Bis zum Jahr 2030 soll ein bundesweites Taktsystem in Gang gesetzt werden, versprachen die Vorgängerregierung und die Ampel ++ der Deutschlandtakt soll die Deutsche Bahn nach Schweizer Vorbild in eine Zukunft führen, die den individuellen Autoverkehr und Kurzstreckenflüge abhängt ++ Bundesregierung verschiebt das Klimaprojekt bundesweites Taktsystem von 2030 auf 2070. Grund: es fehlt das Geld ++ Bis der Deutschlandtakt kommt, will China ein "modernes sozialistisches Land" sein.

Mehr Bahn für alle" – mit diesem Motto eröffnete die Deutsche Bahn am 13. Februar d.J.  eine neue Werbekampagne. "Neuer Takt auf ganz vielen Gleisen. .. jeden Monat kommen drei Züge mehr auf die Gleise" lauten die Versprechen im Werbespot. [1]

Es geht um den Deutschlandtakt. Der soll die Deutsche Bahn nach Schweizer Vorbild in eine Zukunft führen, die den individuellen Autoverkehr und Kurzstreckenflüge abhängt. Alle 30 bis 60 Minuten sollen Züge in jede Richtung fahren – und pünktlich am Ziel ankommen. Eine Ankündigung, die auf Ex-Verkehrsminister Andreas Scheuer zurückgeht. Doppelt so viele Menschen wie bisher sollen in der Zukunft Bahn fahren und so mithelfen, dass Deutschland die Klimaziele erreicht. Das ambitionierte Ziel, das auf einem massiven Ausbau der Schieneninfrastruktur basiert, sollte im Jahr 2030 abgeschlossen sein. Dafür stellte Scheuer 2021 medienwirksam 181 Infrastruktur-Maßnahmen vor, um den öffentlichen Nahverkehr zu modernisieren.

Bis zum Jahr 2030 soll ein bundesweites Taktsystem in Gang gesetzt werden. Jeder Ort soll erreichbar sein, mindestens im Stundentakt, die größeren Städte im Halbstundentakt - schnell, zuverlässig, präzise. An Knotenpunkten sollten Anschlüsse in jede Richtung geboten werden, so dass jeder Ort praktisch ohne Wartezeiten erreichbar ist. Um mehr Fahrgäste auf die Schiene zu locken, soll das Angebot zudem auf einigen Strecken nahezu verdoppelt werden: Statt des bisher üblichen Stundentaktes der ICEs soll der Halbstundentakt Standard werden. Die Fahrpläne sind bereits geschmiedet, die Diagramme öffentlich einsehbar. Umgesetzt wurde davon bislang nur der Halbstundentakt zwischen Berlin und Hamburg.

Die Ampelparteien bekräftigten 2021 im Koalitionsvertrag: "Wir werden den Masterplan Schienenverkehr weiterentwickeln und zügiger umsetzen, den Schienengüterverkehr bis 2030 auf 25 Prozent steigern und die Verkehrsleistung im Personenverkehr verdoppeln". Die Bahn müsse zum Rückgrat der Mobilität werden, denn eine klimafreundliche Mobilität sei die Voraussetzung, um massiv CO2 einzusparen. Der Zielfahrplan eines Deutschlandtaktes werde auf diese Ziele ausgerichtet.

Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) erklärte das Projekt Deutschlandtakt noch vor einem halben Jahr zur "Chefsache".

Doch jetzt platzt das Koalitionsversprechen. Die Bahn kann ihre Werbekampagne einstampfen. Ausgerechnet unter Regierungsbeteiligung der Grünen werden die zukunftsweisenden Pläne auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben. Der für den Schienenverkehr zuständige Staatssekretär Michael Theurer (FDP) sagte am 2. März in einem ZDF-Interview: Der Deutschlandtakt werde "in den nächsten 50 Jahren als Jahrhundertprojekt" umgesetzt. 40 Jahre später als von Scheuer 2018 und von der Ampel 2021 angekündigt. [2]

Denn das Verkehrsministerium unter Volker Wissing hat bis heute keine der 181 Maßnahmen umgesetzt, die dafür nötig wären.

Vorfahrt für Panzer

Grund für die Verschiebung ist vor allem die Finanzierung. "Die Etats reichen um Längen nicht mehr aus", sagt Enak Ferlemann von der CDU. Er war von 2018 bis 2021 Beauftragter der Bundesregierung für den Schienenverkehr. Während für die Hochrüstung "Sonderschulden" in Höhe von 100 Mrd. Euro aufgenommen werden – die lt. Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) aber noch nicht ausreichen – und der reguläre Rüstungsetat auf mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes steigen soll, fehlen für die Bahn die notwendigen Mittel.

Bahn, Opfer des Privatisierungswahns

Anstatt endlich die gesamte Deutsche Bahn in eine gemeinsame "gemeinwohlorientierte" Sparte zusammenzufassen und ein "Sondervermögen" über 100 Mrd. Euro für die Bahn aufzulegen, arbeitet die Ampelregierung mit Hochdruck an dem neoliberalen Plan, die Infrastruktureinheiten von den restlichen DB-Sparten abzuspalten und die "Eisenbahnverkehrsunternehmen markt- und gewinnorientiert im Wettbewerb" (Koalitionsvertrag) weiterzuführen. 

Dabei liegt in der Privatisierung ein wesentlicher Grund für die Misere. Seit 1994 wurden mehr als 5.000 km Schienenstrecken stillgelegt, notwendige Investitionen wurden nicht getätigt. Die Bahn wurde in zig eigenständige Gesellschaften aufgespalten und kaputt- gespart. Alleiniges Ziel war, sie fit zu machen für die Börse. Doch so ist keine Verkehrswende zu erreichen.

Das Bündnis "Bahn für Alle" fordert statt einer zertrümmerten DB eine integrierte Bahn komplett in öffentlicher Hand. "Statt die Bahn zu retten, wird ihre Substanz durch die Regierung weiter geschwächt. Ihre scheibchenweise Privatisierungstaktik ist der völlig falsche Weg", sagt Ludwig Lindner, Sprecher von Bahn für Alle. "Nicht nur das Netz, sondern Netz und Betrieb gemeinsam sollten gemeinnützig betrieben und demokratisch kontrolliert werden. Der unsinnige 'Wettbewerb' auf der Schiene muss beendet werden." Carl Waßmuth von Bahn für Alle ergänzt: "Bahnnetz und Bahnverkehr sind zwei Teilbereiche eines eng verknüpften, fragilen Gefüges. Sie auseinanderzureißen schwächt das System Bahn insgesamt und bremst so die für den Klimaschutz dringend nötige Verkehrswende aus. Die Schweiz zeigt, dass integrierte Bahnsysteme am leistungsfähigsten sind."

In Deutschland soll es jetzt noch 40 Jahre dauern, bis eine attraktive und pünktliche Bahn auf die Schienen kommt. Während die klimafreundliche Bahn auf den St. Nimmerleinstag verschoben wird, macht sich der Verkehrsminister für den schnellen Neu- und Ausbau von Autobahnen und synthetische Kraftstoffe (E-Fuels) stark und will das Verbrenner-Aus verhindern.

Zuletzt sei daran erinnert, dass China nur zwanzig Jahre gebraucht hat, um das mit inzwischen mehr als 42.000 Kilometern Länge weltgrößte Hochgeschwindigkeitsnetz aus dem Boden zu stampfen.
Zum Vergleich: Die Gesamtlänge aller Eisenbahnstrecken (inklusive der heruntergewirtschafteten Nebenstrecken) in Deutschland beträgt 33.500 Kilometer. Bis hierzulande der Deutschlandtakt kommt, wird China nach den Plänen der Kommunistischen Partei ein "modernes sozialistisches Land" sein. 

Quellen:
[1] Bahn Werbespot, 13.2.2023: Mehr Bahn für alle. Mehr Verbindungen. Mehr ICE.
https://youtu.be/WH6U8Sa0DBI

[2] ZDF, 2.3.2023: Verkehrswende stockt. Deutschlandtakt der Bahn auf 2070 verschoben
https://www.zdf.de/nachrichten/panorama/bahn-verkehrswende-deutschlandtakt-verzoegerung-100.html