Worklife-Balance ist ein wichtiges Thema in den Betrieben, wie Berichte von Betriebsräten zeigen. Auszubildende wollen nach Übernahme Nachtschichten vermeiden, Bewerber fordern eine 4-Tage-Woche. Die Bundesregierung jedoch ignoriert diese Stimmung in den Betrieben.

Die jüngsten Beschlüsse der Bundesregierung scheinen eher aus der Mottenkiste zu stammen, statt von einer selbsternannten „Fortschrittskoalition“:
Steuerfreie Überstundenbezahlung und Arbeiten trotz Renteneintritt scheinen Ideen gegen den Fachkräftemangel zu sein.

Nach wochenlangen Verhandlungen haben sich Bundeskanzler Scholz (SPD), Bundeswirtschaftsminister Habeck (Grüne) und Bundesfinanzminister Lindner (FDP) auf einen Nachtragshaushalt für das laufende Jahr sowie den Etatentwurf für 2025 geeinigt, meldet zeit.de https://www.zeit.de/politik/deutschland/2024-07/bundeshaushalt-einigung-ampel-koalition-spd-saskia-esken-lars-klingbeil Das Bundeskabinett soll den Entwurf am 17. Juli beschließen, anschließend geht er an den Bundestag.

Medienberichten zufolge will die Regierung Überstunden und Arbeiten über das Renteneintrittsalter hinaus attraktiver machen. Dafür sollen offensichtlich auf bezahlte Überstunden keine Steuern und Abgaben mehr bezahlt werden. In Betrieben mit Tarifbindung gelte das für Mehrarbeit oberhalb von 34 Wochenarbeitsstunden, in Firmen ohne Tarifvertrag ab der 41. Arbeitsstunde, meldet tagesspiegel.de https://www.tagesspiegel.de/politik/bericht-uber-plane-der-ampelkoalition-empfanger-von-burgergeld-mussen-offenbar-arbeitsweg-von-bis-zu-drei-stunden-akzeptieren-11976677.html

Die Beschäftigten haben hierzulande im vergangenen Jahr laut Tagesschau 1,3 Milliarden Überstunden geleistet (www.tagesschau.de/wirtschaft/arbeitsmarkt/arbeit-deutschland-ueberstunden-100.html).
Demnach fielen pro Arbeitnehmer 2023 durchschnittlich 31,6 Überstunden an, allerdings war laut Bericht mehr als die Hälfte der geleisteten Überstunden 2023 unbezahlt. Dies vor allem auch deshalb, weil die Bundesregierung bis heute eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes nicht umsetzt, nach der Arbeitszeiten zu erfassen sind. Ein Gesetz dazu fehlt bis heute.

Rentner, die weiter arbeiten, soll demnach nicht nur die Auszahlung des Arbeitgeberanteils zur Arbeitslosen- und Rentenversicherung erhalten können, sondern zusätzlich eine Renten-Aufschub-Prämie wählen können. Dabei erhalte der über die Altersgrenze hinaus arbeitende Mitarbeiter eine Einmalzahlung in Höhe der Rente, die ihm sonst ausgezahlt worden wäre.

Fachkräftemangel setzt Unternehmen unter Druck, Ideen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen zu entwickeln: 45 Unternehmen und Organisationen testen die Vier-Tage-Woche. Ein halbes Jahr lang wird die 100-80-100-Variante getestet: 100 Prozent Leistung in 80 Prozent der Zeit für 100 Prozent Lohn. Initiiert wurde das Projekt von der Unternehmensberatung Intraprenör, die wiederum mit der Organisation „4 Day Week Global“ zusammenarbeitet. Mehr als die Hälfte der teilnehmenden Unternehmen hat zwischen zehn und 49 Beschäftigte. Am stärksten vertreten ist die IT-Branche (14 Prozent), aber auch Handwerk und Industrie (je sechs Prozent). https://www.telepolis.de/features/Die-Vier-Tage-Woche-Ein-neues-Modell-fuer-die-Zukunft-der-Arbeit-im-Test-9630436.html

Manche Unternehmen schaffen Fakten. Auf einen freien Freitag setzt unter anderem die Volksbank Kaiserslautern: Bereits im Sommer 2022 führte die Bank eine 34,5-Stunden-Woche ein und senkte die Arbeitszeit somit um 4,5 Stunden wöchentlich. Der Lohn blieb gleich. Die Zahl der Bewerber auf freie Stellen stieg seitdem.

Die Entwicklung bietet Gewerkschaften Anknüpfungspunkte für Forderungen nach kollektiver Arbeitszeitverkürzung. Von der Bundesregierung wird es dazu wohl keine Unterstützung geben.