Da gibt es in der Schweiz, in Lausanne, eine private Hochschule: IMD = International Institute for Management Development. Als ihre Kernkompetenz betrachten sie es, jährlich eine Länderliste aufzustellen, in der die Länder der Welt (bzw. diejenigen, über die man entsprechende Details erfährt) nach ihrer internationalen Wettbewerbsfähigkeit angeordnet werden.

Vor einigen Tagen kam die neueste Länderliste des sogenannten  World Competitiveness Ranking  heraus und es herrscht Panik in den seriösen Medien, weil Deutschland auf Platz 24 von 67 erfassten Ländern abrutschte.
Wo Deutschland doch in die absolute Spitzengruppe gehört, und bis vor einigen Jahren dort auch war. Und jetzt? Totales Desaster? Deutschland geht bald unter? Die Ampel-Regierung versemmelt unseren Wohlstand und muss schleunigst abgelöst werden? So in etwa lauten landauf, landab die Kommentare seitens des Kapitals und der Kapitalfreunde.

Hier die Liste der 30 wettbewerbsfähigsten Länder – mit China auf Platz 14, also besser als Deutschland, aber weit von der absoluten Spitze entfernt.

1

Singapur

11

Katar

21

Bahrain

2

Schweiz

12

USA

22

Israel

3

Dänemark

13

Australien

23

Luxemburg

4

Irland

14

China

24

Deutschland

5

Hongkong

15

Finnland

25

Thailand

6

Schweden

16

Saudi-Arabien

26

Österreich

7

Verein. Arab. Emirate

17

Island

27

Indonesien

8

Taiwan

18

Belgien

28

Vereinigtes Königreich

9

Niederlande

19

Kanada

29

Tschechien

10

Norwegen

20

Südkorea

30

Litauen

Was lernen wir aus dieser Liste? Die Süddeutsche Zeitung schreibt dazu: "Die Länderliste versteht sich als Gradmesser, welche Volkswirtschaften es am besten schaffen, den heimischen Wohlstand zu steigern."

Schauen wir uns das mal an. Die folgende Grafik zeigt für jedes der 30 Länder

  • die durchschnittliche Veränderung des BIP pro Kopf (als einfachster Wohlstandsmesser in der kapitalistischen Statistik) in den 10 Jahren bis 2022 (blaue Linie),
  • desgleichen für die letzten 5 Jahre bis 2022 (rote Linie),
  • und zusätzlich, gepunktet, auch den jeweiligen welt-durchschnittlichen Anstieg des BIP pro Kopf.

 

Grafik: Durchschnittliche Wachstumsraten des realen BIP pro Kopf

Interessanterweise sehen wir, dass hinsichtlich der Wohlstandsteigerung die Mehrheit der 30 wettbewerbsstärksten Länder, vor allem auch die an der Spitze, unterhalb des Weltdurchschnittes rangieren: Beim 10-Jahres-Vergleich sind es nur 10 Länder, beim 5-Jahres-Vergleich gar nur 8 Länder, die besser als der Weltdurchschnitt abschneiden.

SZ: Wirtschaftsstandort fällt zurück, 18. 6. 2024

Spiegel: Deutschland rutscht im Ländervergleich ab, 18. 6. 2024

Welt: Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit im freien Fall, 20. 6. 2024

Daraus ergibt  sich die Frage: Was sollen wir mit einer Länderliste, die die angeblich Wettbewerbsstarken aufführt, die sich aber hinsichtlich der Wohlstandssteigerung (gemessen als BIP pro Kopf) überwiegend als Versager herausstellen?
Eine solche Liste ist für rein gar nichts brauchbar außer als Begründung oder Anlass für das Kapital, wieder mal Forderungs-Schlagworte an die Regierungen zu richten: Bürokratie-Abbau! Billige Energie! Wirtschaftswende! Weniger Regeln! Mehr Subventionen in deutsche Standorte! Und für die digitale Transformation! ………..…