Mittel sind auf die Größe der EU gerechnet gering, ihre Verwendung unklar.
Unerwartet ist die Bundesregierung etwas kräftiger unterwegs. Sie hat angekündigt, unbegrenzt Finanzmittel zur Verfügung zu stellen. Diese Gelder können Firmen in Form von Überbrückungskrediten und Bürgschaften von der bundeseigenen KfW (Kreditanstalt für Wiederaufbau) erhalten. Zusätzlich gibt es Erleichterungen beim Kurzarbeitergeld. Typisch kapitalfreundlich ist allerdings, dass nur bei den Firmen und nicht auch bei den Beschäftigten, über Kurzarbeitergeld hinausgehend, krisenbedingte Verdienstausfälle kompensiert werden sollen.
Die von Bund und Ländern angekündigten Maßnahmen können sich insgesamt aber durchaus positiv auswirken und die Krisenfolgen mildern. Anschließend wird sich allerdings schnell die Frage stellen, wer für die Kosten aufkommt.
- Wo sich Blasen gebildet haben ist, derzeit schlecht einschätzbar. Die Verluste an den Aktienmärkten müssen nicht unbedingt das Hauptthema sein. Es gibt Hinweise darauf, dass sich eventuell eine übermäßige Kreditfinanzierung von unrentablen kleineren und mittleren Firmen herausgebildet hat. Diese Tendenz dürfte in Deutschland keine entscheidende Rolle spielen, da hier die Verschuldung der Unternehmen zumindest im Schnitt niedrig ist, könnte aber in anderen EU Ländern ein Problem werden. Eine größere, durch die Pandemie ausgelöste Pleitenwelle wiederum, könnte zu einer Bankenkrise führen, die erneut das Thema „Bankenrettung“ auf die Tagesordnung setzen würde.
- Die Vergabe von Krediten ist eine erste Überbrückungshilfe, die den Einbruch der Wirtschaftstätigkeit ein wenig abfedern kann. Durch die anschließend fälligen Kreditrückzahlungen werden die aktuellen Einnahmeverluste aber lediglich in die Zukunft verschoben. Es ist also zu erwarten, dass unabhängig von der Entwicklung der nächsten Wochen, auch längerfristig, für die kommenden Jahre, eine fühlbare Reduzierung des deutschen (und europäischen) Wirtschaftswachstums die Folge der Coronakrise sein wird.
- Nach dem ersten Abflauen der Pandemie wird eine Diskussion darüber entstehen, wer die Kosten für die staatlichen Hilfen tragen soll. Derzeit wird beispielsweise das Kurzarbeitergeld aus Reserven der Bundesanstalt für Arbeit gezahlt. Das heißt, die Finanzierung erfolgt aus einer Solidarkasse der Beschäftigten. Oder anders gesagt: Die Regierung vergibt großzügig unsere eigenen Gelder, statt zusätzliche, von der EZB finanzierte Budgets bereitzustellen.
In einigen Kommentaren in den Medien deutet sich derzeit schon an, dass die Neoliberalen so schnell wie möglich wieder zur schwarzen Null zurückkehren wollen und im EU-Rahmen die Drangsalierung vor allem Italiens durch eine Verschärfung des „Stabilitätspaktes“ fortsetzen wollen. Damit würden aber die Kosten der Corona-Krise auf die Mehrheit der arbeitenden Bevölkerung in Deutschland und der EU abgewälzt. Das Totsparen der staatlichen und öffentlichen Einrichtungen zulasten der Menschen würde sich fortsetzen. Auch hier ergeben sich Aufgaben für eine alternative linke Wirtschaftspolitik. Die Auseinandersetzung um die schwarze Null wird weitergehen.
- Obwohl bisher die hauptsächlich betroffenen Wirtschaftsbereiche nicht die Industrie, sondern Tourismus, Gastronomie und Kultur sind, stellt sich die Frage nach der Verwundbarkeit und Risikobehaftung der globalen industriellen Lieferketten. Vor allem die Abhängigkeit von chinesischen Importen wird der ohnehin schon begonnenen Diskussion über eine Entglobalisierung/Renationalisierung/Europäisierung von Produktionslinien Auftrieb geben. Damit verbunden wird eine verstärkte Auseinandersetzung über deutsche/europäischen Industriepolitik zu erwarten sein. Dadurch könnten Ansatzpunkte für eine linke, alternative Wirtschaftspolitik in Richtung sozial-ökologischer Umbau entstehen.
- Die Ideologe des Neoliberalismus und der Marktsteuerung erlebt gerade das nächste Desaster. Bei jeder Krise müssen sich die angeblich optimalen, deregulierten Märkte erneut vom Staat retten lassen.
- Und nicht zuletzt steht das Gesundheits- und Krankenhaussystem im Blickpunkt. Ein bereits aufgetauchtes Problem sind fehlende Pflegekräfte in den Kliniken, vor allem im Intensivbereich. Bei einer weiteren Ausbreitung der Pandemie wird sich zeigen, dass die Ökonomisierung und Privatisierung des Gesundheitswesens negative Folgen für die flächendeckende Versorgung hatte.