Ende Juni 2020 kam es im Mediationsverfahren in Sachen „Glyphosat“ zu einer Einigung, die Zahlungsverpflichtungen in einer Größenordnung von rund elf Milliarden Dollar umfasst. Damit will BAYER den Fall endgültig zu den Akten legen und wieder „Kurs auf die Zukunft nehmen“.
Am 24. Juni 2020 vermeldete BAYER die Einigung in dem Mediationsverfahren um die Klagen von Glyphosat-Geschädigten, das der Jurist Kenneth Feinberg leitete. Mit der Zahlung von 8,8 bis 9,6 Milliarden Dollar möchte der Konzern drei Viertel der anhängigen 125.000 Fälle abschließen. 1,25 Milliarden hält er für potenzielle künftige Vereinbarungen mit Patient*innen vor, die am Non-Hodgkin-Lymphom leiden. (Non-Hodgkin-Lymphome sind laut Deutscher Krebsgesellschaft bösartige Erkrankungen des Lymphgewebes. Da sich im gesamten Körper Lymphgewebe befindet, können Non-Hodgkin-Lymphome überall im Körper entstehen. Die Lymphknoten sind bei Non-Hodgkin-Lymphomen am häufigsten betroffen, aber auch andere Organe wie Lunge, Leber, Knochenmark und Milz können – vor allem in fortgeschrittenen Krankheitsstadien – befallen sein.) Für die Krebskranken bleiben so pro Person nur 60.000 bis 70.000 Dollar übrig; ein Nichts in Anbetracht der geraubten Lebensjahre. Zum Vergleich: Im ersten vor Gericht ausgetragenen Glyphosat-Prozess erhielt der Schul-Hausmeister Dewayne Johnson 39 Millionen Dollar an Schadensersatz zu-gesprochen.
Überdies beabsichtigt der Leverkusener Multi, allen, die in Zukunft durch das von ihm unter dem Produkt-Namen ROUNDUP vermarktete Pestizid Gesundheitsschäden erleiden, den Rechtsweg zu verbauen. „[O]b ROUNDUP das Non-Hodgin-Lymphom verursachen kann“, soll ein „unabhängiges Wissenschaftsgremium (Class Science Panel)“ entscheiden. „Dadurch wird diese Entscheidung anstelle von Jury-Verfahren wieder in die Hände sachkundiger Wissenschaftler gegeben“, befindet der Global Player. Allerdings braucht er für diese „Justizreform“ noch den Segen der Gerichte.
Verantwortung für die Risiken und Nebenwirkungen des Herbizids übernimmt BAYER mit den Vereinbarungen nicht. „Sie enthalten keinerlei Eingeständnis einer Schuld oder eines Fehlverhaltens“, hält die Aktien-Gesellschaft fest. Dabei liegen eben dafür eindeutige Beweise auf dem Tisch, welche auch die jetzige BAYER-Tochter MONSANTO schon seit Langem kennt. So informierte ein Beschäftigter die Toxikologin Donna Farmer, laut internen Firmen-Dokumenten, bereits im Jahr 2008 über eine Untersuchung, die einen eindeutigen Zusammenhang zwischen Glyphosat und dem Non-Hodgkin-Lymphom belegt. „Die Fall-Kontroll-Studie ergibt ein Chancen-Verhältnis von 2,02 für Glyphosat-Exposition“ (eine zweifache Wahrscheinlichkeit, die Krankheit zu bekommen), hieß es in der Mail. „Uns ist dieses Dokument schon seit einiger Zeit bekannt, und wir wussten, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis die Aktivisten es aufgreifen“, antwortet Farmer und geht sofort zum Praktischen über: „Wie bekämpfen wir das?“
Warnungen vor der Gefährlichkeit des Mittels muss der Konzern aber trotzdem nicht auf den Glyphosat-Behältnissen anbringen, obwohl Vergleiche in Produkthaftungsverfahren sonst immer mit dieser Verpflichtung einhergehen. Aber die US-Regierung entband den Leverkusener Multi unlängst von diesem Zwang. Daran stieß sich James Hayes, einer der US-amerikanischen Glyphosat-Kläger, gegenüber der Coordination gegen Bayer-Gefahren (CBG) besonders: „Es ist enttäuschend zu hören, dass keine Warnhinweise auf ihren (BAYER-)Produkten erscheinen werden.“
Die Medien feierten den Deal derweil als Befreiungsschlag. Gabor Steingart etwa fand in seinem Morning Briefing zu diesen Worten: „Der Chef der BAYER AG hat einen fulminanten Durchbruch erzielt. Er wird knapp zehn Milliarden Euro an die Glyphosat-Kläger überweisen und ist das leidige Thema damit los.“ Das wird die CBG allerdings zu verhindern wissen.