Die sozialen Auseinandersetzungen zwischen Staatschef Emmanuel Macron und seiner Regierung unter Premier Philippe und den französischen Gewerkschaften sind im Lauf des Monats Mai zu einer außerordentlich harten Kraftprobe geworden.

Während Macron und Philippe ihre „Festigkeit“ und Entschlossenheit betonen, an ihren neoliberalen Plänen zur „Modernisierung“ der französischen Wirtschaft gemäß den Wünschen des Kapitals gegen alle Widerstände festzuhalten, machten die Beschäftigten des bisher noch staatlichen Eisenbahnunternehmens SNCF ebenso wie das Personal des privatisierten Air-France-Konzerns und die Angestellten der öffentlichen Dienste, aber auch Studenten an blockierten und inzwischen oft zwangsgeräumten Universitäten deutlich, dass sie nicht bereit sind, sich widerstandslos diesem Kurs unterzuordnen. Die Schlacht um die öffentliche Meinung ist in vollem Gang.

Kein Abflauen des Eisenbahnerstreiks

Der seit Anfang April im Gang befindliche Eisenbahnerstreik im Fünf‑Tage-Rhythmus – je 2 Tage Streik und 3 Tage Pause – ging am Pfingstwochenende (19./20. Mai) in seine achte Streikwoche und elfte Runde. An den mittlerweile 22 Streiktagen war der Eisenbahnverkehr immer wieder stark beeinträchtigt. Am 13./14. Mai lag die Streikbeteiligung bei 27,6 Prozent, im Verhältnis zur Gesamtzahl aller Beschäftigten einschließlich kaufmännischen und Verwaltungspersonals. Das waren 14 Prozent mehr als eine Woche zuvor. Bei Lokführern und fahrendem Personal wie bei den technischen Diensten lag die Streikbeteiligung aber weit höher, bei Lokführern und Zugbegleitern bei 74 Prozent. Im Ergebnis fielen bei den TGV-Schnellzügen und im Städteregionalverkehr zwei von drei fahrplanmäßig vorgesehenen Zügen aus, bei den Intercitys blieben 80 % außer Dienst. Auch am Pfingstwochenende selbst (18./19.5.) fuhren nur jeder zweite TGV und nur zwei von fünf Regionalzügen und Intercitys.

Parallel zu dem anhaltenden „Perlenstreik“ führte die Intersyndicale der vier bei der SNCF als „repräsentativ“ anerkannten Gewerkschaften (CGT, UNSA, SUD und CFDT) vom 14. – 21. Mai als neue Kampfform eine Abstimmungsaktion, genannt „Vot’action“, durch. Dabei werden alle SNCF‑Beschäftigten aufgerufen, ihre Stimme abzugeben zu der Frage: „Sind Sie für oder gegen den von der Regierung vorgeschlagenen Eisenbahnpakt?“. Damit soll auch den Eisenbahnbeschäftigten, die sich aus verschiedenen Gründen nicht an den Streiks beteiligten, eine Möglichkeit gegeben werden, sie direkt zur geplanten „SNCF-Reform“ der Regierung zu äußern, besonders nachdem die Direktion behauptet hatte, dass 80 Prozent der Beschäftigten die Streiks ablehnten.

Angeregt worden sind die Gewerkschaften zu dieser Aktion durch eine ähnliche Abstimmung bei der Air France. Dort hatte allerdings der bisherige Firmenchef Janaillac ein „Referendum“ der Beschäftigten angesetzt, weil er glaubte, damit die Haltung der zehn in dem Unternehmen tätigen Gewerkschaften unterlaufen zu können. Diese hatten nach mehrfachen Streiks sein „Angebot“ auf eine Gehaltserhöhung von 7 Prozent innerhalb der nächsten vier Jahre geschlossen abgelehnt und stattdessen nach sechsjährigem Gehaltsstopp auf einer sofortigen Gehaltserhöhung von 5,1 % noch im Jahr 2018 bestanden. Die rund 21 000 Air-France-Beschäftigten hatten sich durch das Manöver des Firmenchefs nicht irreführen lassen und sein „Angebot“ mit einer Mehrheit von 55,4 % bei einer Beteiligung von 80,3 % abgelehnt. Darauf sah sich M. Janaillac zum Rücktritt genötigt.

Die Ergebnisse der „Vot’action“ bei der SNCF waren bei Abfassung dieses Textes noch nicht bekannt. Da die Abstimmung hier nicht wie bei der Air France von der Firmenleitung organisiert wird, diese das gewerkschaftliche Vorgehen sogar abgelehnt hat, dürfte es vor allem darauf ankommen, wieviel SNCF‑Beschäftigte sich tatsächlich an der Abstimmung beteiligen. Die Gewerkschaften haben mehr als 500 feste und mobile Abstimmungspunkte in den Bahnhöfen und anderen Betriebsstätten der SNCF mit entsprechenden Urnen eingerichtet. Teilergebnisse aus einzelnen Betrieben vermeldeten bereits eine starke mehrheitliche Ablehnung des Regierungsvorhabens mit einer Beteiligung von über 60 Prozent und 95 Prozent Nein-Stimmen.

Die CGT-Eisenbahnergewerkschaft erklärte in ihren „Streikinformationen“ so zu Recht: „Die Mobilisierung der Cheminots ist bedeutend, die gewerkschaftliche Einheit ist solide, die Unterstützung durch die öffentliche Meinung ist eine Realität“.

Allerdings ist nicht zu übersehen, dass die Aufrechterhaltung der Streikbereitschaft auch für die Eisenbahner und ihre Gewerkschaften eine große Herausforderung bleibt, die immer wieder neu bewältigt werden muss. Die streikenden Cheminots haben bereits erhebliche Einbußen an Einkommen und Urlaubstagen erlitten, für manche Familien wird es immer schwieriger, mit dem durch die Streiktage reduzierten Gehalt bis zum Monatsende auszukommen. Zumal die meisten SNCF-Beschäftigten nur 1500 bis 2000 € brutto verdienen. Ihre Kampf- und Opferbereitschaft kann also nur als bewundernswert bezeichnet werden, zumal im Vergleich mit deutschen Verhältnissen.

Verhandlungen oder Verhandlungstricks?

Von einiger Bedeutung für den weiteren Verlauf der Auseinandersetzung dürfte das zweite Treffen der Eisenbahnergewerkschaften mit Regierungschef Philippe am kommenden 25. Mai sein, wenige Tage vor der Abstimmung über den „SNCF-Pakt“ am 29. Mai im Senat (die Nationalversammlung hatte den Gesetzentwurf schon am 17. April mit großer rechter Mehrheit gebilligt).

Der Regierungschef hatte die Gewerkschaften schon am 7. Mai zu Gesprächen empfangen, nachdem diese die „Konzertierungsgespräche“ mit Verkehrsministerin Elisabeth Borne aufgekündigt hatten, weil sie den Eindruck bekommen hatten, dass diese nur ausführt, was Regierungschef Philippe ihr aufgetragen hat und im Übrigen über keine wirkliche Verhandlungskompetenz verfügt. Bei den Gesprächen am 7. Mai hatte Philippe angekündigt, dass die Regierung für die Debatte im Senat selbst noch einige „Ergänzungsanträge“ zur Klarstellung einiger Bestimmungen im Gesetzentwurf einbringen werde. Darüber wollen die Gewerkschaften nun am 25. Mai genaue Auskunft und Einsicht in den Wortlaut der „Ergänzungsanträge“ bekommen.

Bei den Gewerkschaften wird allerdings befürchtet, dass es sich bei diesen „Ergänzungen“ nur um kosmetische Änderungen handeln wird, weil die Regierung auf Zeit und ein Abflauen der Streiks spielen will und darauf hofft, mit kleinen Zugeständnissen die bisherige Einheit der Gewerkschaften aufbrechen zu können.

Unter anderem geht es bei den „Ergänzungen“ um die Zusage der Regierung, dass die SNCF auf jeden Fall in „öffentlichem Eigentum“ bleiben werden, auch wenn die Rechtsform von einem direkten Staatsunternehmen (EPAD) in eine Aktiengesellschaft umgewandelt wird. Bisher ist in dem Gesetzentwurf von einer Umwandlung der SNCF in eine „Aktiengesellschaft in öffentlichem Eigentum“ die Rede. Wenn diese Formel endgültig so beschlossen würde, wäre eine „Öffnung“ des Kapitals für private Investoren nur möglich, wenn zuvor das Parlament durch ein neues Gesetz diese Formel ändert. Die Gewerkschaften fordern aber, dass diese Formulierung weiter verstärkt und eine Öffnung für private Kapitalanleger ausdrücklich ausgeschlossen wird. In der Debatte war die Einfügung einer sogenannten „Unübertragbarkeits“-Klausel („incessibilité“), die festschreibt, dass SNCF‑Aktien nicht an private Geldgeber verkauft werden dürfen.

Inzwischen hat sich die Debatte um diesen Punkt aber weiter zugespitzt. Am 13. Mai berichtete die bürgerliche Zeitung „Le Parisien“ nämlich von einem bisher geheim gehaltenen Gesprächsprotokoll über ein Treffen von Führungskräften der SNCF mit hohen Beamten des Verkehrsministeriums am 5. Mai. Darin war festgehalten worden, dass die Beteiligten darüber gesprochen haben, dass die vorgesehene „Unübertragbarkeits“-Klausel nur für die SNCF-Holding gelten soll, nicht aber für die ihr untergeordneten Unternehmen wie „SNCF Reseau“ (Schienennetze), „SNCF Mobilité“ (Zugverkehr) und „SNCF fret“ (Güterverkehr). Mit anderen Worten: hier ist über eine glatte Umgehung der Klausel durch einen Formulierungstrick verhandelt worden. Natürlich haben Ministerium und Direktion sofort abgewiegelt, dass es sich nur um ein „Arbeitstreffen“ von untergeordneter Bedeutung ohne Entscheidungsbefugnis gehandelt habe. Aber der Verdacht, dass auf längere Sicht eben doch die weitgehende Privatisierung der SNCF beabsichtigt ist, wie das zuvor schon bei Post, Telecom und Air France der Fall war, wurde damit natürlich nicht aus der Welt geschafft.

Gewerkschaften fordern „echte Verhandlungen“ über ihr Alternativkonzept

Verschiedene Äußerungen des Regierungschefs lassen darauf schließen, dass er nicht bereit ist, über die von ihm als „Essentials“ angesehene Grundlinien des Regierungsvorhabens zu verhandeln. Er beharrt auf der Umwandlung der Rechtsform der Firma in eine Aktiengesellschaft und auf der Öffnung des französischen Eisenbahnverkehrs für andere private Konkurrenzunternehmen, wie es von der EU gefordert wird und neben Großbritannien in den Niederlanden, Deutschland und Schweden bereits vollzogen ist. Ferner will Philippe auch unbedingt an der Abschaffung des speziellen „Statuts“ der Eisenbahner festhalten, das den Beschäftigten u. a. Unkündbarkeit aus betriebswirtschaftlichen Gründen auf Lebenszeit und einige andere Vorteile als Ausgleich für die außergewöhnliche Belastung durch ständige Schicht-, Nacht- und Sonntagsarbeit zugesteht. Schließlich geht es um die Übernahme der „Altschulden“ der SNCF (ca. 30 Mrd. Euro) durch den Staat. Philippe will diese nur teilweise und nach entsprechenden vorherigen „Gegenleistungen“ der Beschäftigten in Sachen „höhere Produktivität“ und „größere Rentabilität“ (lies Sparmaßnahmen, Flexibilisierung von Arbeitszeiten und Personalabbau) übernehmen.

Die Gewerkschaften fordern hingegen endlich „echte Verhandlungen“ über die gesamte Themenbreite einer künftigen SNCF-Reform ohne vorab diktierte und unverhandelbare „Grundbedingungen“. Dazu haben sie auch bereits eigene Vorschläge vorgelegt. In den Streiknachrichten der CGT-Cheminots heißt es dazu: „Es gibt andere Lösungen, die es erlauben, die Qualität des öffentlichen Dienstes der Eisenbahnen wirklich zu verbessern“.

Von den Gewerkschaften wird betont, dass es dabei schließlich um ein Grundrecht der Bürger gehe, nämlich das Recht auf Mobilität und einen landesweit das ganze Territorium versorgenden, qualitativ hochwertigen und preisgünstigen Schienenverkehr als staatliche Gemeinschaftsaufgabe. Nicht zuletzt sei dies notwendig im Interesse des Umweltschutzes zur Eindämmung des Straßenverkehrs. Dazu müsse die Rechtsform eines Staatsunternehmens (EPIC) beibehalten und gegen jede Privatisierung zum Zweck reiner Profitmacherei abgesichert werden. Ebenso fordern die Gewerkschaften die uneingeschränkte Beibehaltung des speziellen Beamtenstatus der Eisenbahner, auch bei allen Neueinstellungen, und die Verhinderung der Umgehung dieses Status durch die Einstellung von immer mehr „befristeten“ Zeitarbeitskräften. Ferner gehört aus gewerkschaftlicher Sicht dazu die volle Übernahme der Altschulden durch den Staat ohne von den Beschäftigten geforderte vorherige Gegenleistungen. Generell müsse der Beitrag der öffentlichen Hand zur Gewährleistung eines landesweiten Eisenbahnverkehrs als öffentliche Gemeinschaftsausgabe erhöht werden.

Es geht nicht nur um die französischen Eisenbahnen

Es ist also abzusehen, dass es noch eines harten Kampfes bedürfen wird, um das neoliberale Regierungsvorhaben zur SNCF- „Reform“ zu Fall zu bringen und der Durchsetzung der gewerkschaftlichen Alternativvorstellungen näher zu kommen.

Die Französische Kommunistische Partei (PCF) und die belgische Partei der Arbeit (PTB) haben in einer gemeinsamen Erklärung vom 15. Mai darauf hingewiesen, dass es bei dieser Auseinandersetzung nicht nur um eine Sache der Eisenbahner*innen geht. Denn Macron wolle an der SNCF „ein Exempel“ statuieren. Als „Bastion der Gewerkschaften“ hätten sich die Cheminots „in ihrer ganzen Geschichte immer wieder als eine bedeutende Kraft des Protests und der Mobilisierung im Klassenkampf erwiesen“. Mit der Zerschlagung des Widerstands bei der SNCF wolle Macron „alles zerschlagen, was er verabscheut: einen öffentlichen Dienst und ein Zentrum des sozialen Widerstands“. Damit solle generell der Widerstand gegen seinen wirtschaftsliberalen „Modernisierungs“kurs auch in anderen Bereichen gebrochen oder mindestens entmutigt werden.

Weiter unterstricht die Erklärung, dass der Kampf der französischen Eisenbahner*innen „wichtig für den gesamten Kontinent“ sei. „Ein Sieg der französischen Eisenbahner hätte europäische Tragweite und würde ein Stoppsignal für den Liberalisierungs- und Privatisierungskurs bei den öffentlichen Diensten auf dem ganzen Kontinent bedeuten“.

Eisenbahner stehen nicht allein

Hervorgehoben zu werden verdient aber noch, dass die Eisenbahner auch in Frankreich nicht allein auf weiter Strecke kämpfen. Parallel zu ihrer Mobilisierung zeichnen sich in der zweiten Mai-Hälfte eine ganze Reihe weiterer sozialer Bewegungen gegen den neoliberalen Macron-Kurs ab.

So sind zum 22. Mai (nach Redaktionsschluss dieses Newsletters) die 5,6 Millionen Staatsangestellten und Beschäftigten der öffentlichen Dienste zu einem neuen landesweiten Streik- und Aktionstag aufgerufen. Auch hier haben sich alle Gewerkschaften von der linken CGT und der Lehrergewerkschaft FSU bis zu den sozialpartnerschaftlich ausgerichteten Formationen wie CFDT und CFE/CGC zu einer gemeinsamen Front zusammengefunden.

Im Mittelpunkt steht der Widerstand gegen die geplante Streichung von 120 000 Stellen in den öffentlichen Diensten sowie die Forderung nach Beendigung des Lohn- und Gehaltsstopps durch das seit Jahren praktizierte „Einfrieren des Indexpunktes“, der zur Berechnung der Gehälter dient. Außerdem wird die Rücknahme der von der Regierung durchgesetzten Einführung eines unbezahlten „Karenztages“ im Krankheitsfall und die Beendigung der Praxis der Einstellung von immer mehr befristeten Teilzeitbeschäftigten gefordert. Die Regierung dagegen will stattdessen über eine generelle „Flexibilisierung“ der Löhne und Gehälter durch Einführung einer „Bezahlung nach Verdienst“ verhandeln, bei der statt den bisherigen geltenden, tarifvertraglich festgeschriebenen Lohn- und Gehaltsskalen künftig die Gehälter für die einzelnen Beschäftigten individuell von den Vorgesetzten festgesetzt werden sollen.

Für den 26. Mai steht ein weiteres und außergewöhnliches Ereignis an: eine „marrée humaine“ („menschliche Flut“) soll unter dem Motto „Für Gleichheit, soziale Gerechtigkeit und Solidarität“ im ganzen Land mobilisiert werden.

Dazu aufgerufen haben rund 50 linke Organisationen, Vereinigungen, Parteien und Gewerkschaften gemeinsam – eine in dieser Breite seit langem nicht mehr zustande gekommene Aktionseinheit. Zu den Unterzeichnern gehören u. a. Attac, das „Kollektiv der Bürgervereinigungen“, das „Kollektiv für die Rechte der Frauen“, die „Bewegung der Arbeitslosen und Prekären“, die Gewerkschaften CGT, FSU und Solidaires (SUD), die Anwaltsgewerkschaft und die Gewerkschaft der Justizbeamten, die Französische Kommunistische Partei (PCF), die „Neue Antikapitalistische Partei“ (NPA), die „Linkspartei“ und die Bewegung der „Insoumises“ („Aufsässigen“) von Jean-Luc Mélenchon, die grüne Partei EELV, die aus dem Spektrum der Sozialdemokratie stammenden Vereinigungen „Genération.s“, „Demokratische und soziale Linke“ sowie „Nouvelle Donne“, der nationale Studentenverband UNEF und die Schülervereinigung UNL.

In dem gemeinsamen Aufruf heißt es: „Emmanuel Macron, seine Regierung und die Medef (Unternehmerverband) sind entschlossen, koste es was es wolle, eine tiefgehende Umstrukturierung der französischen Gesellschaft durchzusetzen“, mit großen sozialen und demokratischen Rückschritten. Doch dieser „Gewaltakt“ könne zum Scheitern gebracht werden durch gemeinsame Aktionen, Streiks, Kundgebungen, Besetzung von Universitäten und andere vielfältige Formen des Widerstands. Jede beteiligte Organisation habe ihre eigenen Zielsetzungen und Aktionsformen, aber jenseits der Unterschiede gehe es nun um die Frage, „in welcher Gesellschaft wir leben wollen: Wollen wir in einer Gesellschaft leben, wo die sozialen Rechte auf ein Nichts reduziert sind, wo öffentliche Dienste und soziale Absicherung verschwunden sind, wo die Ungleichheit der Behandlung der einzelnen Gebiete zur Regel wird, wo der Zugang zur Universität mehr und mehr reduziert wird, wo diejenigen, die Alarm schlagen, und Journalisten geknebelt sind, wo die ökologischen Herausforderungen den Interessen der Finanzwirtschaft unterworfen werden, wo der Wohnungsbau, die Sozialwohnungen und die Mieter zu Waren gemacht werden, wo der Kampf gegen Diskriminierungen sich auf Reden beschränkt? Oder wollen wir im Gegenteil eine gerechtere, solidarischere, demokratischere, egalitärere Gesellschaft mit einer besseren Teilung der Reichtümer?“ Das sei die Herausforderung, um die es jetzt geht.

Die Regierung hoffe darauf, dass die verschiedenen Bewegungen voneinander isoliert bleiben und sie diese eine nach der anderen getrennt überwältigen und zum Resignieren bringen könne. „Sie hofft darauf, uns so entmutigen zu können. Aber sie irrt sich!“

Deshalb müsse jetzt über die einzelnen Bewegungen und Kämpfe hinaus zu einer neuen Stufe gemeinsamen Widerstands übergegangen werden. Das sei der Sinn der überall in Frankreich am 26. Mai veranstalteten „Flut der Volksmassen für Gleichheit, soziale Gerechtigkeit und Solidarität“, zu der die Unterzeichner aufrufen.