Kranke Arbeiter gefallen Tesla-Chef Elon Musk gar nicht.
Beschäftigte der Brandenburger Tesla-Fabrik erhalten unangekündigt Kontrollbesuche zu Hause.



Ausgesuchte Mitarbeiter von Tesla erhielten zu Hause einen Besuch von Geschäftsführer André Thierig und Personalchef Erik Demmler.

„......wir mussten zu den Leuten fahren. Und das haben wir gemacht. Das hat nichts mit Generalverdacht zu tun. Wir haben uns einfach mal 30 Mitarbeiter ausgesucht, die entsprechende Auffälligkeiten hatten, die sich ziemlich lange im Krankenstand befinden, aber auch viele Erstbescheide“, so Demmler auf der Betriebsversammlung. (1)

Auch für andere Unternehmenslenker ist die Krankenquote ein Thema.
Ein großes Problem der Bundesrepublik sei „unser chronisch erhöhter Krankenstand“, erklärt Oliver Bäte, Vorstandsvorsitzender der Allianz SE (2). „Die Krankmeldungen in Deutschland liegen damit weit über dem Niveau von Ländern wie den USA, Kanada oder der Schweiz“, bemängelt der Versicherungsboss. 

Die Zahlen sind erschreckend. Seit den Corona-Jahren befinden sich die Krankenstände hierzulande im Aufwärtstrend und liegen nun auf einem im historischen Vergleich hohen Niveau.
Bei den Schlagzeilen darf nicht übersehen werden: In vielen Unternehmen werden Methoden eingesetzt, um Druck auf Kranke auszuüben. Oft werden regelmäßig „Krankenrückkehrgespräche“ geführt.
Es wird nicht nach Ursachen gesucht, sondern der Einzelne aufgefordert, sein Verhalten zu ändern. Dies suggeriert Betroffenen, sie tragen Schuld an einer Krankheit.  

Bei den Ursachen setzt die gewerkschaftliche Hans-Böckler-Stiftung an:
 Belastende Arbeitsbedingungen führen aus Sicht der Forscherin Elke Ahlers zu steigenden Krankenständen. In vielen Betrieben komme es zu Arbeitsverdichtung. Pausen werden eingeschränkt, der Feierabend ist nicht mehr sicher. Viele Arbeitende könnten abends schlechter von der Arbeit abschalten.
„Das alles wirkt sich auf die Arbeitszufriedenheit, auf das Betriebsklima und letztendlich auf die Gesundheit aus“ (3).


Mehrfachbelastungen am Arbeitsplatz machen krank

Der Arbeitsschutz ist nach wie vor ein „Sorgenkind“, etwa im Dienstleistungssektor. Das belegt die 17. Ausgabe der ver.di-Arbeitsberichterstattung mit dem Titel „Arbeitsbelastung hoch, Arbeitsschutz mangelhaft“ (4).

Ausgewertet wurden Angaben von 4.600 Beschäftigten, die im Dienstleistungssektor arbeiten.

Die Arbeitsberichterstattung basiert auf einer Sonderauswertung des DGB-Index Gute Arbeit. Nur knapp über die Hälfte aller Befragten meint, dass sie unter den derzeitigen Arbeitsbedingungen bis zur Rente durchhalten. Die Befragung zeigt auch warum:
Mehrfachbelastungen sind bei Belegschaften im Dienstleistungssektor an der Tagesordnung.
Ein hohes Tempo und Intensität der zu erledigenden Aufgaben zeigen sich in Gesundheitswesen und digitalisierter Verwaltung. Starke körperliche Belastung nennen Beschäftigte bei Paketdienstleistungen oder in der Logistik.

Fast 90 % der Beschäftigten sind von mindestens zwei der vier in der Studie untersuchten Belastungsarten betroffen.


Ursachen angehen? Fehlanzeige!

Zentrales Instrument zum Gegensteuern ist aus Sicht des Gesetzgebers die Gefährdungsbeurteilung. Sie ist im Arbeitsschutzgesetz festgeschrieben (§ 5 Abs. 1 ArbSchG). Dennoch sagt fast jeder zweite befragte Beschäftigte, dass die Gefährdungsbeurteilung im Betrieb nicht stattfand. 

Eine Gefährdungsbeurteilung ist nur vollständig, wenn psychische Belastungen einbezogen werden. Denn sie wirken vielfach auf den Körper. Lang andauernde psychische Fehlbeanspruchungen können nicht nur psychosomatische Erkrankungen auslösen, sondern Beschwerden des Herz-Kreislaufsystems, der Verdauung sowie Schlafstörungen zur Folge haben.

Auch wird zunehmend unternehmerische Verantwortung auf Beschäftigte verlagert. Viele Arbeitsprozesse sind in der heutigen Arbeitswelt nicht mehr mit einer zentral durchdachten Steuerung regelbar.
Die Arbeitsorganisation erfordert eine andere Ausrichtung der Unternehmen, um digitalisierte Arbeitsprozesse besser im Firmensinne steuern zu können: Eine prozessorientierte Projektmanagementmethode ist PRINCE2 (Projects IN Controlled Environments). Sie bietet eine strukturierte Vorgehensweise für das Management von Projekten und konzentriert sich darauf, Projekte in kontrollierten Umgebungen durchzuführen.
Durch definierte Rollen und Verantwortlichkeiten wird Transparenz und Verantwortlichkeit gefördert. So können dezentral Aufgaben von Beschäftigten übernommen werden. Entscheidend ist dabei nicht der „Weg“, sondern nur das Ergebnis. Agile Teams arbeite in „Sprints“, die in der Regel zwei bis vier Wochen dauern. Es gibt regelmäßige Meetings wie tägliche „Stand-up“-Treffen oder „Sprint Reviews“.
 Scrum fördert die Teamarbeit und Transparenz, ermöglicht schnelle Anpassungen und regelmäßiges Feedback. Die Methode wurden anfangs nur in der Softwareentwicklung verwendet, ist aber auch in anderen Bereichen einsetzbar.
Heute werden Entwicklungsabteilungen danach organisiert, die im Unternehmensinteresse neue Produktkonzepte erarbeiten, mit denen Profite gesteigert werden sollen. Die Folge für die Beschäftigten sind dabei häufig psychische Belastungen.

Statt sich über eine vermeintlich weniger leistungsbereite arbeitende Bevölkerung zu beklagen, müsse an den relevanten Ursachen der hohen Fehlzeiten angesetzt werden, fordert deshalb Gesundheitsexpertin Ahlers.
Die Bosse der Unternehmen klagen lieber über die Belegschaften.

 

(1) www.electrive.net/2024/09/25/tesla-kontrollbesuche-bei-krankgeschriebenen-angestellten

(2) www.handelsblatt.com/meinung/gastbeitraege/krankmeldung-teilzeit-wie-wir-den-wohlstand-in-deutschland-nicht-sichern-02/100070229.html.

(3) www.bund-verlag.de/betriebsrat/aktuellesbr~Ungesunde-Arbeitsbedingungen-treiben-Krankenstan ~.html

(4) https://innovation-gute-arbeit.verdi.de/++co++7749254e-0215-11ef-b306-1b1aa92a88c1