Auf der Grundlage der langjährig existierenden südostasiatischen Staatengemeinschaft ASEAN vereinbaren ihre 10 Mitglieder mit China und den Staaten Japan, Australien, Südkorea und Neuseeland eine „regionale, umfassende Wirtschaftspartnerschaft“, die Regional Comprehensive Economic Partnership (RCEP).
Gemeinsam vereinbarte Handelsregeln sollen den Warenverkehr von Gütern und Dienstleistungen erleichtern sowie die Zusammenarbeit auf den Gebieten des digitalen Handels und der Telekommunikation sicherstellen. Bemerkenswerterweise geht das neuartige Freihandelsabkommen weit über bisher etablierte Vereinbarungen hinaus, in dem RCEP grenzüberschreitende Investitionen und Fragen zum Umgang mit geistigem Eigentum, Streitschlichtung durch Schiedsgerichte und Finanzen regelt.
Mit der 15 Staaten umfassenden Freihandelszone RCEP entsteht ein integrierter regionaler Wirtschaftsraum mit einem anzunehmendem riesigen Entwicklungspotential, der gegenwärtig 30% des Weltwirtschaftsleistung abdeckt und neben einem Impuls zur Erholung der Weltwirtschaft vor allem die Wohlstands-Entwicklung in der Asien-Pazifik-Region vorantreiben wird. In dem neu entstehenden Wirtschaftsraum leben 2,2 Mrd. Menschen.
Die beteiligten Volkswirtschaften beabsichtigen, sich im Asien-Pazifik-Raum noch stärker zu verzahnen und Tendenzen der nationalen Abschottung entgegenzuwirken. Mit der Unterzeichnung des Abschlussdokuments eines über 8 Jahre dauernden Abstimmungs-prozesses haben sich alle Mitglieder dazu verpflichtet, Zölle zu senken, die Märkte zu öffnen und Eintrittsbarrieren zu verringern. Es handele sich nach den Worten von Wang Shouwen, Chinas Vizeminister für Handel, um eine „moderne, umfassende und hochrangige Win-win-Vereinbarung“. Auf Grundlage des Abkommens würden die Mitgliedsstaaten ihre Zölle im kommenden Jahrzehnt auf null senken.
Multilateralismus und freier Handel
Das Abkommen wird von den Unterzeichnerstaaten überwiegend als ein starkes Signal für Multilateralismus und freien Handel bewertet. Dies trägt dazu bei, Asien perspektivisch von seiner Orientierung auf den Handel mit dem Westen zu lösen und seine Eigenständigkeit zu stärken.
Bemerkenswerterweise führt die Unterzeichnung des RCEP auch zu einer Entspannung der historisch belasteten Beziehung zwischen China und Japan, indem die beiden Staaten eine Vereinbarung zur Stärkung des wirtschaftlichen Austausches durch die bilaterale Senkung von Zöllen erzielt haben. Dieser historische Durchbruch wird nach Auffassung beider Seiten dabei beitragen, ein hohes Maß an Handelsliberalisierung in der Region zu erzielen.
Indien
Am Ende hing das Abkommen besonders an Indien, das sich unter der hindunationalistischen Vorherrschaft des Präsidenten Modi aus dem multilateralen Abstimmungsprozess n zurückgezogen hatte. Die aktuelle politische Ausrichtung zielt auf einen verschärften Nationalismus nach Außen insbesondere gegenüber China ab. Die Regierung suspendierte angesichts einer drastisch fallenden Börsenkapitalisierung ausländische Direktinvestitionen zum Schutz der einheimischen Unternehmen. Indien scheint einen Weg der bilateralen Kooperation zu Lasten von Freihandel und Weltmarktintegration zu verfolgen. Es mag absurd anmuten, wenn die dafür vorgesehenen Länder Japan und Australien zu den Unterzeichnern des neuen Freihandelsabkommen RCEP zählen. Der Grund dürfte vermutlich in Indiens traditioneller asiatischen Gegnerschaft zu China liegen, deren wachsende Wirtschaftskraft den Eigeninteressen von Indien zuwiderläuft.
Indien bleibt erstmal „dem möglichen Kern eines eigenständig werdenden Asiens fern“.
Die neue Freihandelszone RCEP scheint nicht in Konkurrenz zu dem seit Jahren existierenden asiatisch-pazifischen Freihandelsabkommen CPTPP zur Förderung einer Trans-Pazifischen Partnerschaft zu stehen. Ein Teil der beteiligten Staaten gehört derzeit beiden ökonomischen Interessengemeinschaften an.
Bis im Jahr 2017 gehörten auch die USA dem Freihandelsabkommen CPTPP (vormals TPP) an) Seinerzeit war die Trump-Administration nicht willens, Konditionen der gegenseitigen Akzeptanz von fairer Partnerschaft zu akzeptieren. Die USA entschieden sich mit ihrer widersprüchlichen „America first“ Hegemonie-Arroganz für den Ausstieg aus dieser Vereinbarung. Die asiatisch-pazifischen Staaten Vietnam, Singapur, Indonesien, Malaysia, Thailand, Philippinen, Myanmar, Brunei, Laos und Kambodscha machten trotz der zum Teil bestehenden bilateralen wirtschaftlichen und auch militärischen Abhängigkeiten zu den USA deutlich, nicht länger dem US-Diktat uneingeschränkt Folge leisten zu wollen.
Das neue Freihandelsabkommen und die USA
Für die Vereinigten Staaten bringt das RCEP-Abkommen nach Einschätzung von Jörg Kronauer mehrere Rückschläge: „Zum einen beantwortet es die US-Bestrebungen, eine ‘*Entkopplung’ möglichst vieler Länder von China zu erzwingen, mit einer Stärkung der ökonomischen Integration. Dabei steht die Volksrepublik, die längst bedeutendster Handelspartner fast aller RCEP-Staaten ist, im Mittelpunkt“. Der aus den US-Präsidentschaftswahlen hervorgegangene Wahlsieger Joe Biden verwies in einem Artikel über auswärtige Angelegenheiten zu Beginn des Jahres auf das von den USA konstruierte internationale System, das begründet, „warum Amerika führen muss“. Biden versprach, dass er als Präsident „sofortige Schritte unternehmen werde, um … Amerika die Welt führen zu lassen“ und implizit den Rest der Welt dazu zu bringen, sich der Führung der USA zu unterwerfen. Mit anderen Worten, er würde ein US-Imperium verteidigen und ausbauen, in dem Washington anderen Ländern diktiert. Der neu designierte US-amerikanische Präsident bringt also, wenig abweichend von der bisherigen außenpolitischen Position der USA zum Ausdruck, dass ein von den USA sorgfältig aufgebautes hegemoniales System u.a. ein System des internationalen Handels ist, das auf der Annahme beruht, dass Hindernisse für die Expansion global agierender amerikanischer Konzerne, als Hauptprofiteure des globalisierten Handels, ein Gräuel sind; und somit müsse die Weltwirtschaft amerikanisiert werden.
Grundsätzlich bleibt aber anzumerken, dass Freihandel entgegen einem hegemonialen Diktat nicht zwangsläufig immer und für alle positiv ausfällt. Entgegen der theoretischen Annahme, dass im freien Handel keine Nachfrageprobleme entstehen, setzt etwa die Theorie von den sinkenden Terms of Trade bei der Frage der arbeitsintensiven Produkte an, die im Austausch gegen technologie- und kapitalintensive Produkte prinzipielle Nachteile haben.
Die 15 Unterzeichnerstaaten des asiatisch-pazifischen Freihandelsabkommen setzen mit RCEP ein Zeichen des erstarkten Multilateralismus im asiatisch-pazifischen Wirtschaftsraum. Handel soll zur wirtschaftlichen Entwicklung und Aufbau von Wohlstand in den beteiligten Ländern eingesetzt werden. Die Grundlage dafür liefert eine stimmige und gleichberechtigt anmutende wirtschaftspolitische Vereinbarung.