Aktuell zeigt sich, welche Strategien Unternehmen hinsichtlich der Energiekrise mit dem mobilen Arbeiten verbinden. Der nahende Winter macht deutlich: Die steigenden Energiekosten sollen auf die Beschäftigten verlagert werden. „Otto heizt Bürogebäude nur noch auf 15 Grad – und setzt auf Homeoffice“, beschreiben Medien die Vorbereitungen der Otto Group auf den Winter. Aufgrund der Energiekrise hat die Bundesregierung in einer Verordnung die normalerweise für private Unternehmen gültigen Mindesttemperaturen abgesenkt. Um Energie zu sparen, senkt der Versandkonzern die Raumtemperaturen in vielen Bürogebäuden, an mehreren Standorten, auf 15 Grad Celsius. Das Unternehmen sehe sich in einer „gesamtgesellschaftlichen Herausforderung“, so Vorstand Petra Scharner-Wolff. Angestellte sollen nach Möglichkeit ins Homeoffice umziehen und die gestiegenen Energiekosten sollen so auf die Beschäftigten verlagert werden.

Homeoffice als Mittel zur Kostensenkung

Aber nicht nur dabei soll auf Kosten der Belegschaft gespart werden. Denn mobiles Arbeiten wird zunehmend mit „Desk-Sharing“-Konzepten verknüpft. Gerne wird mit Sachzwängen argumentiert: „Automatisierung, Big Data und künstliche Intelligenz haben eine rasante Entwicklungsgeschwindigkeit“, gibt die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) die Linie vor. Daraus folgen neue Bürokonzepte: „Desk-Sharing“. Bei Neubaukonzepten sollen Kosten gesenkt werden, so dass etwa bei 400 Beschäftigten statt für jeden einen Arbeitsplatz insgesamt nur 300 „flexible“ Plätze eingerichtet werden. Zum Arbeitsbeginn suchen die Arbeitenden einen Platz – sollte keiner mehr vorhanden sein, soll per Laptop in Team-Räumen oder mobil zuhause gearbeitet werden. Wichtig sei dabei eine „Clean Desk Policy“, wobei jeder Beschäftigte den Schreibtisch am Ende seiner Arbeitszeit wieder vollständig aufräumen muß. Die rechtlichen Vorgaben spielen kaum noch eine Rolle. Für Arbeitnehmer sind die erforderlichen Arbeitsmittel vom Unternehmen zu beschaffen. Dies ergibt sich aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB). In § 670 heißt es dazu:

Macht der Beauftragte zum Zwecke der Ausführung des Auftrags Aufwendungen, die er den Umständen nach für erforderlich halten darf, so ist der Auftraggeber zum Ersatze verpflichtet.

Beim Arbeiten zuhause versuchen die Unternehmen oftmals diese Pflicht zu umgehen:

  • zumeist indem behauptet wird, es liegt keine Telearbeit nach Arbeitsstättenverordnung vor,
  • indem Beschäftigte unter Druck gesetzt werden: Anträge auf das Arbeiten zuhause werden oftmals mit der Forderung verknüpft, den Bildschirmarbeitsplatz in der Wohnung durch den Beschäftigten einrichten zu lassen.
  • und auch Aufwandsentschädigungen für Miete, Energie und Reinigung entfallen so.

Verantwortung auf Beschäftigte verlagern

Neue Formen der Arbeitsorganisation, wie auch die Arbeit im Homeoffice, werden von Unternehmensvertretern oder Managementberatern gerne mit positiven Begriffen versehen. Einen „Aufbruch zu mehr Freiheit“ sieht Thomas Sattelberber[1]. Was das konkret bedeutet, zeigt sich bei Fragen zur Qualifizierung. „E-Learning ist auf dem Vormarsch“, beschreibt das Institut der deutschen Wirtschaft einen Trend in den Betrieben. Insgesamt nutzen acht von zehn Unternehmen digitale Lernmedien. Gut zwei Drittel aller Unternehmen sehen in der Nutzung digitaler Lernmedien ein wichtiges Instrument, um mit der Digitalisierung Schritt halten zu können, belegt eine Untersuchung des IW-Instituts. Die Trennung zwischen Arbeit und Lernen wird in vielen Bereichen zunehmend aufgehoben. Die neue Technik verspricht zunächst Vorteile: Das Lernen kann unabhängig von Seminarveranstaltungen erfolgen und ist an keine festen Zeiten gebunden, kann sich flexibel nach den Bedürfnissen der Arbeitnehmer richten. „Größter Vorteil des digitalen Lernens ist, dass es sich leicht in den Arbeitsalltag integrieren lässt“, sagt IW-Wissenschaftlerin Susanne Seyda. Aus Sicht der Beschäftigten ergeben sich aber auch erhebliche Risiken: Häufig mangelt es an ungestörten Lernzeiten. Die jetzigen Pläne der Unternehmen, Energiekosten durch mobile Arbeit zu senken, passen von daher in die Managementstrategien zu mobiler Arbeit. Dabei warnen Betriebsärzte vor zu kalten Büros. „Eine Höchsttemperatur von 19 Grad am Arbeitsplatz ist aus Sicht von Betriebsärzten nicht für jede körperlich leichte Arbeit geeignet“, meldet DER SPIEGEL. Das betreffe insbesondere dauerhafte Tätigkeiten, bei denen die Beschäftigten nicht zwischendurch aufstehen und sich bewegen könnten, so der Präsident des Verbands Deutscher Betriebs- und Werkärzte, Wolfgang Panter. Den Unternehmen ist es egal – Kostensenkung ist das Gebot der Stunde.