Hinweis auf online-Veranstaltung mit Pheli Sommer, 24.2.2023, 18:00 Uhr:
https://www.isw-muenchen.de/aktuelles/termine/eventdetail/2/-/die-eigentumspolitik-der-staatlichen-datenverwaltung-was-die-intransparenz-der-bodenkonzentration-in-deutschland-macht

Was ist Konzentration? So einfach diese Frage zu sein scheint, desto schwieriger ist ihre Antwort. Am Beispiel Landwirtschaft: geht es nur um das Volleigentum oder auch um sehr lange und günstige Pachtverträge als eine Form der Landkontrolle? Soll nur die Ungleichheit zwischen bestehenden Landeigentümern gemessen werden oder ist Land ungleich verteilt, weil eben viele keinen Zugang zu Landeigentum haben? Sollten Landeigentümer und -nutzer ebenso vielfältig wie die Gesellschaft sein? Ist regionale Konzentration das Problem, weil lokale Landwirte ihre Betriebsflächen leichter ausweiten können, wenn es eine breite Streuung gibt oder ist auch die bundesweite Konzentration ein Problem? Muss man die politischen, ökonomischen, sozialen und ökologischen Auswirkungen von Konzentration belegen können? Ist es möglich, absolute Schwellen zu identifizieren, wie z.B. eine Anzahl von 3000 Wohnungen? Oder ist Konzentration immer relativ festzustellen, sprich: unerwünschte Konzentration ist, wenn ein Akteur 25% der Flächen in einem bestimmten Radius kontrolliert oder zu den 25% der größten Akteure in einem bestimmten Radius gehört.
Diese Fragen wurden im Rahmen von Agrarstrukturgesetzen verschiedener Bundesländer in den letzten Jahren aufgeworfen.

Keines wurde bisher verabschiedet, doch dass diese Fragen überhaupt anhand konkreter Gesetzesinitiativen diskutiert werden können, ist neu.
Denn natürlich heißt es im Grundgesetz Artikel 14, dass die Inhalte und Schranken des Eigentums durch die Gesetze bestimmt werden. Eigentum wird in einzelnen Rechten zum Wohle der Allgemeinheit oft beschränkt, z.B. für den Naturschutz, und auch enteignet, wie z.B. für Autobahnen. Hierbei spielt keine Rolle, wer der Eigentümer ist.

Das Grundstückverkehrsgesetz und das Landsiedlungsgesetz – zwei Gesetze, welche den landwirtschaftlichen Bodenmarkt regeln, sind hier anders – denn das 1919 in Kraft getretene Landsiedlungsgesetz sah damals in der Weimarer Republik die Möglichkeit vor, „Kriegsgewinnler“ zu enteignen und das Grundstücksverkehrsgesetz gibt gemeinnützigen Landgesellschaften ein Vorkaufsrecht, um Ackerland dann für einen Landwirt zwischenzukaufen, falls der Erwerber ein Nicht-Landwirt gewesen wäre.

Die Reifeschwelle von 3000 Wohnungen, die das Volksbegehren zur Vergesellschaftung großer Wohnungskonzerne aktuell vorsieht, definiert unerwünschte Eigentümer als solche, die ein bestimmtes Vermögen angehäuft haben. Neben den großen politischen Herausforderungen ist eine der größten Barrieren jedoch, tatsächlich rechtssicher diejenigen Eigentümer zu identifizieren, welchen 3000 Wohnungen gehören.

Behördliche Genehmigungsprozesse und Registereintragungen „verzeichnen“ nicht nur – sie schaffen damit die Bedingungen dafür, wer und was staatlich gesichert, reguliert und repräsentiert werden kann. Auch Grundeigentum entsteht „konstitutiv“, sprich durch die Eintragung im Grundbuch durch ein Amtsgericht, weswegen die Grundeigentumsverteilung theoretisch komplett in einem Verzeichnis abgebildet ist und mit berechtigtem Interesse sogar einsehbar ist. Doch da Grundbuchämter keinen eindeutigen Identifikator für Grundeigentümer ausstellen und Eigentümerlisten höchstens jeweils für einen Bezirk führen, können sämtliche Grundstücke schwer ihrem Gesamteigentümer zugeordnet werden.
Um also das Vermögen eines einzelnen Eigentümers in Deutschland zu erheben und zu beziffern, müsste man erst sämtliche Grundbuch- oder Liegenschaftskatasterdaten deutschlandweit erhalten. Doch meistens werden Externe auf konkrete Einzelanfragen beschränkt. Darüber hinaus können im Grundbuch eingetragene Firmen von Konzernstrukturen kontrolliert werden, die man nur mit Hilfe von Handelsregister- oder Transparenzregisterdaten (bzw. von privaten Datenanbietern) analysieren kann.  Gerade weil also das Grundbuch auf die lokale, kleinteilige Verzeichnung von natürlichen Personen ausgerichtet ist, erschwert es das Wissen über Vermögenskonzentration.

Das Leitbild der breiten Streuung des Eigentums ist ein Bestandteil der Bodenmarktpolitik der Bundesregierung und der normativen Säulen der sozialen Marktwirtschaft generell. Der theoretische Zugang zu Eigentum für jeden Mensch ist eine zentrale Legitimationsgrundlage des Privateigentums als Sicherung von Freiheit, Privatsphäre und Persönlichkeitsentfaltung. Insbesondere bei Wohnen, Nahrungsmittelproduktion, sowie bei Infrastrukturen der Grundversorgung wird jedoch deutlich, dass gerade die reale Eigentumsverteilung die Grundfreiheiten von Menschen unterminiert.

Doch gerade aufgrund einer isolierten Konzeption von Eigentum in den Grundbüchern, die Eigentum als klar abgrenzbares und isoliertes Objekt einer natürlichen Person festschreiben, sind einzelne Eigentumsrechte an Gütern und wie sie in komplexen Investitions- und Eigentumsstrukturen auf verschiedenste ultimative Eigentümer gestreut werden, unsichtbar. 

Somit gibt es eine Wechselbeziehung zwischen gesellschaftlichen Konzepten von Eigentum und den Kategorien bürokratischer Register: eine Wahrnehmung gesellschaftlicher Verhältnisse entsteht nur durch aggregierte Daten, beispielsweise durch Statistiken und Verwaltungsdaten, und in das Design von Gesetzen und Verwaltungsprozessen sind Visionen der Gesellschaft eingeschrieben – ihres Status Quo und ihrem wünschenswerten Zustand.

Intransparenz der Bodenkonzentration meint hier also weniger die Verschleierung objektiven Wissens, sondern, dass die Repräsentationen des Bodeneigentums in Form von Registereinträgen, Statistiken, Bildern und Narrativen bestimmte Aussagen ermöglichen und andere nicht. In Deutschland ist jemand offiziell nur dann Grundstückseigentümer*in, wenn die Person im Grundbuch eingetragen ist und dies sind einsehbar, wenn das öffentliche Interesse schwerer als die Privatsphäre des Eigentümers wiegt. Das sollte hinreichend sein, um unerwünschte Konzentration festzustellen. Doch Eigentumsverhältnisse an Land bleiben aufgrund praktischer Obskurität durch rechtliche, technische und organisatorische Barrieren verborgen. Und diese, so argumentiere ich, liegen an den Normen und Werten von Eigentum und Gesellschaft, welche in das Design der Registerinfrastrukturen von Eigentum Einzug erhalten haben. Diese bestätigen und stabilisieren auch wieder genau jene Normen, weil andere Aspekte außer Betracht bleiben.

Um die Legitimationsfrage gesellschaftlicher Eigentumsverhältnisse demokratisch im 21. Jahrhundert neu verhandeln zu können, braucht es auch eine bürokratische und statistische Wahrnehmung von Verhältnis. Selbst ein eindeutiger Identifikator für Eigentümer im Grundbuch, die statistische Erhebung von Konzernstrukturen und eine Verlinkung von Grundeigentumsdaten mit Gesellschafterinformationen aus dem Handels- oder Transparenzregister sind damit schon ein Schritt hin zu anderen möglichen Verständnissen und Perspektiven, welche die Widersprüche unserer veralteten Eigentumskonzeptionen sichtbar machen können.