Nicht nur vor der Ampel-Regierung steht ein „Herbst der Entscheidungen“ an. Ebenfalls für das Leuchtturm-Projekt „Northvolt“ bei Heide werden im Herbst die Karten neu gemischt.
Heide könnte ein ähnliches Schicksal drohen wie jüngst Magdeburg.    

  

 

In Magdeburg  hatte der US-Chiphersteller Intel unlängst den geplanten Bau einer Fabrik vorerst auf Eis gelegt. Mitte September hatte der Konzern mitgeteilt, dass sich das Projekt, mit dessen Bau in diesem Jahr hätte begonnen werden sollen, voraussichtlich um zwei Jahre verzögern werde. An dem geplanten Standort sollten zwei Chipfabriken mit rund 3000 Arbeitsplätzen entstehen.
Die Bundesregierung hatte dafür knapp zehn Milliarden Euro in Aussicht gestellt.

Ein ähnliches Szenario ist auch für die Giga-Batteriefabrik Northvolt denkbar.
Wie im September vom Konzernchef Carlsson angekündigt, will Northvolt im Herbst weitreichende Entscheidungen über die Zukunft des Konzerns verkünden. An den Plänen für das schleswig-holsteinische Werk bei Heide halte man zwar grundsätzlich fest, über „mögliche Anpassungen der Zeitpläne“ werde man aber im Herbst entscheiden. (FAZ 9.9.2024). "Wir brauchen diese Fabrik in Heide." Das hat auch der Deutschlandchef von Northvolt, Christofer Haux, Anfang Oktober vor dem Wirtschaftsausschuss des Landtages erneut bekräftigt. Er war per Video aus Schweden zugeschaltet. Er betonte: Auch wenn Northvolt in Schweden Stellen abbauen müsse, sei die Fabrik in Heide weiterhin ein Grundpfeiler ihrer Expansionsstrategie. Er schloss allerdings ebenfalls nicht aus, dass sich der Zeitplan für die Ansiedlung verändern könnte. (KN 2.10.2024).

Probleme bei Northvolt   

Die Irritationen und Unsicherheiten über Umfang und Zeitplan der projektierten Giga-Fabrik in Dithmarschen halten also weiterhin an. Anfang Juli wurde erstmals öffentlich über massive Probleme bei Northvolt berichtet.
Ende Juni hatte BMW einen Großauftrag storniert; eine Bestellung von Batteriezellen im Wert von zwei Milliarden Euro wurde zurückgezogen.
Weiterhin gab es Berichte, dass sich der Konzern-Verlust im vergangenen Jahr auf eine Milliarde Dollar verdreifacht habe.
 Northvolt kämpfe demnach - offenbar mit mäßigem Erfolg -  unter anderem gegen die nach wie vor übermächtige Konkurrenz der Batterien aus China; außerdem seien die Aussichten für Elektroautos nicht mehr so rosig wie bisher. „Dabei zeigen Zahlen, wie weit das Unternehmen – gemessen an den eigenen Ansprüchen - zurückliegt. Northvolt wollte ursprünglich schon im Jahr 2023 eine Produktionskapazität von insgesamt 16 Gigawattstunden erreichen. Ende Juli lag der Output noch unter einer Gigawattstunde.“

 Zudem hatten auch ungeklärte Todesfälle am schwedischen Northvolt-Standort für Aufsehen gesorgt und Fragen nach der Betriebssicherheit aufgeworfen.[1]

Anfang September wurde mitgeteilt, dass Personal „abgebaut“ werde (Entlassung von etwa 1.600 Mitarbeitenden in Schweden. Das entspricht knapp einem Viertel der Northvolt-Belegschaft in dem skandinavischen Land) und man sich von Standorten trennen wolle. Im schwedischen Borlänge will das Unternehmen eine Fläche verkaufen, auf der eine weitere Fabrik geplant war. Die Arbeit eines Entwicklungszentrums in den USA wird nach Schweden verlagert. Für einen Standort in Polen werden Investoren gesucht, die die Produktion unterstützen sollen.

Gleichzeitig teilte Northvolt mit: Der Aufbau einer Batterieproduktion in Europa hat weiterhin unverändert Priorität. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte der schwedischen Wirtschaftszeitung "Dagens Industri" am 23.9. am Rande des sogenannten „Autogipfels“ gesagt, man stünde "in dauerndem Kontakt mit Northvolt" und gehe davon aus, dass das Vorhaben in Heide wie geplant realisiert werden würde. Anders Hägerstrand, der als Journalist von der "Dagens Industri" regelmäßig über Northvolt berichtet, sagte dagegen im Gespräch mit NDR Schleswig-Holstein (ndr-online 24.09.2024), dass er einen Produktionsbeginn in Heide in zwei Jahren für fast unmöglich halte.
Northvolt konzentriere sich nun darauf, seine Produktion im Werk im schwedischen Skellefteå zu steigern. 

„Europas Batteriepläne kommen unter die Räder“  

Die weltweit größten Lithium-Ionen-Batteriehersteller sind die chinesischen Firmen CATL und BYD, die beide mit einem Marktanteil von insgesamt über 50 Prozent die Batteriewelt dominieren.

Unter den weiteren Top 10 sind weitere vier chinesische, drei südkoreanische und ein japanisches Unternehmen zu finden. Fakt ist: Aktuell haben sich mittlerweile weltweit Überkapazitäten entwickelt, weil der Absatz von E-Autos - insbesondere in Europa - nicht wie erhofft nach oben schnellt. Selbst das Werk des Weltmarktführers CATL in Thüringen ist zur Zeit nicht ausgelastet.

Zusätzlich verbreiteten zwei Ankündigungen den europäischen Batterieherstellern Sorgen. Zum Einen wurde Anfang des Jahres in China eine Industrieallianz für die Entwicklung und Produktion von Feststoffbatterien gebildet. Zum Zweiten:  Kurze Zeit darauf folgte die Meldung des größten chinesischen Autoherstellers (SAIC), schon in zwei Jahren mit der Massenproduktion von Feststoffbatterien beginnen zu wollen.

Feststoffbatterien haben im Gegensatz zu Lithium-Ionen-Batterien eine viel größere Energiedichte, sodass man länger mit einer Ladung fahren kann – der Wunsch eines jeden E-Auto-Besitzers.
Angesichts dieser Situation „macht sich in Europa immer stärker Ernüchterung breit. Eine Batteriehoffnung nach der anderen stutzt ihre Pläne, ob Start-ups oder Großkonzerne. Die Fabriken hierzulande drohen Rohrkrepierer zu werden“ [2]

Dazu passt auch die jüngste Meldung vom weltweit größten Chemiekonzern, der Ludwigshafener BASF. Der dort mit großen Hoffnungen gestarteter Aufbau einer Produktionslinie um Batteriechemikalien für Elektroantriebe wird zunächst einmal auf Eis gelegt.
„Angesichts der hohen Markt-und Technologierisiken, gerade in Europa, sei der Aufbau einer Wertschöpfungskette für Batteriechemikalien schwierig,“ wird der Konzernchef Markus Kamieth zitiert (FAZ 27.9.2024).

Zu den zarten Pflänzchen der europäischen Batterieindustrie zählt auch Northvolt und muss sich nun in einem zunehmend schwierig werdenden Marktumfeld behaupten. Und die jüngsten Beschlüsse der EU-Kommission über Strafzölle für E-Autos aus chinesischer Produktion sind gewiss für Northvolt u.a. kein Stimmungsaufheller. Deutsche Auto-Konzerne lassen in Joint Venture Kooperationen (deutsche und chinesische Unternehmen), in China für den Export produzieren und müssten durch die „Schutzzoll“-Maßnahmen mit einem Absatzrückgang der chinesischen Import-Fahrzeuge in Deutschland rechnen.
Sollte China seinerseits Einfuhrzölle auf Autos einführen, würde dies die deutschen Autohersteller hart treffen. Im Jahr 2023 ist etwa ein Drittel der in Deutschland produzierten Fahrzeuge nach China exportiert worden.[3]


Carlsson und seine „klare Mission“

Ziel von Northvolt, des 2016 von Peter Carlsson gegründeten Batterieunternehmens ist, die chinesische Dominanz auf dem Batteriemarkt zu brechen. Damit das gelingt, muss man schnell, innovativ und vor allem groß sein – so Carlssons Philosophie. Klingt irgendwie bekannt. Und das kommt nicht von ungefähr; arbeitete der Wirtschaftsingenieur zunächst für den schwedischen IT-Konzern Ericsson und wechselte dann zum us-amerikanischen Start-up namens Tesla, wo er in Nevada eine Batteriefabrik aufbaute. Die Zeit unter Elon Musk habe ihn sehr geprägt, betont er immer wieder: „Ich hätte Northvolt nie gegründet, wenn ich nicht durch seine Schule gegangen wäre“. Doch anders als der bisweilen exzentrisch auftretende Musk verströmt Carlsson eher nordische Gelassenheit – doch auch er steht für eine „Mission“: „Wir haben eine klare Mission: Leute, die zu uns kommen, arbeiten nicht nur in einer neuen Industrie. Sie haben die einmalige Chance, einen Beitrag zu leisten im Kampf gegen die größte Bedrohung unserer Zeit. Den Klimawandel. Zudem bieten wir allen Beschäftigten an, Shareholder zu werden an unserem Unternehmen.“ [4] 

War die Ansiedlung des Tesla-Werkes in Grünheide (bei Berlin) von Anfang an und bis heute von Protesten der Bevölkerung begleitet, findet das Großprojekt in Dithmarschen durchweg wohlwollenden Zuspruch. Das hängt auch damit zusammen, dass Carlsson der Region ein „Gesamtkonzept“ anbietet, das nicht nur die Schaffung tausender Arbeitsplätze inmitten eines „grünen“ Wirtschaftsareals beinhaltet, sondern viele weitere Annehmlichkeiten bereit hält wie z.B. die Nutzung der Abwärme für die örtlichen Fernwärmenetze.

Vor allem wirbt Northvolt damit, dass in Heide eine neue Batterietechnologie auf der Basis von Natrium-Ionen zum Einsatz kommt. Diese kommen ohne Kobalt, Nickel und Lithium aus und gelten deshalb als wichtig für Energiewende und Nachhaltigkeit.
Die Natrium-Ionen-Batterie wird   mit Mineralien wie Eisen und Natrium hergestellt, die auf den Weltmärkten reichlich vorhanden sind. Die Energiedichte dieser neuen Zelle soll nahe an die von Lithiumbatterien, die üblicherweise in Elektroautos verwendet würden, heranreichen, so die Aussagen von Northvolt. Lithiumbatterien haben eine Energiedichte von etwa 250 bis 300 Wattstunden pro Kilogramm. Wegen ihrer geringeren Energiedichte war die Verwendung der Natrium-Ionen-Batterie als Autobatterie bislang nur bedingt geeignet - sie ist größer und schwerer, was für den Einsatz in Automobilen nachteilig ist. Diesen Nachteil wollte Carlsson mit seinem Batteriewerk bei Heide wettmachen – so seine Ankündigung im Jahre 2022. Doch diese Perspektive steht inzwischen auf wackligen Beinen. Einerseits entwickelt sich auch die Lithium-Batterie-Technologie weiter (und nicht umsonst hat sich Deutschland gerade in Serbien einen umfangreichen Litihiumabbau gesichert); zum anderen drängt aus China eine neue Feststoffzellen-Technologie auf den Markt.                                                                                                                                                                 

Umweltverbände und die Batteriefabrik

Das Verhältnis der Umweltgruppen zur Ansiedlung der Mega-Fabrik auf der grünen Wiese war von Anfang an im Großen und Ganzen von Wohlwollen geprägt - mit kritischen Einwänden im Detail. Die Kritik richtete sich dabei weniger an das Unternehmen selber sondern vor allem an Politik und Verwaltung.

Northvolt betont, dass der BUND und andere Umweltverbände von Anfang an eingebunden waren, um Planung und Bau der Fabrik kritisch zu begleiten und Vorschläge für eine ökologische Gestaltung des Ansiedlungsgebiets zu machen. So erklärte Northvolt gegenüber dem BUND, dass etwa die Hälfte der Dachfläche aller Gebäude für eine Begrünung zur Verfügung stehen sollen. Auf der anderen Hälfte sollen Solarkollektoren zusätzlichen Strom produzieren.

„Nach Auffassung des BUND ist der Bau einer hocheffizienten und umweltfreundlichen Fabrik für Batterien für E-Autos grundsätzlich ein sehr gutes Projekt. Zurzeit mangelt es aber an einer stringenten, raumübergreifenden Planung, die sicherstellt, dass die Vorteile aus der räumlichen Nähe zu Erzeugern nachhaltiger Energie nicht z.B. durch eine ungünstige Verkehrsanbindung von der Fabrik und ggf. auch Zulieferern und Defiziten bei Umweltschutz und Umweltsicherheit gleich wieder zunichte gemacht wird,“ heißt es in der Erklärung des BUND Schleswig-Holstein vom 11.7.2022.

Und eineinhalb Jahre später heißt es in einer umfangreichen Stellungnahme an den Kreis Dithmarschen:

 „Diese zwingend notwendige Gesamtbetrachtung und nachhaltige Beurteilung des Projektes wurde bislang unterlassen. Für die Entscheidungsträger*innen und die Menschen der Region werden die Gesamtauswirkungen des Projektes weder im Einzelnen noch nachhaltig in der Gesamtheit deutlich und erkennbar. Stattdessen werden in Form einer scheibchenweisen Betrachtung einzelner Teilelemente die Gesamtauswirkungen vernebelt und intransparent gemacht. (…) Der BUND SH bedauert es außerordentlich, dass aufgrund der wiederholt kritisierten mangelhaften und wenig nachhaltigen Planungsweise ein grundsätzlich positives Ansiedlungsprojekt, welches bei einer sachgerechten Planung ein ökologisch, sozial und wirtschaftlich vorteilhaftes Leuchtturmprojekt im Lande hätte werden können in ein derartig intransparentes ‚Planungschaos‘ getrieben wird.
Es besteht ein überragendes öffentliches Interesse daran, dass die Gesamtauswirkungen einer Planung auf die Region, die Umwelt und die Menschen nachhaltig betrachtet, bewertet und in transparente Entscheidungen umgesetzt werden können. Stattdessen fällt ein möglicher guter Ansatz hier der Intransparenz und Salamitaktik in auch rechtlich fragwürdiger Form anheim.
Diese Praxis wird weder den Menschen der Region gerecht noch genügt sie den Grundanforderungen nachhaltiger umwelt- und klimagerechter Planung.“ [5]

Auf Grundlage dieser Einschätzung hatte der BUND im April 2024 Klage vor dem Verwaltungsgericht in Schleswigs eingereicht. Dabei ging es um zwei wasserrechtliche Genehmigungen, die der Kreis Dithmarschen erteilt hatte - und die laut BUND ohne vorherige Umweltverträglichkeitsprüfung erfolgt seien. Die erteilten Genehmigungen erlauben laut BUND das Zuschütten, Verlegen und Kanalisieren von Gewässern, um das Baugrundstück zu erschließen. In der Folge könne sich die Wasserqualität verschlechtern, so die Kritik.                                                                                                     Ende Juni zog der BUND diese Klagen zurück. Viele Fragen hätten ausgeräumt werden können, so ein BUND-Sprecher.
Northvolt betont, dass das Wasserkonzept für die Fabrik besonders nachhaltig sei - die neuen Gewässer würden sogar naturnäher als die ursprünglichen. Auch die Wasserqualität werde, im Gegensatz zu den Befürchtungen des BUND, nicht beeinträchtigt.

Wie sieht es aktuell vor Ort aus? Probleme und Herausforderungen

Im März 2022 wurde im Foyer der Fachhochschule Westküste (FHW) in Heide der Bau einer Batteriezellenfabrik des schwedischen Unternehmens offiziell verkündet. Ende Februar 2024 fand im Berufsbildungszentrum in Heide ein Treffen unter dem Motto "Northvolt trifft Wirtschaft" statt. Northvolt hatte zusammen mit der Industrie-und Handelskammer, der Kreishandwerkerschaft Dithmarschen, dem Unternehmensverband Unterelbe-Westküste und der Entwicklungsgesellschaft Region Heide (EARH) zu dem Treffen eingeladen. Ziel der Veranstaltung: Die Betriebe aus Handwerk, Handel und Industrie aus der Region sollen beim Bau der Batteriefabrik tatkräftig mithelfen. Über 500 Handwerksmeister und Vertreter von kleinen und mittelständischen Unternehmen aus ganz Schleswig-Holstein waren gekommen. Viele von ihnen stehen jetzt in den Startlöchern und hoffen, dass es mit dem Bau zügig voran geht.

Am 25. März 2024 erfolgte dann der medienwirksam inszenierte „Spatenstich“ in Form eines gemeinsamen Boßel-Werfens. Angereist waren Bundeskanzler, Wirtschaftsminister, Ministerpräsident, Botschafterin und Firmenchef. Die Anwesenden hoben hervor, dass es sich hier um eines der größten Industrieprojekte Deutschlands handelt. Die erste Zellmontage ist für das Jahr 2026 geplant. Im Endausbau von 2029 an sollen mit 3000 Beschäftigten jährlich Batteriezellen für eine Million E-Autos hergestellt werden. Das Versprechen „grüner Batterien“ knüpft das Unternehmen vor allem an die Verwendung erneuerbarer Energien. Dass es in Dithmarschen Windstrom im Übermaß gibt, war angeblich entscheidend für die Standortentscheidung, Northvolt-Chef Carlsson rechne dabei mit Strom zu Preisen von 5 bis 6 Cent je Kilowattstunde (c/kw) um wettbewerbsfähig zu sein (zum Vergleich: der durchschnittliche Industriestrompreis in Schleswig-Holstein beträgt 2024 etwa 17 c/kw).

Seit Ende März wird auf dem Gelände der zukünftigen Batteriefabrik gebaut. Das 170 Hektar große Areal gehört zu den drei Gemeinden Norderwöhrden, Wesseln und Neuenkirchen; alle drei Dörfer gehören zum Amt Heider Umland. Die Mitarbeitenden des Amtes beraten die ehrenamtlichen Gemeindevertreter und bereiten die notwendige Bauleitplanung vor. Derzeit laufen die Arbeiten für die Pfahlgründung. Bagger und schwere Lkw bereiten auf dem Gelände die Fläche für die weiteren Bauarbeiten vor.                                                                                                                                        Vor allem werden noch weitere Flächen benötigt, damit Zulieferer sich so schnell wie möglich nahe der Batteriefabrik ansiedeln können. Aus der Sicht des Beratungsunternehmen CIMA aus Lübeck ist auch für Northvolt entscheidend, dass bestimmte Komponenten und Services in einem nahen Umfeld angesiedelt werden können. Eine entscheidende Rolle komme nun der neuen Grundstücksgesellschaft des Kreises zu. „Es fehlten aber noch einige wichtige Punkte, damit die Gesellschaft ins Arbeiten kommt,“ so Dithmarschens Landrat Schütt. „Die Gesellschaft soll ja über einen Fonds des Landes finanziert werden, und dazu brauchen wir noch die rechtlichen Rahmenbedingungen." Diese Punkte müsse man sorgfältig abarbeiten, denn Kreis und Land seien schließlich den Steuerzahlern verpflichte.  Er hofft, dass alles bis Ende des Jahres geklärt ist, damit die Grundstücksgesellschaft dann ihre Arbeit aufnehmen und Gespräche mit Landbesitzern in den Gemeinden führen kann.[6]

Neben den Gewerbeflächen für Zuliefererbetriebe stehen die Mammutaufgaben Ausbau des Schienennetzes für die Güterzüge in Richtung Hamburg, Schaffung neuer Wohnungen und zusätzlicher Kita- und Schulplätze auf der Tagesordnung. Federführend hierfür zeichnet die Entwicklungsgesellschaft Region Heide (EARH), deren Fachleute den gesamten Ansiedlungsprozess von Northvolt von Anfang an begleitet haben.

Zum Beispiel Wohnungsbau:  7.100 Wohneinheiten müssen nach deren Berechnungen in der Stadt Heide und den elf umliegenden Gemeinden gebaut werden. Die Bürgermeister gehen davon aus,  dass ein bestimmter Prozentsatz des neu zu schaffenden Wohnraums den „Einheimischen“  vorbehalten ist. Es soll nämlich nicht das Gefühl entstehen, alle Maßnahmen würden sich nur um Northvolt drehen.

Verkehrsanbindung: „Die Realität gleicht eher einem Albtraum“

Weder der Zustand der Schienennetze im Güter- noch im Personenverkehr ist für ein Projekt wie das Batterie-Werk ausgelegt. Northvolt wirbt damit, die „grünste Batterie der Welt" zu produzieren. Um diesem Anspruch gerecht zu werden, müssen die Produkte möglichst per Bahn zu den Kunden gebracht werden. Auch die bis 3.000 Mitarbeitenden sollen möglichst mit der Bahn zur Arbeit kommen können - auch wenn sie eher am Hamburger Rand wohnen werden als in Heide und Umgebung.  

„Doch so schön der Traum des schwedischen Start-Ups von einer solchen Infrastruktur in Schleswig-Holstein ist, die Realität gleicht eher einem Albtraum.
Um nach Hamburg zu kommen, müssten die Züge über den Nord-Ostsee-Kanal. Die Hochbrücke Hochdonn auf der Hauptroute, der sogenannten Marschbahnstrecke, ist für solche Lasten gar nicht ausgelegt. Das Land lässt im Moment nach eigenen Angaben prüfen, ob die Brücke so verstärkt werden könnte, dass die Northvolt-Züge sie nutzen können. Eine Alternativroute wäre die Strecke über die Grünentaler Hochbrücke zwischen Heide und Neumünster. Doch die Regionalbahn-Strecke über die Dörfer hat nur ein Gleis und ist nur für maximal 80 Stundenkilometer zugelassen - zu wenig für die 24 Northvolt-Züge. Beide Strecken sind nicht elektrifiziert. So oder so können also - wie bisher auch - nur Loks mit alter Diesel-Technik zum Hightech-Unternehmen fahren.
Nicht nur Güter müssen das Northvolt-Werk erreichen und verlassen können, sondern auch die 3.000 Mitarbeitenden. Nicht alle werden direkt in der Region wohnen. Es wird zum Beispiel auch Pendlerinnen und Pendler geben, die aus Hamburg, dem Kreis Pinneberg und dem Kreis Steinburg zur Fabrik fahren. Wer heutzutage in Hamburg-Altona in die Bahn steigt und nach Heide fährt, braucht eine Stunde und 30 Minuten. Das sei zu lang, sagt Northvolt. Eine Voraussetzung für die Schweden, sich hier anzusiedeln, war damals auch, dass Menschen aus Hamburg in weniger als einer Stunde mit der Bahn in Heide sind. Damit das funktioniert, müsste ein neues Gleis zwischen Horst im Kreis Steinburg und Itzehoe gebaut werden. Ein neuer Abschnitt entlang der Marschbahnstrecke, eine verstärkte oder neue Hochbrücke in Hochdonn oder eine ausgebaute Strecke zwischen Neumünster und Heide - all diese Vorhaben würden in normalen Verfahren Jahrzehnte dauern.“ [7]

Satte Fördermittel für Northvolt von EU, Bund und Land

Der Investitionsbedarf für die Northvolt-Batteriefabrik wird auf etwa 4,5 Milliarden Euro beziffert. Aufgrund eines EU-Programms werden dem Unternehmen knapp eine Milliarde Euro an Fördermitteln von EU, Bund und Land zugesprochen. Das Bundeswirtschaftsministerium stellt Northvolt 564 Euro Millionen zur Verfügung, der schleswig-holsteinische Landtag hat einen Förderungsbetrag von 136 Millionen Euro bewilligt. „Viel Geld für Northvolt trotz Haushaltssperre“ befand selbst die eben nicht besonders wirtschaftskritische FAZ. (4.12.2023).     Im Januar 2024 genehmigte die EU-Kommission abschließend die vorgesehenen Fördermittel. Ohne die Subvention hätte sich Northvolt nach Angaben der Kommission für einen Standort in den USA entschieden. „Diese Maßnahme im Umfang von 902 Millionen Euro ist die erste Einzelbeihilfe, die genehmigt wurde, um zu verhindern, dass eine Investition in ein Land außerhalb Europas verlagert wird", sagte die seinerzeit für Wettbewerb zuständige EU-Kommissarin Margrethe Vestager. Die EU will strategisch wichtige Technologien wie Batterien und Halbleiter verstärkt selbst produzieren, um unabhängiger von Drittstaaten wie China und den USA zu werden.

Das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) sieht diese Subventionen kritisch und fürchtet, dass Konzerne letztendlich Regierungen gegeneinander ausspielen.

„Es ist ein Irrweg, sich in diesen Subventionswettlauf hineinziehen zu lassen. Vermutlich wäre Northvolts Investment auch mit weit weniger Subventionen lohnend gewesen, was nur die Anteilseigner freut. Das Geld muss nun vom Steuerzahler aufgebracht werden und fehlt an anderer Stelle, etwa bei Investitionen in Bildung oder Infrastruktur.“[8]

Wenn im Zusammenhang mit Northvolt mitunter immer noch etwas verniedlichend von einem „Start-Up“ gesprochen wird, verkennt das die reale Konzernstruktur. Größter Anteilseigner von Northvolt ist Volkswagen (21,1 Prozent). Weiterhin sind an dem Unternehmen BMW, Scania und Volvo beteiligt. Die US-Bank Goldman Sachs und die Investmentgesellschaft Blackrock gehören ebenfalls zu den Investoren. Staatliche Subventionen in Millionenhöhe für Konzerne, Banken und Investment-Heuschrecken, die Milliarden Gewinne machen und ihren Aktionär:innen satte Dividenden ausschütten?

Vom Elend staatlicher Subventionspolitik für Konzerne

In Politikerporträts über Olaf Scholz wird gern (und etwas hämisch) daran erinnert, dass er als Juso-Aktivist strammer Stamokap-Anhänger war. Was besagt die Stamokap-Theorie? Lenin prägte um 1917 herum den Begriff „staatsmonopolistischer Kapitalismus“, den er als allerletzte Weiterentwicklung des faulenden, parasitären Imperialismus betrachtete. Wenige große Konzerne und Banken verwachsen mit den staatlichen Organen, daraus resultiere eine alles durchdringende politisch-ökonomische Herrschaftsstruktur. Vor allem in den 70er Jahren fand diese Theorie insbesondere in der DKP, ihnen nahestehenden Ökonomen, einzelnen Sozialdemokraten (Klose: „Der Staat als Reparaturbetrieb des Kapitalismus“) und Jungsozialisten Zustimmung.                                                                                   

In den 80er Jahren geriet dieser theoretische Ansatz ein wenig aus dem Blickfeld angesichts der Fokussierung auf die neoliberale vom Shareholder- und Finanzkapital dominierte Ökonomie. Doch spätestens mit der Finanzkrise (2007ff) meldete sich „der Staat“ auch wieder sichtbar als ökonomischer Akteur zurück. Der Ökonom Jörg Huffschmid wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Stamokap-Theorie (SMK) also nicht obsolet sei. „Die Interessen der Automobilindustrie müssen sich zwar nicht zwangsläufig und aufgrund der Logik des SMK durchsetzen“, schrieb er: „Nur: Faktisch tun sie es.“[9]    

Subventionierung von Großkonzernen, die ihre Profitziele verfehlen und dann dem Staat mit Abwanderung und Vernichtung von Arbeitsplätzen drohen, wenn staatliche Subventionen ausbleiben sollten, sind seither auf der Tagesordnung (besonders ausgeprägt seit der Corona-Zeit).
Der Soziologe Klaus Dörre schreibt dazu zutreffend:                                                                                                                           

„Der Kapitalismus muss zur Stabilisierung seiner Herrschaft immer aufwendigere Investitionen tätigen. Man muss nur anschauen, was die Gesellschaft leisten muss, um Tesla die Produktion von E-Autos zu ermöglichen (oder Northvolt den Bau der Batteriefabrik, G.St.). Angefangen vom Bahnhof, der da hingebaut wird, über die Lade-Infrastruktur und so weiter. Würde man das alles den Konzernen in Rechnung stellen, würde es schwierig werden mit der Profitproduktion. Die Befürworter des Kapitalismus betonen ja immer, ihr System sei sehr effizient bei der Produktion gesellschaftlichen Reichtums. Aber das kann man mittlerweile wirklich nicht mehr behaupten. Der Kapitalismus ist ein System, das, um fortzubestehen, viele Bereiche regelrecht ausplündern muss.
Wir können uns den Kapitalismus nicht mehr leisten – das wäre meine These.“
[10] 

 

[1]manager-magazin 9.9.2024

[2]Europas Batteriepläne kommen unter die Räder, FAZ 18.7.24

[3]     https://de.statista.com/statistik/daten/studie/238001

[4]„Wir nehmen es mit den Asiaten auf“, FAZ 1.7.2023

[5]   Stellungnahme zum wasserrechtlichen Plangenehmigungsverfahren im Zuge der Errichtung einer Batteriefabrik in den Gemeinden Lohe-Rickelshof und Norderwöhrden, gerichtet an den Kreis Dithmarschen, Fachdienst Wasser, Boden Abfall.  BUND SH 18.1.2024

[6]   ndr-online 10.8.2024

[7]   ndr-online 23.2.24

[8]  FAZ 26.3.2024

[9]  Huffschmid, Jörg: Die Rückkehr des Staates. In: Blätter für deutsche und internationale Politik, November 2008

[10]  Interview mit dem Soziologen Klaus Dörre, ND 14.6.24