Im isw-Konjunkturbericht „Weltkonjunktur: Ist die Party over?“ vom Mai 2018 heißt es: „Insgesamt mehren sich die Anzeichen, dass sich der globale Boom abschwächt und in eine rezessive Phase übergeht“. Das war zu einer Zeit, als die professionellen und professoralen Konjunkturforschungsinstitute aufgrund einer beispiellosen Gewinnorgie ihre Prognosen nach oben korrigierten. Am Ende des Vorjahres registrierte dann das Statistische Bundesamt für Deutschland ein Jahreswachstum von mageren 1,5 Prozent, also weitgehend Flaute. Die „führenden Wirtschaftsforschungsinstitute“ hatten teilweise fast das Doppelte an BIP-Zuwachs prophezeit. Im März 2019 schrieb Charles Pauli in seinen „Beobachtungen zur Konjunktur“: „Aus all diesen Gründen halten wir es für durchaus möglich, dass es sich bei der Abschwächung in den letzten zwei Quartalen 2018 nicht nur um eine Delle handelt, sondern um den Beginn einer neuen Rezession“ (isw-wirtschaftsinfo 55 „Bilanz“, S. 37). Im darauf folgenden Quartal, beginnend mit April 2019, schrumpfte die deutsche Wirtschaft um 0,1 Prozent. Und es gilt als sicher, dass im dritten Quartal ein weiteres, vermutlich noch dickeres Minus folgen wird. Eine Schrumpfung der Wirtschaftsleistung in zwei hintereinander folgenden Quartalen erfüllt den Tatbestand einer Rezession „per definitionem“, auch „technische Rezession“ genannt. Jetzt, in ihrer Herbstprognose halbierten auch die bürgerlichen Institute ihre Vorhersagen vom Frühjahr 2019. Ihre Analysen haben eine Halbwertszeit von nicht einmal sechs Monaten. Für das Gesamtjahr rechnet selbst die Bundesregierung nur noch mit einem Zuwachs von 0,5 Prozent; vor weniger als einem Jahr hatte sie für 1919 noch +1,8% prognostiziert.

Was das Problem verschlimmert, ist die Gefahr einer globalen Rezession, die auf uns zukommt. „Die Weltwirtschaft sendet Notsignale“ registriert das Handelsblatt. Das trifft insbesondere für die westlichen Industrieländer zu. Für die G7-Staaten rechnet der IWF nur noch mit einem Plus von 1,5% für 2019. Demgegenüber ist das Wachstum von China mit etwa 6,3 Prozent (1. Halbjahr 2019) gut viermal so hoch. Indiens Wirtschaft wächst sogar mit etwa sieben Prozent. Dennoch werden die Schwellenländer die kapitalistischen Industrieländer diesmal nicht wie 2009 aus dem Krisensumpf ziehen.

Ursachen der Krise

Allenthalben werden jetzt Sündenböcke für die ökonomische Misere gesucht. Allesamt werden sie von den bürgerlichen Medien vorwiegend in der Politik verortet: Trump, Brexit und Xi mit dem „schwächelnden China“. Dieser Tage kam noch ein vierter hinzu: der Iran, von dem angeblich der Drohnen-Angriff auf die saudische Öl-Raffinerie und das saudische Ölfeld ausgegangen ist. US-Außenminister Pompeo: „Ein beispielloser Angriff auf die Weltenergieversorgung“. Er meinte damit nicht etwa die US-Sanktionen (und exterritorialen Sekundärsanktionen) gegenüber dem Iran, womit jede Firma, jedes Land von den USA sanktioniert wird, das dem Iran auch nur ein Barrel Öl abkauft. Gemeint war auch nicht das US-amerikanische Embargo gegenüber dem ölreichsten Land der Erde, Venezuela, wodurch dieses Land fast kein Öl mehr exportieren kann. Und schon gar nicht waren die Torpedos gemeint gegen die Nordstream-Pipeline und damit gegen die Versorgung Westeuropas mit russischem Erdgas.

Was den Brexit anbelangt, so hat dieser natürlich gewisse Auswirkungen auf den Handel Deutschlands und der EU mit Großbritannien. Die deutschen Exporte dorthin gingen bereits 2018 um 2,5% zurück und im ersten Halbjahr 2019 um 4,3%, doch dürfte es selbst bei einem ungeordneten Brexit nicht zu erheblichen ökonomischen Turbulenzen in der EU oder gar der Weltwirtschaft kommen. Großbritanniens Anteil an der Weltwirtschaftsleistung beträgt gerade mal drei Prozent.

Gravierender ist der Schaden, den das Trumpel-Tier im Welt-Supermarkt anrichtet. Durch den von Trump vom Zaun gebrochenen Wirtschaftskrieg gegen China wird vor allem der Handel zwischen den beiden größten Volkswirtschaften stark in Mitleidenschaft gezogen. Die chinesischen Exporte in die USA, vormals das größte Zielland, sind im ersten Halbjahr stark eingebrochen und auch umgekehrt nehmen die US-Ausfuhren nach China infolge chinesischer Strafzölle Schaden. Insgesamt hat sich das Außenhandelsvolumen zwischen den beiden Staaten im ersten Halbjahr um 167 Milliarden, d. h. um etwa 38% verringert. Dabei sind weitere US-Strafzölle für chinesische Export im Volumen von 300 Milliarden Dollar von der Trump-Administration beschlossen, aber noch nicht in Kraft gesetzt; sie hängen vorerst als Damoklesschwert über der chinesischen Volkswirtschaft. Betroffen wären dann alle chinesischen Exporte in die USA. China rechnet für diesen Fall mit einem Jahres-Wachstumsverlust von etwa 0,3% für seine Ökonomie.

Es sind nicht nur die Strafzölle, die wirtschaftlichen Schaden anrichten und das Wirtschaftsklima vergiften. Es ist nicht nur der in der 5G-Technologie weltweit führende chinesische High-Tech-Konzern Huawei, der mit Sanktionen und Milliarden-Strafzahlungen in die Knie gezwungen werden soll, es sind bis dato 146 chinesische Firmen, vornehmlich im High-Tech-Bereich, die sanktioniert und auf der US-amerikanischen Blacklist stehen und somit in den USA und mit US-Firmen wirtschaftlich nicht mehr tätig werden dürfen.

Dennoch: Der Amoklauf von Trump, seine erratischen politischen Handlungen, sind m.E. nicht die Ursache einer etwaigen globalen Rezession. Sie bringen allerdings Unsicherheit in die Weltwirtschaft, können negative Tendenzen verstärken und sind schlimmstenfalls der Auslöser einer Wirtschaftskrise. Doch auch ohne den Trump-Effekt hat sich der Welthandel abgeschwächt und stagniert, was sich insbesondere auf die extrem exportabhängige deutsche Wirtschaft negativ auswirkt.

Was aber sind die eigentlichen Gründe einer Rezession?

Zyklische Krise: Gewinneinbrüche

Die Ursachen sind nach wie vor systemischer Natur. Die kapitalistische Wirtschaft entwickelt sich seit eh und je zyklisch: Aufschwung → Boomphase → Abschwung → Rezession (ggf. Depression). Bedingt wird dies durch das tendenzielle Auseinanderdriften von Angebot (Produktionskapazitäten) und kaufkräftiger Nachfrage (resultierend aus der Doppelnatur des Lohnes: Einerseits Kostenfaktor für den einzelnen Kapitalisten, den es zu senken gilt, und Massenkaufkraft in der Summe der Löhne auf der anderen Seite). Marxisten „streiten“ sich seit Jahr und Tag, ob man von einer Überproduktions- oder Unterkonsumptionskrise sprechen soll. Karl Marx hat dabei den inneren Zusammenhang von Unterkonsumption und Überproduktion im Auge, wenn er im „Kapital“, Band III zur Krisentheorie schreibt:

Der letzte Grund aller wirklichen Krisen bleibt immer die Armut und Konsumtionsbeschränkung der Massen gegenüber dem Trieb der kapitalistischen Produktion, die Produktionskräfte so zu entwickeln, als ob nur die absolute Konsumtionsfähigkeit der Gesellschaft ihre Grenze bilde.

Überkapazitäten zeigen sich global heute vornehmlich in der Stahl- und Baustoffindustrie, im Automobilbereich (im ersten Halbjahr 2019 wurden sechs Millionen PKW weniger verkauft), im Immobiliensektor, …

Dies manifestiert sich insbesondere im Rückgang des Gewinnwachstums der Konzerne und Unternehmen. Die Profite der nach Börsenwert führenden US-Unternehmen (S&P) erhöhten sich in den ersten drei Quartalen 2018 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum im Durchschnitt noch um 25,5%, gingen im vierten Quartal auf + 14% zurück und waren in den ersten drei Quartalen 2019 negativ.

Die Betriebsgewinne der DAX-30-Unternehmen brachen im ersten Halbjahr 2019 um 28% gegenüber dem Vorjahr ein, die Nettogewinne um 20 Prozent.

Auf der Nachfrageseite wirkt sich die verschärfte globale Einkommenspolarisierung kaufkrafthemmend aus. In den kapitalistischen Metropolen wachsen de facto nur noch die Top-Segmente (obere 1% und 10%) der Einkommenspyramiden, diese aber umso krasser. Da die Sparquoten mit steigendem Einkommen zunehmen, fallen immer größere Einkommensteile für die Konsum-Endnachfrage aus. Sie sind gewissermaßen gefrorene Nachfrage, die man nur dann aktivieren und nachfragewirksam verflüssigen kann, wenn man Einkommen und (Geld-) Vermögen höher besteuert. Ansonsten führen diese steigenden Spitzeneinkommen lediglich zu einer weiteren Aufschatzung von Geldvermögen, verstärkt durch die Hebelwirkung der Finanzmärkte. Auf der anderen Seite aber wächst in allen hochkapitalistischen Ländern die Zahl der Armen, der Mindest- und Niedriglöhner, der Besucher von „Tafeln“, der Sozialhilfeempfänger und Obdachlosen. Die Akkumulation des Reichtums korrespondiert mit der Anhäufung von Elend.

Ende des „zehnjährigen Booms“

Weshalb hat die Aufschwung-Phase diesmal so lange gedauert? Das Handelsblatt spricht gar von einem „zehnjährigen Boom“. Zunächst: Eine Boomphase war es in erster Linie für die Konzerne und Großunternehmen und deren Profite, für die Reichen und die Bezieher von Spitzeneinkommen, von Dividenden (Aktionäre) und anderen Gewinn- und Vermögenseinkommen. In der Welt gab es 2018 2158 (Dollar-) Milliardäre, 42 Millionen Millionäre, aber auch 756 Millionen Bettelarme (weniger als 1,90 Dollar pro Tag), 805 Millionen Hungernde. Deutschland zählt mittlerweile 259 Milliardäre, über 2000 Geld-Millionäre, aber 2,55 Millionen arme Kinder und 4,1 Millionen Hartz-IV-Empfänger. Die Pro-Kopf-Realeinkommen der Arbeitnehmer stagnierten weitgehend.

Zur Dauer des Aufschwungs ein paar Stichworte:

  • Die „Große Krise“ 2008/09 war besonders tief und ausgeprägt, mit der Folge starker Vernichtung von Real- und Geldkapital. Dies hat in der Regel einen kräftigeren und längeren Aufschwung zur Folge.
  • China hat nicht nur 2009 die Weltwirtschaft mit seinem gewaltigen Konjunkturprogramm aus der Krise gezogen, sondern war auch die Jahre danach mit seinen exorbitant hohen Wachstumsraten die Welt-Konjunkturlock. Trotz geringeren Wachstums trägt das Land auch heute noch mit über 30 Prozent zum Welt-Wirtschaftswachstum bei. Mit dem Rückgang der Armut und dem Aufstieg der Mittelschichten (auch in China steigen die Top-Einkommen weit überdurchschnittlich, aber die Realeinkommen der Bevölkerung erhöhten sich in den vergangenen Jahren um 7 – 8 Prozent jährlich) entstand in China ein gigantischer Binnenmarkt, von dem die Exportindustrien der westlichen Industrieländer profitierten, allen voran Deutschland.
  • Auch in anderen Schwellenländern wie Indien, Südost-Asien, Afrika und Brasilien bildeten sich kaufkräftige Mittelschichten heraus.
  • Die extrem lockere Geldpolitik der Notenbanken, verbunden mit historisch niedrigen Zinsen (Null- und Negativleitzinsen) und der Flutung der Geldmärkte durch monetäre Staatsfinanzierung (Aufkauf primär von Staatsanleihen) der Zentralbanken hat Staatsbankrotte verhindert, eine Rezession zumindest verzögert (vgl. Charles Pauli, Konjunkturbericht in isw-wirtschaftsinfo 55, S. 40).
  • Als These, die es allerdings genauer zu verifizieren gälte, führe ich an: Es ist in den vergangenen Jahren ein (kleiner) Kondratjew-Zyklus abgelaufen. Der sowjetische Ökonom Nikolai Dmitrijewitsch Kondratjew stellte die Theorie der langen Wellen auf, die sich häufig über den Konjunkturzyklus legen, diesen verlängern, modifizieren, etc. Diese Kondratjew-Zyklen sind bedingt durch Innovations- und Investitionsschübe, wie z.B. früher durch den Eisenbahnbau, die Elektrifizierung, Automobilisierung, Wiederaufbau nach dem Krieg, usw. Generell also durch den Auf- und Ausbau neuer Technologien und in der Folge davon einem sprunghaften Anwachsen und längerem Anhalten von Investitionen. Ein solcher Effekt könnte in den vergangenen Jahren durch die Digitalisierung, Robotik, Industrie 4.0, aber auch Smart-Phones und 4G – 5G-Telekommunikation und dem Aufbau regenerativer Energien stattgefunden haben.

Auswirkungen einer Rezession

Kommt es zu einer Rezession, dürfte sie wie immer verheerende soziale Auswirkungen haben (wiederum thesenartig):

  • Konzerne und Unternehmen versuchen durch einschneidende Kostensenkungen auch in der Krise Gewinn zu erzielen. Die Folgen sind Einsparung von Arbeitsplätzen, Massenentlassungen und Druck auf die Löhne, wodurch sich das Krisenkarussell beschleunigt und der Absturz in eine Depression – gegenseitige Preisunterbietung – droht.
  • Bei Lohnverhandlungen in Krisenzeiten sitzen die Gewerkschaften immer am kürzeren Hebel. Das Armutsrisiko nimmt zu.
  • Firmenpleiten steigen steil an.
  • Steuern und Staatseinnahmen stagnieren, mit den bekannten sozialen und bildungspolitischen Folgen.
  • Generelle Angriffe auf den Sozialstaat: Der Chef von BASF Brudermüller fordert bereits eine „neue Agenda 2010“.
  • Geht eine Rezession mit einem Crash der Finanzmärkte/Aktienbörse einher – 2008/09 – wird es vor allem die Klein- und Belegschaftsaktionäre mit einer Entwertung ihrer Aktien treffen: Investoren und Spekulanten schaffen in der Regel den rechtzeitigen Ausstieg aus ihren Aktien-Portefeuilles – oder spekulieren gar à la Baisse – überwintern in festverzinslichen Staatsanleihen – und investieren nach dem Crash in die dann billigeren Aktien, das Spekulationsrad dreht sich beschleunigt.

Insgesamt kommt es zu erheblichen sozialen und politischen Verwerfungen: „Rechtspopulismus“! 

„Decoupling“ und Autarkiestreben statt Koordination und Kooperation.

Kommt es heute zu einer tiefgreifenden Rezession und Krise, so vollzieht sie sich in einem anderen politischen Weltklima als 2008/08. Und das dürfte das größte Risiko des von Trump angezettelten Handels- und Wirtschaftskrieges sein. Vor zehn Jahren bestand die Bereitschaft der größten Wirtschaftsnationen zu einem gemeinsamen, synchronen und koordinierten Krisenmanagement, um eine wirtschaftliche Katastrophe zu verhindern. Ausdruck davon waren die abgestimmten und gigantischen Konjunkturpakete, insbesondere von China und den USA. Das manifestierte sich auch in den G20-Treffen mit Einbeziehung der wichtigsten Schwellenländer. Der Wirtschaftshistoriker Niall Ferguson hatte drei Jahre davor – 2006 – den Neologismus „Chimerika“ geprägt, der das symbiotische Verhältnis zwischen USA und China ausdrücken sollte – die gegenseitige Abhängigkeit und auch Kooperation. Ferguson hat mit „Chimerika“ heute nichts mehr am Hut. Stattdessen erklärt er ganz im Sinne von Trumps „Make America great again“ im Handelsblatt-Interview: „Ich befürworte sogar einen neuen Kalten Krieg, damit die USA sich wirtschaftlich aufraffen, investieren und dann bei der 6G-Technologie wieder führend sind“.

Statt Zusammenarbeit und gemeinsamer Lösung ökonomischer Probleme – Krieg: Handelskrieg, Wirtschaftskrieg, Kalter Krieg und auch die Gefahr eines Währungskrieges, eines Abwertungswettlaufs wie in den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Und ein Schießkrieg nicht ausgeschlossen, wenn man sich das Gruselkabinett Trump mit seinen erklärten Chinafeinden ansieht.

Statt gegenseitige ökonomische Verflechtung USA und China, was eine kriegerische Auseinandersetzung mindern würde, betreibt Trump eine Strategie der Autarkie, des „decoupling“, also des ökonomischen Entkoppelns gegenüber China. Schlagzeile der FAZ: „Trump befiehlt (US-)Unternehmen den Rückzug aus China“. „Unseren großartigen amerikanischen Unternehmen wird hiermit befohlen, sofort nach einer Alternative zu China zu suchen“. Sie sind aufgefordert, ihre Produktion nach den USA zurückzuholen, ihre Liefer- und Wertschöpfungsketten an China vorbei zu legen.

Das alles birgt die Gefahr größerer Feindseligkeiten, weiteren Aufbaus von Mißtrauen und einer langanhaltenden globalen Stagnation.

Auswege aus der Krise

Welch konkrete Maßnahmen und Alternativen zu einer Rezession sind möglich? Ich beschränke mich hier auf Deutschland. SZ-Redakteur Claus Hulverscheidt schreibt am 27.8.19: „2020 könnte das Jahr der nächsten großen Wirtschaftskrise werden und anders als vor elf Jahren wissen wir diesmal alle seit Monaten Bescheid. Sollte es tatsächlich zum Einbruch kommen, wäre es die Krise mit der wohl längsten Vorwarnzeit, die es je gab, eine Rezession mit Ansage gewissermaßen, ein langsamer, freiwilliger Abstieg in die Schlangengrube“.

Die Politik hat diese Vorwarnzeit untätig verstreichen lassen, hat keinerlei Vorkehrungen getroffen, und verhielt sich sogar kontraproduktiv. Sie hat in den vergangenen Jahren die „Schuldenbremse“ in der Verfassung festgeschrieben, wodurch eine Neuverschuldung nur noch in minimalem Umfang möglich ist: 0,35% des BIP. Sie trägt auch heute noch die „Schwarze Null“ wie eine Monstranz zur „Teufelsaustreibung“ Öffentlicher Investitionen vor sich her. Auf ihr Betreiben wurde der Eurozone der Stabilitätspakt als finanzpolitische Zwangsjacke verpasst.

Bei einer kommenden Rezession und Krise sind die geldpolitischen Möglichkeiten weitgehend ausgereizt. Die Leitzinsen der Notenbanken sind bereits auf Null (EZB) oder nahe Null (Fed) gesenkt, der Einlagezins der Banken bei der EZB beträgt sogar minus 0,5%. Die ultralockere Geldpolitik läßt sich zwar irgendwie fortsetzen, zeigt jedoch kaum noch Wirkungen, regt keine Investitionen an. Die Instrumente der Zentralbanken sind stumpf geworden. Bleibt eigentlich nur noch „Helikopter-Geld“, Geldscheine die vom Hubschrauber abgeworfen werden, mit denen die Menschen dann einkaufen gehen und so die Nachfrage stimulieren.

Es wäre jetzt die Stunde fiskalpolitischer Maßnahmen, in erster Linie die Stunde von Investitionen des Staates. Es bedürfte eines langfristigen Masterplans für Innovationen und öffentlicher Investitionen. Doch nichts davon geschieht. Kanzlerin Merkel muss sogar eingestehen: „Wir haben nicht ausreichend Planungskapazitäten“ (HB, 12.919). Das heißt, selbst die bereitgestellten Gelder für Investitionen können nicht planvoll eingesetzt werden, sie werden zum Teil nicht einmal abgerufen. Es ist das Ergebnis jahrelanger Verteufelung der Planwirtschaft, das blinde Vertrauen auf die angebliche Selbststeuerung des Marktes. Doch die Überlegenheit des Plans wird immer deutlicher, wie z.B. China zeigt, wo Konjunkturprogramme reaktionsschnell und langfristig aufgelegt und mit Konsequenz realisiert werden.

Dabei wären auch hierzulande angesichts der anstehenden Probleme und zur Stützung der Konjunktur Zukunftsinvestitionen in neuen Dimensionen nötig:

  1. Klima-Schutz und -RettungAn dem Tag, als im Rahmen „Fridays for Future“ in Deutschland über eine Million Menschen für den Klimaschutz auf die Straße gingen – „Change System not Climate“ -, verabschiedete die Bundesregierung ihr groß angekündigtes „Klimapaket“. Fridays for Future, Experten, Umweltschutzverbände, Wissenschaftler, … sind sich einig: Es ist nicht einmal ein Klima-Paketchen, sondern ein Luftballon voll heißer Luft, die bekanntlich der schlimmste Klimakiller ist.Notwendig wäre eine radikale Energiewende (von fossilen zu regenerativen Energien). Energieeinsparung, Gebäudesanierung etc.
  2. Notwendig sind zig-Milliarden-Investitionen zur VerkehrswendeZurückdrängung des motorisierten Individualverkehrs zugunsten E-Mobilität auf Schiene (Bahn, Tram) E-Busse, Verbot von Verbrennungsmotoren, Entwicklung alternativer Antriebe … (siehe dazu: Gesamtverkehrskonzept in isw-report 112/113 (Winfried Wolf): Elektro-PKW als Teil der Krise der aktuellen Mobilität).
  3. Kommunal-Investitionen und Infrastruktur-InvestitionenNach Angaben der Kommunalverbände hat sich in den Kommunen inzwischen ein Investitionsstau von 126 Milliarden Euro aufgetan: Trinkwasserversorgung, Abwässer-Systeme, Straßen, Radwege, Schulen, Kitas, Bildungseinrichtungen, … dazu: Staatliche Milliardeninvestitionen in einen Sozialen Wohnungsbau, der diesen Namen verdient (vgl. isw-report 116/117: (Holm/Schreer): Mietpreis-Explosion und Wohnungsnotstand). Modernisierung der maroden Infrastruktur: Brücken, Straßen, Ausbau des Schienen-Netzes in der Fläche, weitere Elektrifizierung der Bahn; Sanierung öffentlicher Gebäude, Schwimmbäder, Sportstätten. Sebastian Dullien, Chef des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), plädiert für ein Zukunftsprogramm im Umfang von 450 Milliarden Euro, ausgelegt auf zehn Jahre; Michael Hüther Direktor des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft, empfiehlt einen „Deutschlandfonds“ in gleicher Höhe.

Es stellt sich zum Schluss die Frage der Finanzierung

Noch nie war staatliches Schuldenmachen so billig wie heute in Zeiten von Niedrig- und Negativzinsen. Beim Auflegen von Staatsanleihen erhält die Öffentliche Hand teilweise eine Prämie, d.h. sie muss weniger zurückzahlen, als sie an Kredit erhält. Die Refinanzierung war noch nie so günstig. Selbst Wirtschaftsforschungsinstitute und Unternehmerverbände propagieren eine Abkehr von der „Schwarzen Null“ in den Etats. Michael Hüther: „Die Schuldenbremse ist nicht mehr zeitgemäß“. Gefordert werden staatliche Investitionen zur Ankurbelung der Konjunktur.

„Wir dürfen unseren Enkeln keine Schulden hinterlassen“, wird häufig eingewendet. Wir müssen jedoch unseren Nachkommen vor allem einen bewohnbaren Planeten hinterlassen, ohne Klimakatastrophe und einer kaputten Infrastruktur.

Wirksame Besteuerung der Superreichen

SPD und Grüne entdecken mal wieder die Vermögensteuer – es ist Vorwahlzeit. Bis zu zehn Milliarden Euro wollen sie damit einnehmen: 1,2 Prozent des gesamten Steueraufkommens. Das wird den Superreichen aber wehtun! Zum Vergleich: Umgerechnet etwa 6,5 Milliarden Euro nimmt die Schweiz mit ihrer allgemeinen Vermögensteuer ein – etwa 7,5% aller Steuereinnahmen; das BIP Deutschlands ist etwa sechsmal so groß wie das der Schweiz; vergleichbar käme man auf fast 40 Milliarden Euro für Deutschland.

Das isw hat mehrmals aufgezeigt, wieviel Steueraufkommen sich allein bei den Milliardären und Multi-Millionären selbst mit relativ geringen Steuersätzen erzielen ließe (vgl. dazu die jährlich erscheinenden isw-Wirtschaftsinfos „Bilanz“, Stichwort: Reichtum/Vermögen).

Und hier noch ein ergänzendes Beispiel: Das Wirtschaftsmagazin „Bilanz“ (Verlag DIE WELT), veröffentlichte am 13. September die Liste der 1000 reichsten Deutschen. Man braucht ein Vermögen von mindestens 140 Millionen Euro, um dem Hochadel des Geldes anzugehören. Nach Berechnungen von „Bilanz“ verfügen diese reichsten Deutschen samt Milliardärsfamilien über ein Gesamtvermögen von 1,2 Billionen (1200 Milliarden) Euro, was mehr als einem Drittel des deutschen BIPs entspricht. Bei einem Steuersatz von nur drei Prozent ließen sich allein bei diesen Megareichen, die der Zahl nach in ein Dorf passen, 36 Milliarden Euro generieren. Und der Steuersatz würde mitnichten an der Substanz der Vermögen kratzen, hätte noch keinerlei Umverteilungswirkung, denn der jährliche Vermögenszuwachs bei Superreichen beträgt etwa vier bis sechs Prozent im Durchschnitt.