Die Einseitigkeit des Blicks nervt. Positiv-Beispiele kommen im Rest Deutschlands zu wenig an. Seit Jahren belegen Inhaltsstudien deutscher Medien: Medial ist  Ostdeutschland vor allem arbeitslos, nörgelnd und rechts.  


Kürzlich gab ich ein Interview im deutschlandfunk (DLF). „Stellen Medien ‚den Osten‘ zu düster dar?“, war die Frage der Sendung „Ja, das tun sie“, war meine Antwort. Das ist keine Meinung, sondern wissenschaftlich erwiesen. Denn seit Jahren belegen Inhaltsstudien deutscher Medien: Medial ist Ostdeutschland vor allem arbeitslos, nörgelnd und rechts. Auf einer Skala von eins bis zehn lebenswerter Orte in Deutschland, wäre „der Osten“ wohl eine Null.

Natürlich gibt es aber weder „den Osten“, noch „die Medien“. Denn  Thüringen ist nicht gleich Mecklenburg-Vorpommern,  und der Spiegel ist nicht gleich die „Tagesschau“. Die Berichterstattung unterscheidet sich, die Schwerpunkte variieren. Trotzdem gibt es Ähnlichkeiten und Muster. Zum Beispiel erscheint Ostdeutschland oft als eine in sich geschlossene Zone. Das heißt, in überregionalen Medien fehlen oft regionale Unterscheidungen. Außerdem scheinen ostdeutsche Geschichte, Traditionen und Kulturen bis heute vor allem geprägt durch DDR, Stasi und Spione. Auch deshalb lädt „die Zone“ weiter zur Ausreise ein.

Diese Einseitigkeit kann nerven, und so beschwerte sich ein Hörer beim DLF. Den Stein des Anstoßes bot die ZDF-Sendung „Übers Land“ – laut Sender eine „Dokuserie über das Leben in Brandenburg“. Laut Hörer eine klischeehafte Mischung aus Alltagssorgen, Arbeitslosigkeit und Alkoholismus. Viel mehr scheint Brandenburg medial nicht zu bieten.

Seit der DLF-Sendung erreichen mich aber auch andere Negativbeispiele aus Radio, Film und Fernsehen. Wieder sticht eine ZDF-Produktion hervor. Die sechsteilige Serie „Mandat für Mai“ zeigt das Leben einer Berliner Anwältin im Vogtland. Laut ZDF-Pressemappe sei die Serie eine „Entdeckungsreise ins sehenswerte Vogtland“; die Menschen vor Ort seien „eigenwillig, aber herzlich“. Viele VogtländerInen aber sind „entsetzt“, berichtete die Ostthüringer Zeitung (OTZ). Denn die Serie biete „als Hinterwäldler dargestellte Einheimische“. Dadurch werde „ein höchst merkwürdiges Bild der Vogtländer vermittelt“, schrieb OTZ-Redakteur Ingo Eckardt. Es folgte eine Welle der Empörung, die sozialen Medien explodierten, und das Vogtland probte den Aufstand. Zu Recht.

Aber auch andere Regionen Ostdeutschlands erscheinen in den überregionalen Medien oft eindimensional, wie Thüringen oder Sachsen. Beide Bundesländer stehen fast schon synonym für die AfD. Aus gutem Grund. Allerdings fallen lokale Gegenbewegungen so aus dem Blick.

Gleichzeitig werden Entwicklungen anderer Regionen Deutschlands ignoriert. Beispiel Bayern: In der letzten Landtagswahl erzielten die AfD und die rechtskonservativen Freien Wähler zusammen über 30 Prozent. Die erzkonservative CSU schaffte es auf 37 Prozent. Diese Ergebnisse scheinen diskutierenswert. Medial stehen sie aber im Schatten ostdeutscher AfD-Hochburgen.
So wird „die Rechte“ zum „Ossi-Problem“, auch wenn der Rechtsruck durch ganz Deutschland geht.

Wäre ich nicht ostdeutsch, glaubte wohl auch ich an einen nörgelnd rechten Osten. Denn Positiv-Beispiele, wie Kultur- oder Wirtschaftsinitiativen, kommen im Rest Deutschlands kaum an. Das ist schade, denn „der Osten“ hat für ganz Deutschland einiges zu bieten: Mut, Innovationsgeist und Transformationserfahrung zum Beispiel. Auf einer Skala von eins bis zehn positiver Qualitäten stünden sie wohl ganz oben.

Erstveröffentlichung berliner-zeitung