In den Ausführungen „Das Geheime Leben der Bäume“ schreibt Deutschlands bekanntester Förster, Peter Wohlleben, beliebt bei vielen Umwelt- und Naturschutzverbänden, Bäumen menschliche Eigenschaften zu. Da stillen Mutterbäume ihren Nachwuchs, sie kuscheln miteinander, und der Wald soll wieder zu Urwald werden und nur nachrangig zur Holzerzeugung dienen. Kritische Kommentare über diese Denkweise richten sich gegen neue ideologische Begründungen gegen die Wald-Erzeugung von Holz.

Peter Wohlleben ist Deutschlands bekanntester Förster und Autor, weit über Deutschland hinaus seit Erscheinen seines Buches „Das Geheime Leben der Bäume“. Seine Bücher verkauften sich bisher millionenfach und wurden in mehr als vierzig Sprachen übersetzt. Er ist bekannt und beliebt in Talkshows und Medien und hat einen großen Kreis um sich geschart in den Umwelt- und Naturschutzverbänden. Da werden Bäumen menschliche Eigenschaften zugeschrieben, dass Mutterbäume ihren Nachwuchs stillen, dass sie miteinander kuscheln, der Wald wieder zu Urwald oder mindestens zu einem weitgehend dem natürlichen Urwald ähnlicher Naturwald werde und nur nachrangig zur Holzerzeugung dienen soll.

Nun hat sich Wilhelm Bode zu Wort gemeldet, streitbarer Jurist und Forstakademiker, einst Leiter der saarländischen Forstverwaltung und der Obersten Naturschutzbehörde. Denn „hier werde mit neuer ideologischer Begründung gegen die Wald-Erzeugung von Holz mobilisiert“. Wilhelm Bode ist engagierter Verfechter des auf Stetigkeit von Waldökosystemen in Raum und Zeit aufbauenden Dauerwald-Konzepts von Alfred Möller. Dieser hatte das Konzept bereits in den ersten beiden Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts ausgearbeitet und stieß damit auf harten, anhaltenden Widerstand konservativer Forstwirtschaft. Dennoch wird nach dem Konzept erfolgreich gewirtschaftet, zumeist von Privatwaldbetrieben. Bemerkenswert ist, dass Peter Wohlleben (gemeinsam mit Pierre Ibisch) zwar sein neuestes Buch „Waldwissen“ Möller gewidmet hat, aber das Konzept nur bruchstückhaft aufgreift und kein Wort verliert zu den damit erfolgreich arbeitenden Betrieben. Das sei aber an dieser Stelle nur erwähnt.

Zurück zu Bodes Kritik. In seinem Essay geht es hart zur Sache. Mit Blick auf die Geschäftstätigkeit Wohllebens merkt er an, dass dieser sich hier für „waldliebende Bürger sowie kommunale Waldbesitzer – und gerne auch für die produzierende Wirtschaft – zu saftigen Preisen eine gänzlich neue Marktnische eröffnet habe“. Auf den Spuren für den Markterfolg des Bestsellers kommt Bode zu dem Ergebnis, dass es hier „eher unwahrscheinlich ist, dass es sich dabei um einen Zufallserfolg handelte“, sondern um einen, der „marktstrategisch gezielt konstruiert und angegangen wurde“. Dafür wird „die romantische Waldliebe der Deutschen angesprochen, indem er den Bäumen Sprache und Gefühle andichtet“. Diese Zuschreibung menschlicher Eigenschaften gegenüber Bäumen, Tieren oder Naturgewalten, der sogenannte Anthropomorphismus, ist – so auch Bode – weltweit Bestandteil aller großen Religionen und hat breiten Eingang in die Alltagskulturen aller Völker gefunden.

Das dürfte das große Echo auf sein Buch erklären. Mit solchen Zuschreibungen setzt sich eine jüngst veröffentlichte Literaturstudie von 35 führenden europäischen und nordamerikanischen Ökologie- und Waldbauwissenschaftlern auseinander. Deren Ergebnisse teilt Wilhelm Bode und verweist Wohllebens menschliche Verhaltenszuschreibungen von Bäumen ins Reich von „Fake-News“, Fabeln und Märchen. Die Studie befasst sich mit der Frage, „inwieweit über die Mykorrhizanetzwerke (das Wurzelnetzwerk der Bäume, der Verf.) ein erheblicher Kohlenstofftransfer („Nahrungstransfer“, der Verf.) von „Mutterbäumen“ auf ihre Nachkommen und nahegelegene Sämlinge stattfindet“. Diese Behauptung wurde verneint. "Jüngste Übersichten zeigen, dass die Beweise für das „Mutterbaumkonzept“ nicht schlüssig oder gar nicht vorhanden sind“. Trotz dieser Ergebnisse werden aber, da ist sich der Rezensent sicher, die Diskussionen zur Lebensgemeinschaft der Waldbäume und möglichen Interaktionen von gleichen Baumarten untereinander und zwischen unterschiedlichen Baumarten weitergehen. Pflanzen reagieren auf Änderungen ihrer biotischen und abiotischen Umwelt mit mannigfaltigen physiologischen und morphologischen Anpassungen.

Insgesamt geht es letztlich darum, nüchtern und sachlich – frei von Esoterik – zu erforschen, wie sich Pflanzen im Rahmen von Arterhalt und Konkurrenz behaupten und weiterentwickeln können. Schlussendlich kommt Wilhelm Bode zu einem harten Urteil über Peter Wohlleben: „Er macht die begründete Kritik an der realexistierenden Forstwirtschaft, die natürlich primär der Holzerzeugung dient und auch in Zukunft dienen muss, in Deutschland unglaubwürdig, ja unmoralisch. Er hilft mit seinem Vorgehen eher den Gegnern einer, im bestehenden Klimawandel dringend gebotenen, Waldreform.….

Der Einsatz gilt für nutzbare Wälder, die dauerhaft dem Klimawandel standhalten und biologisch effizient das Nutzholz der Zukunft zu erzeugen, da es der beste erneuerbare Rohstoff ist, den wir haben, und der sich biologisch nachhaltig in Dauerwäldern erzeugen lässt“.

Literaturhinweis: Wilhelm Bode: Waldliebe als Geschäftsmodell: Gelüftet: Das Geheimnis von Wohllebens Baum-Geheimnis, J.D. Sauerländer´s Verlag, Bad Orb,  Juli 2024