Nur 30 Prozent der Unternehmen in der Bundesrepublik sagen von sich, über die richtigen Führungsqualitäten zu verfügen, um „ihre Digitale Transformation zum Erfolg zu bringen“ – so lautet ein Ergebnis einer neuen Studie des international tätigen IT-Beratungsunternehmens Capgemini. „Gerade deutsche Unternehmen scheitern daran, eine digitale Kultur zu etablieren und ihre Mitarbeiter einzubeziehen“, betont Capgemini. Für die Studie wurden mehr als 1.300 Führungskräfte in über 750 Unternehmen befragt. Die Mehrheit dieser Unternehmen (71 Prozent) erwirtschaftet einen Umsatz von über einer Milliarde US-Dollar.
Zwar werden enorme Summen in die Digitalisierung investiert, bis 2021 sollen es weltweit mehr als zwei Billionen US-Dollar sein. „Digitalisierung: Das heißt in den meisten Unternehmen immer noch Investitionen in Hard- und Software“, erläutert Haufe Online. Denn lediglich 29 Prozent der befragten deutschen Unternehmen geben an, dass ihre Angestellten derzeit digital zusammenarbeiten können. Bei Umsetzung der Digitalisierung fühlen sich die Beschäftigten „allein gelassen“, kommentiert Haufe Online.
E-Learning-Markt wächst
Eine weitere aktuelle Meldung verdeutlicht, was Digitalisierung derzeit bedeutet: die Suche nach neuen Geschäftsfeldern. „The Learning Experience Market explodes“, verkündet der E-Learning-Analyst Josh Bersin. Diese „Explosion“ zeigt sich zunächst durch weitere wirtschaftliche Konzentration des E-Learning-Marktes. So hat Degreed, einer der führenden E-Learning Anbieter seinen Konkurrenten Pathgather übernommen. Beide Unternehmen hätten jetzt „das Know-how, die Beziehungen und die Kriegskasse“, um E-Learning weiter voranzutreiben, betont die Journalistin Gudrun Porath.
E-Learning nimmt immer mehr an Bedeutung zu. Unter E-Learning werden alle elektronisch unterstützten Formen des Lernens verstanden, die in unterschiedlichen Formen erfolgen können Das kann Web Based Training (WBT) sein. Lerneinheiten werden über Intranet oder Internet angeboten, auch die Betreuung durch einen Trainer ist online möglich. Der Austausch der Teilnehmer und die Kommunikation mit dem Trainer kann über einen Virtual Classroom, also das „virtuelles Klassenzimmer“ etwa durch Chatrooms im Intranet, erfolgen.
Große Versprechen durch „Learning-Experience-Plattformen“
Degreed ist Anbieter von „Learning-Experience-Plattformen“, kurz LXP, genannt. Diese versprechen den Unternehmen Großes. Denn sie sollen den „dem durch digitale Technologien veränderten Konsumverhalten“ der Lernenden gerecht werden. Denn deren Denken ist „geprägt durch Amazon, Netflix und Google, die ihre Nutzer besser kennen als die sich selbst und in Bild, Schrift und Ton per Sprachassistent immer neue Vorschläge machen, was als nächstes zu kaufen, zu hören oder anzusehen ist“.
E-Learning verspricht deshalb zunächst Vorteile. Das Lernen kann unabhängig von Seminarveranstaltungen erfolgen und ist an keine festen Zeiten gebunden, kann sich flexibel nach den Bedürfnissen der Arbeitnehmer richten. Für die Belegschaft ergeben sich aber erhebliche Risiken. Häufig mangelt es an ungestörten Lernzeiten. LXP ermöglicht deshalb E-Learning in unterschiedlichen Formen, „aufbereitet in verschiedenen Medien, von Artikel bis Podcast“. Und mit einer „künstlichen Intelligenz als Berater“, ergänzt die Journalistin Porath.
Diese technischen Neuerungen verschärften aber die Probleme der Beschäftigten – denn per Software wird Verantwortung auf jeden Einzelnen übertragen:
In vielen Betrieben wird von den Beschäftigten erwartet, eigenständig die Seminareinheiten zu organisieren. E-Learning während des normalen Arbeitsablaufs einzuschieben, ist in der Praxis nicht praktikabel, da es an ungestörten Lernzeiten fehlt. Konzentriert sich der Arbeitnehmer gerade auf eine Lerneinheit, während das Kundentelefon klingelt, ist eine Wissensaneignung nicht durchführbar.
Zunehmend versuchen Unternehmen darüber hinaus, die Lernzeiten in die Freizeit zu „delegieren“. Diese Gefahr ist bei Online-Lernen besonders groß, da das Material über Internet zuhause bearbeitet werden kann. Lernen am Arbeitsplatz stellt oftmals eine Arbeitsintensivierung dar.
Dass sich Beschäftigte hier „allein gelassen“ fühlen, überrascht kaum, „agile Arbeit“ bedeutet so, Verantwortung auf die Belegschaften abzuschieben. Aber nicht nur die Unternehmen lassen sie allein – auch die Bundesregierung verzichtet auf die Festschreibung wichtiger Rahmenbedingungen aus Beschäftigtensicht. Ein gesetzlicher Anspruch auf Weiterbildung, etwa durch ein bundesweites „Arbeitnehmerweiterbildungsgesetz“, ist weiterhin kein Thema.