Auf der Internationalen Automobilausstellung (IAA) Ende September in Frankfurt kletterten Greenpeace-Aktivisten auf die Dächer von ausgestellten SUVs (Sport Utility Vehicles) und enthüllten Transparente mit der Aufschrift „Ich bin ein Klimakiller“.
Mit solchen Klimakillern macht der VW-Konzern Bombenprofite, wie aus dem Bericht über die ersten drei Quartale des laufenden Geschäftsjahres hervorgeht, den Finanzvorstand Frank Witter am 30. Oktober erläuterte. Danach stiegen die Umsatzerlöse im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 6,9 Prozent auf 186,6 Milliarden Euro, das „operative Ergebnis“ (aus der laufenden Geschäftstätigkeit) um 11,2 Prozent auf 14,8 Milliarden Euro und der Gewinn vor Steuern um 17 Prozent auf 14,6 Milliarden Euro. Der große Gewinn-Turbo war dabei der so genannte Stadtgeländewagen SUV. „Das ist der ganz große Treiber“, sagte Witter. Und: „Wir wachsen vor allem im margenstarken SUV-Segment“. Soll heißen, bei den SUVs ergeben sich die größten Gewinnspannen, die mit höheren Stückzahlen und den damit verbundenen Skalen-Effekten (Kostendegression) weiter zunehmen. In den ersten neun Monaten des Vorjahres war jedes vierte ausgelieferte Fahrzeug des Konzerns ein SUV, 2019 bereits jedes dritte Auto.
Infolge des SUV-Booms strotzt Volkswagen vor finanzieller Kraft. Die Netto-Liquidität im Automobilgeschäft betrug Ende September 19,8 Milliarden Euro. Der Konzern will diese Finanzkraft für gigantische Investitionen in den nächsten Jahren nutzen: insgesamt 44 Milliarden Euro. Bis 2023 will VW rund 30 Milliarden Euro in die Transformation zum Elektroauto aufwenden. Weitere 14 Milliarden Euro sollen in die Digitalisierung, das autonome Fahren und Mobilitäts-dienste investiert werden.
Die hohe Liquidität zeigt, dass Volkswagen, die Kosten des Abgasskandals, der vor vier Jahren von den US-Umweltbehörden aufgedeckt wurde, ohne Gewinneinbußen weggesteckt hat. Die Schadensersatzzahlungen für die Diesel-Manipulationen schlagen mittlerweile mit 30 Milliarden Euro zu Buche. Und das ist noch nicht das Ende, denn bislang hatte es nur in Nordamerika Entschädigungszahlungen für Diesel-Käufer gegeben. Inzwischen klagen Hunderttausende von betroffenen Kunden auch in Deutschland und Europa Schadensersatz ein. Nicht quantifiziert und einklagbar ist der Schaden, der für das Klima infolge der gefälschten Abgaswerte entstand.
Die ökologischen Auswirkungen der „Klimakiller“ – Energieagentur (IEA): Klimaziele geraten unter die Räder der SUVs
Während VW und andere Autokonzerne mit Pseudogeländewagen das große Geschäft machen, schlägt die Internationale Energieagentur (IEA), eine Einrichtung der OECD, SUV-Alarm. In einem Vorab-Kommentar zu einer Studie, die Mitte November im Rahmen des „World Energy Outlooks“ der IEA erscheint, stellt die Verfasserin der Studie, Laura Cozzi fest: „Die wachsende Präferenz für SUVs stellt die Emissions-Reduzierungen im PKW-Markt infrage“.
Während im Jahr 2000 35 Millionen SUVs unterwegs waren, sind es heute bereits 200 Millionen. Zwischen 2000 und 2018 „waren SUV allein verantwortlich für das Wachstum der Ölnachfrage durch PKW um 3,3 Millionen Fass pro Tag“, heißt es in der Studie.
Durch den zusätzlichen Ölverbrauch verursachten die „Stadtgeländewagen“ in diesem Zeitraum den zweitgrößten Beitrag zum Anstieg der weltweiten CO2-Emissionen – mehr als der Anstieg durch die Schwerindustrie (enthält die Bereiche Eisen und Stahl, Zement, Aluminium), mehr als der Anstieg durch die größeren LKW-Flotten sowie durch Luftfahrt und Schifffahrt (trotz Container- und Kreuzschifffahrt). Während die restlichen PKWs mit Verbrennungsmotor durch Effizienzgewinne in dem genannten Zeitraum 75 Millionen Tonnen CO2-Emissionen einsparten, stießen die SUVs das Siebenfache – 544 Millionen Tonnen – mehr an CO2 aus. Ein SUV verbraucht nach den Angaben von IEA im Schnitt um ein Viertel mehr an Sprit als ein mittelgroßer normaler PKW. Nicht eingerechnet sind dabei jene Mehr-Emissionen und Ressourcen, die bei der Herstellung und den Reparaturen der großen Fahrzeuge entstehen. Unberücksichtigt sind auch die größeren Fahrbahnschäden durch die fast doppelt so schweren Pseudogeländewagen (2,3 bis 2,5 Tonnen Gewicht; Golf etwa 1,3 Tonnen).
Global sind inzwischen 40 Prozent der Neuwagen SUVs – vor zehn Jahren waren es erst 20 Prozent. In den USA machen SUVs bereits 50 Prozent der Neuzulassungen aus, in China sind es 40 Prozent, in Europa ist es jeder dritte Wagen – Tendenz weiter steigend (siehe oben: VW-Superprofite). Bei dem jetzigen Modell- und Verkaufsmix werden vor allem die deutschen Autobauer das von 2020/21 geltende CO2-Ziel der EU beim Flottenverbrauch von 95 Gramm CO2 pro Kilometer nicht einhalten können. Die Konzerne müssen dann mit Strafzahlungen in Milliardenhöhe rechnen.
Beim „Autogipfel“ von Politik und Wirtschaft am 04. November 2019 waren die CO2-Vorgaben und das Ausbremsen der SUV jedoch kein Thema. Beschworen wurde der Umstieg auf das Elektroauto. Die Autokonzerne werden weiterhin ihre Spritschlucker, Luftverschmutzer und Klimakiller in den Markt drücken. Laura Cozzi kommt in ihrem Kommentar zu dem Ergebnis: „Wenn der Konsumenten-Appetit auf SUVs im gleichen Tempo wächst wie in der vergangenen Dekade, werden die SUVs 2040 zusätzlich einen globalen Öl-Bedarf von fast zwei Millionen Barrel pro Tag erfordern und damit die Energieeinsparung durch 150 Millionen Elektroautos kompensieren“.
„Das Beste an der Party ist vorbei“, meint VW-Finanzvorstand Witter angesichts stagnierender, gar rückläufiger Verkaufszahlen im globalen Automobilgeschäft. Das gelte insbesondere auch für China, dem größten Absatzmarkt der Welt, wo Volkswagen Marktführer ist. Umso stärker wird VW seine SUVs Tiguan, Touareg, T-Roc und VW-Atlas und wie sie alle heißen, bewerben