Die Intention des Artikels ist, eine grundsätzliche Alternative zu unserem heutigen global herrschenden Gesellschaftssystem des Kapitalismus mit all seinen Unsicherheiten zu entwickeln.

Wir brauchen uns nur mit den aktuellen politischen, ökologischen, sozialen oder ökonomischen Verhältnissen weltweit zu befassen und es kann uns angst und bange werden. Dies betrifft vor allem die Zukunft unserer Kinder und Kindeskinder. Um nicht in tiefe Verzweiflung zu versinken oder zynisch zu werden, kommt es darauf an, Hoffnung zu schöpfen und nach Auswegen zu suchen.

Was eine künftige Gesellschaftsordnung betrifft, so sollte sie einerseits allumfassend demokratisch und andrerseits sollten alle Bürger und Bürgerinnen am Ergebnis der Güterherstellung in gleicher Weise, d.h. egalitär beteiligt sein. Die beiden systemrelevanten Komponenten sind daher die partizipative Demokratie und die egalitäre Ökonomie.

Der gesellschaftliche Aufbau in Form des Rätesystems ist das Wesensmerkmal der partizipativen Demokratie. Im Gegensatz dazu ist die heutige repräsentative Demokratie vor allem durch ihre Schattenseiten, Stichwort: Beteiligung der Bevölkerung nur in Form von Wahlen, danach jedoch einflusslos, hingegen starker Einfluss mächtiger Interessengruppen, Manipulation durch die Medien usw. geprägt.

Die entscheidende Frage ist: wie kann die Bevölkerung am politischen Willensbildungsprozess beteiligt werden, ohne dass dieser die politischen Abläufe blockiert oder fehlleitet? Nicht durch Massenversammlungen und -abstimmungen, wo es ebenfalls bestimmende Kräfte gibt und die meisten zur passiven Abstimmungsmasse gehören, sondern durch die aktive Beteiligung jedes Bürgers und jeder Bürgerin auf Zeit am gesellschaftlichen Willensbildungs- und vor allem Entscheidungs- und Umsetzungsprozess, eben eine partizipative Demokratie in Form von rotierenden Räten.

Die Bevölkerung im Alter von 25-59 Jahren wird in drei Altersklassen, und zwar 25-44 Jahre, 45-54 Jahre und 55-59 Jahre erfasst. Die jüngeren und älteren Gesellschaftsglieder haben ihre eigenen Partizipationsrechte, auf die in der Folge noch kurz eingegangen wird. In der jeweiligen Altersklasse wird per EDV ausgelost, wer für 2 Jahre in die jeweiligen Räte delegiert wird. In der 1. Altersklasse sind es 20, in der 2. 10 und in der 3. Altersklasse 5 Jahrgänge. Die Räte gliedern sich einmal vertikal entsprechend den Altersstufen und horizontal in 2 Bereiche danach, ob sie den Produktions- oder den Reproduktionsbereich vertreten.

Ein Beispiel, ausgehend von einer Einzelperson: Fritz Müller schaute mit 65 Jahren auf folgende Ratstätigkeit zurück. Mit 27 Jahren wurde er Mitglied im Hausgemeinschaftsrat, dies ist der Rat, dem alle Mitglieder der ersten Altersebene anteilig angehören. Im Alter von 49-50 Jahren war er Mitglied des Betriebsrates seines Betriebes und mit 57 Jahren gehörte er dem Regionalrat der Konsumentenseite an. Ab dem nächsten Jahr ist er für eine Tätigkeit im Kontinentalrat vorgesehen. Diese Mitgliedschaft beruht auf freiwilliger Basis und hier kommen alle in Betracht, die im 3. Altersabschnitt nicht dem höchsten nationalen Gremium, dem Nationalrat angehörten. Außerdem war Fritz Müller noch Mitglied im Rentnerrat, der die Interessen seiner Mitglieder ebenfalls auf freiwilliger Basis gegenüber den Räten vertritt. Mit dem Wechsel in den Kontinentalrat scheidet er aus dem sog. Seniorenrat aus. Seine Ehefrau Edith startete mit 33 Jahren ebenfalls im Hausgemeinschaftsrat, mit 45 Jahren gehörte sie dem Kommunalrat und mit 56 Jahren dem Nationalrat als Vertreterin der Produzentenseite an. Auf eine Beteiligung im Rentnerrat hat sie wegen ihren zahlreichen Freizeitaktivitäten verzichtet.

Die Gewaltenteilung, die heute zwar nach dem Schulbuch aber nicht in der Wirklichkeit existiert (s. Einfluss der Exekutive auf die Mehrheitsfraktionen im Parlament, Geschachere um Auswahl der Verfassungsrichter durch Bundestag und Bundesrat), ist im neuen Gesellschaftssystem aufgehoben. Die Räte haben für ihren jeweiligen Bereich sowohl die gesetzgeberische wie die ausführende Gewalt inne und bei der Umsetzung stellen sie die obere Verwaltungsebene dar. Zur Erfüllung ihrer Aufgaben sind die Räte in verschiedene Ausschüsse und Unterausschüsse gegliedert, deren Arbeit, falls notwendig durch Koordinierungsausschüsse organisiert wird.

Die Ratsmitglieder besitzen umfangreiche gesellschaftliche Gestaltungsmöglichkeiten, die jedoch stets mit der Basis rückgekoppelt werden müssen. Außerdem sind sie für deren Umsetzung gegenüber der Gesellschaft direkt verantwortlich. Mitglieder, die dieser Rolle nicht gerecht werden oder deren Prinzipien zuwiderhandeln, können von der Allgemeinheit abberufen werden. Dies gilt für die Mitglieder aller Räte.

Nicht wie heute „Alle Macht geht vom Volke aus, aber wohin geht sie?“ sondern es gilt: „Alle Macht gehört dem Volk, alle Macht bleibt im Volk.“ Idealerweise wird im künftigen Modell von einer Gesellschaft von ca. 50 Millionen Einwohnern ausgegangen. Heutige Staaten mit höherer Einwohnerzahl müssten sich daher verwaltungsmäßig in kleinere Einheiten aufgliedern.

Die Bürger und Bürgerinnen der partizipativen Demokratie lernen schon sehr früh von Kindesbeinen an mit den Regeln ihrer Gesellschaftsordnung umzugehen. In den Schulen, Hochschulen und Ausbildungsstätten gibt es analoge Rätesysteme wie Klassen-, Schul-, Studien- und Ausbildungsräte, die neben den Lehrern und Ausbildern umfangreiche Beteiligungsrechte haben. Ebenso ist partizipative Demokratie ein Lern- und Studienfach.

Was die ökonomische Seite betrifft, so besteht kein Privateigentum an Produktionsmitteln, am Boden, Immobilien und den Bodenschätzen,  sondern gesellschaftliches Eigentum. Wie schafft man es in der Zukunft, dass einerseits die Güter effizient produziert und gerecht verteilt werden und andrerseits die Bedürfnisse jedes einzelnen befriedigt werden können? Schauen wir uns deshalb die Vorlaufzeit eines Produktionsjahres, d.h. die Planungszeit etwas genauer an. Im ersten Vierteljahr können alle Verbraucher Vorschläge für neue Produkte über das Netz an die einzelnen Betriebe eingeben, die bis Ende Mai von ihnen auf ihre Umsetzbarkeit überprüft werden. Im Juni und Juli werden zur allgemeinen Information ihre neuen Ideen von den Produzenten in das Netz gestellt. Im August erfolgt dann die Gesamtpräsentation mit den bisherigen und neuen Produkten und der Anmeldung des Gesamtbedarfs durch die Konsumentenseite.

Als Orientierungshilfe haben die Verbraucher am Anfang des Jahres eine Übersicht über ihre bezogenen Güter des letzten Jahres von der regionalen Verrechnungsstelle erhalten. Güter, die über mehrere Jahre verteilt genutzt werden wie Kleider und Haushaltsgegenstände, gehen anteilig in die Berechnung ein. Ebenso können neben den Einzelkonsumenten auch Gemeinschaftskonsumenten wie Hausgemeinschaften, Kommunen, Schulen, Vereine usw. nach Zustimmung des zuständigen Rates ihren Bedarf anmelden.

Aufgrund der Bedarfsmeldungen der Verbraucherseite sowie der ständigen internen Bestandsermittlung stellen die Produzenten der Konsumgüter selbst lang- oder kurzfristige Anforderungslisten an die Betriebe der Produktionsmittelbereiche wie Maschinen und Vorprodukte auf. Alle ermittelten Bedarfsanmeldungen werden zum Jahresende in einem Volkswirtschaftsplan für das nächste Jahr zusammengefasst. Im neuen Produktionsjahr wird die Planerfüllung von den zuständigen Räten kontinuierlich  überwacht und ggf. korrigiert. Jedes Mitglied der Gesellschaft ist zwar aufgefordert, sich an den Bedarfsmeldungen zu beteiligen, muss es aber nicht. Dann wird er oder sie mit den Durchschnittswerten erfasst.

Alle Produkte werden nach den in ihnen verausgabten Arbeitszeit bewertet und in Anteilen ausgedrückt. Da die Naturschätze der Gesellschaft gehören, muss für sie nichts bezahlt werden. Erst die Arbeit ab der Förderung der Ressourcen geht in den Wert der Produkte ein. Allerdings können die Nationalräte für bestimmte Güter, da nur in begrenzter Anzahl vorhanden, gesellschaftliche Werte festsetzen. Export und Import von Gütern werden ebenfalls nach Arbeitsaufwand über eine internationale Verrechnungsstelle wertmäßig ausgeglichen.

Nicht mehr die Erzielung von Gewinn ist der Zweck der Betriebe, sondern die Bedürfnisbefriedigung jedes/r Einzelnen mit qualitativ hochwertigen, langlebigen und ggf. recyclebaren Gütern. Da im Einklang mit der Natur nur notwendige Güter hergestellt werden, kann die Arbeitszeit geschätzt auf die Hälfte der heutigen Arbeitszeit verkürzt werden.

Zum Ausgleich von Bedarfsschwankungen, für Notzeiten und Katastrophenfälle werden 10% der Güter auf Lager produziert, die laufend verbraucht und ergänzt werden. Jeder und jede hat die gleiche Anspruchssumme an Anteilen für die zu erwerbenden Güter zur Verfügung. Die Gesamtsumme ist in verschiedene Konsumbereiche unterteilt wie Lebensmittel, Kleidung, Kultur usw. Die Anteilsumme kann nach Belieben bis zur Höchstgrenze ausgeschöpft werden oder nicht. Jedoch kann er oder sie nicht einen Bereich gegenüber dem anderen bevorzugen, d.h. man kann z.B. nicht auf Bildung verzichten und dafür mehr Kleidung beziehen. Zum Menschsein gehören neben der Befriedigung der Grundbedürfnisse auch die der Kultur. Die Anteile gelten nur für ein Jahr, bei Nichtgebrauch verfallen sie. Sie können daher nicht über Jahre angespart werden.

Zu den gleichen Anteilen in der Zukunft muss beachtet werden, dass die Arbeitsausführung durch die Erweiterung von bisherig hochwertigen Tätigkeiten mit einfacheren Arbeiten und umgekehrt einfachere durch hochwertigere Tätigkeiten angeglichen wird. Außerdem wird nur noch gesellschaftlich notwendige Arbeit verrichtet, z.B. entfällt das heutige gesamte Finanzwesen.

Die scheinbar aufwändige Anmeldung der Bedarfe von Konsumenten und Produzenten und deren Zusammenfassung in einem Volkswirtschaftsplan hört sich sehr bürokratisch an und erinnert an unselige realsozialistische Zeiten. Der wesentliche Unterschied besteht jedoch darin, dass nicht irgendeine Parteibürokratie, sondern das Volk und ihre Räte den Produktionsumfang und -ablauf bestimmen. Und in einem Volk von ca. 50 Millionen müssen die Einzelinteressen und die der Gesamtheit sowie die Produktionsbedingungen und die Ökologie in einem feingliedrigen Abstimmungsprozess zum Ausgleich gebracht werden. Der bürokratische Aufwand kann mit der Zeit immer mehr zurückgefahren werden, denn für die Planvorgaben verfügt man von Jahr zu Jahr über mehr Erfahrung und Planungssicherheit. Außerdem gilt, je höher die Verantwortungsbereitschaft der einzelnen Mitglieder für das Ganze ist, umso weniger Regeln werden benötigt.

Dass eine weiterentwickelte Digitalisierung ihren hohen Anteil an der Datenverarbeitung hat, liegt auf der Hand. Diese kann jedoch nicht den gesellschaftlichen Diskussions- und Entscheidungsprozess ersetzen, den müssen die Menschen selber gestalten.

Auf einen wichtigen Bestandteil der partizipativen Demokratie soll noch hingewiesen werden, und zwar auf die wissenschaftlichen Beiräte. Diese haben die Aufgabe, die sich nicht vertretende Natur auf allen gesellschaftlichen Ebenen, u.a. auf jeder Ratsebene zu repräsentieren. Sie haben das Recht, Ratsentscheidungen mit ihrem Veto zu blockieren. Die Mitglieder der wissenschaftlichen Beiräte, die von den wissenschaftlichen Einrichtungen in einem Losverfahren ausgewählt werden, sind nicht in das Rätesystem eingebunden. Sie sind daher völlig unabhängig und nur der Umwelt verpflichtet.

Die zwei wesentlichen Bestandteile der künftigen Gesellschaft wirken sich auf das Zusammenleben ihrer Menschen aus. Zunächst ist für alle die gleiche Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen gewährleistet. Dies und die Basisdemokratie tragen zur Kooperation im Arbeitsleben, zum sozialen Miteinander im Allgemeinen und zur Solidarität im Besonderen bei. Und doch hat jede und jeder aufgrund ihrer/seiner materiellen Sicherheit die Möglichkeit sich selbst zu verwirklichen. Dies ist jedoch nur möglich, wenn die Gesellschaftsglieder sich ihrer Verantwortung gegenüber den Nächsten, der Gesellschaft und der Umwelt bewusst sind und danach handeln.

Mit diesen Ausführungen soll verdeutlicht werden, dass das TINA (There is no alternative) - Prinzip überholt ist. Es gibt zu unserer heutigen kapitalistischen Gesellschaftsordnung zumindest theoretisch Gegenentwürfe. Zwar kommen die heutigen Generationen aufgrund des gegenwärtigen individualistischen und vorteilsbehafteten allgemeinen Bewusstseins und Handelns nicht in den Genuss einer wie oben beschrieben künftigen Gesellschaftsordnung, diese muss erst in Etappen erarbeitet und erkämpft werden.

Der Entwurf soll eine Anregung für jeden und jede sein, sich Gedanken darüber zu machen und sich seine bzw. ihre Idealgesellschaft vorzustellen. Im Meinungsaustausch mit anderen können zukunftsfähige Ansätze gefunden werden. Und es muss heute nicht beim Träumen über „Wolkenkuckucksheime“ bleiben. Bereits heute können wir uns überlegen, welche Ansätze in unsere Gegenwart und nahe Zukunft übertragbar sind. So können künftige Modelle auf das Hier und Jetzt heruntergebrochen werden. Dies wurde bereits und wird immer wieder u.a. in selbstverwalteten Betrieben, autonomen Lebensgemeinschaften sowie durch Änderung individueller Lebensweisen, allerdings unter kapitalistischen Gesamtbedingungen, in sog. Nischen umgesetzt. Ebenfalls ein beeindruckendes Beispiel ist die Berliner Enteignungskampagne.

Aber auch gesellschaftliche Umwälzungen müssen in Betracht gezogen werden. Diejenigen, die eine Gesellschaft jenseits des Kapitalismus anstreben, müssen darauf vorbereitet sein. Hierzu zählen eine fundierte Analyse unserer heutigen Verhältnisse und eine entwicklungsfähige Strategie zu deren Überwindung. Zwar kann man diese Herangehensweise unter den gegenwärtigen politischen Verhältnissen als gewagt ansehen, aber allen Antikapitalisten müsste bewusst sein, dass der Kapitalismus letztendlich an seinen eigenen Widersprüchen scheitern wird. Wenn wir vom Ende her denken und eigene Denkblockaden überwinden, so werden  Ziel und  Weg zu einer neuen Gesellschaftsordnung klarer. Auch helfen uns die gewonnenen Erkenntnisse, den Einstieg in den Ausstieg aus dem Katastrophenkapitalismus zu benennen und zu begehen.