Forscher:innen von ExxonMobil haben seit den 1970er Jahren die derzeitige globale Erwärmung mit großer Genauigkeit vorhergesagt. Sie warnten die Unternehmens-leitung mehrmals vor dem "katastrophalen Risiko". Doch der Konzern hat diese Erkenntnisse bewusst verschleiert, die Öffentlichkeit getäuscht, Hunderte Milliarden verdient und der Menschheit Jahrzehnte geraubt, um dem Klimawandel zu begegnen.  

Jahrzehntelang versuchte die Industrie für fossile Brennstoffe, die Öffentlichkeit davon zu überzeugen, dass kein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Nutzung fossiler Brennstoffe und der Klimaerwärmung hergestellt werden könne, weil die Modelle, die zur Prognose der Erwärmung verwendet wurden, zu unsicher seien.

Doch nun ist ein Slogan der Klimaktivist:innen #ExxonKnew - Exxon wusste bewiesen: Die Ölkonzerne wussten nämlich sehr wohl, dass die Kohlendioxidemissionen aus fossilen Brennstoffen zur Klimakrise führen würden. Sie wussten es nicht nur, sondern, wie jetzt in der Zeitschrift Science veröffentlichte Forschungsergebnissezeigen, haben die Forscher:innen von ExxonMobil seit den 1970er Jahren die derzeitige globale Erwärmung mit großer Genauigkeit vorhergesagt, sogar besser als die maßgeblichen Klimaforscher:innen. [1]

Die Exxon-Forscher:innen verfügten über eigene interne Modelle, die eine Erwärmung prognostizierten, die mit den Prognosen der unabhängigen akademischen und staatlichen Modelle übereinstimmte. Was Exxon über Klimamodelle wusste, stand also im Widerspruch zu dem, was der Konzern der Öffentlichkeit vorgaukelte.

"Eine Exxon-Projektion sagte sogar schon 1977 korrekt voraus, dass die Nutzung fossiler Brennstoffe ein 'kohlendioxidinduziertes Superinterglazial' verursachen würde", erklärte Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK), der Co-Autor der Studie ist. "Das ist eine Warmzeit, die nicht nur viel wärmer ist als alles in der Geschichte der menschlichen Zivilisation, sondern sogar wärmer als die letzte Warmzeit vor 125.000 Jahren." Es sei sogar recht präzise ein "Kohlenstoffbudget" für eine Begrenzung der Erderwärmung auf zwei Grad berechnet worden.

Die Autoren der Studie sind zwei Wissenschaftshistoriker von der Harvard University (USA), Geoffrey Supran und Naomi Oreskes, und der deutsche Klimatologe Stefan Rahmstorf (Universität Potsdam, Deutschland). "Die meisten dieser Vorhersagen zur globalen Erwärmung stimmen mit den in den Folgejahren erhobenen Daten überein", schreiben sie in ihrer Studie. "Außerdem erweisen sie sich als mindestens genauso genau wie die von unabhängigen Forschern und Regierungen gemachten Angaben".

Exxon-Forscher:innen warnten vor dem "katastrophalen Risiko"

Die Arbeit von Supran und Kollegen basiert auf Dokumenten, die von Journalist:innen von Inside Climate News und dem Climate Investigation Center veröffentlicht wurden. Das Material bezieht sich auf Prognosen, die von ExxonMobil zwischen 1977 und 2003 erstellt wurden, und zeigt, dass Forscher die Unternehmensleitung bereits vor 40 Jahren vor dem "katastrophalen Risiko" der vom Menschen verursachten globalen Erwärmung gewarnt hatten. Dabei handelte es sich nicht um eine sporadische Warnung: Die Dokumente enthalten nicht weniger als sechzehn Prognosen, die über fast drei Jahrzehnte hinweg im Auftrag des Unternehmens erstellt wurden und die alle übereinstimmend eine globale Erwärmung von etwa 0,2 °C pro Jahrzehnt vorhersagten (genau das, was wir heute erleben).

Die Vorhersagen des Ölkonzerns sind sogar noch genauer als die, die der NASA-Klimatologe James Hansen 1988 dem US-Parlament bei der historischen Anhörung präsentierte, die den Klimanotstand erstmals in den Vordergrund der öffentlichen Meinung in den USA rückte.

"Diese Ergebnisse", schreiben die Forscher, "bestätigen auch in quantitativer Hinsicht die Behauptungen von Wissenschaftlern, Journalisten, Anwälten, Politikern und vielen anderen, dass ExxonMobil die Bedrohung durch die vom Menschen verursachte globale Erwärmung vorausgesagt hat, und zwar sowohl vor als auch während der Lobby- und Propagandakampagnen zur Verzögerung von Klimaschutzmaßnahmen".

Exxon investierte Millionen, um den Klimawandel zu leugnen

Das Unternehmen, das mit einem Umsatz von über 280 Milliarden Dollar das größte private Ölunternehmen der Welt und in Deutschland unter der Marke Esso bekannt ist, zog es vor, die Prognosen geheim zu halten und das Gegenteil zu behaupten.

Genauso wie Big Tobacco vermeintliche Experten:innen anheuerte, die die Risiken von Sucht und Krebs leugneten, hat Exxon eine Kampagne des Zweifels und der Täuschung inszeniert. Im Laufe von fast vierzig Jahren hat das Unternehmen Millionen von Dollar an Denkfabriken und Politiker:innen gespendet, die ihr Bestes getan haben, um Zweifel und Fehlinformationen zu verbreiten - zunächst über die Existenz des Klimawandels, dann über das Ausmaß des Problems und schließlich über seine Ursache.

In dieser Zeit haben Exxon und seine Aktionäre – Investmentfonds wie Vanguard Group, BlackRock oder Fidelity – Hunderte von Milliarden auf Kosten von Menschenleben verdient.

Bewusst verbreitete die Konzernspitzen Desinformationen. "Wir haben kein ausreichend tiefes Verständnis des Klimawandels, um vernünftige Vorhersagen zu machen und drastische Maßnahmen zu rechtfertigen", sagte der Vorstandsvorsitzende von ExxonMobil, Lee Raymond, im Jahr 2000. Noch 2005 behauptete er, dass "die natürliche Klimavariabilität nichts mit menschlichen Aktivitäten zu tun hat, sondern mit Sonnenflecken". Raymond war auch Vorsitzender des US National Petroleum Council, des Gremiums, das die gesamte Branche der fossilen Brennstoffe im US-Energieministerium vertritt. Unter seiner Regentschaft war dies also wahrscheinlich die offizielle Position der gesamten Branche.

Rex Tillerson, sein Nachfolger an der Spitze von ExxonMobil, erklärte bis 2013, dass "trotz aller Fortschritte bei der Datenerfassung (...) unsere Fähigkeit, die Zukunft mit Sicherheit vorherzusagen, weiterhin sehr begrenzt ist" und dass "nach wie vor Ungewissheit darüber besteht, was die eigentlichen Ursachen des Klimawandels sind". Er war auch nicht nur ein privater Manager. Zwischen 2017 und 2018 war er Außenminister in der Trump-Administration, die ihn mit der Aufgabe betraute, die Beziehungen mit Russland wieder zu normalisieren. 1998 wurde Tillerson Präsident der russischen Exxon-Tochter Neftegas Limited und war verantwortlich für deren Aktivitäten in Russland. 2011 schlossen ExxonMobil und Rosneft unter der Führung von Tillerson eine Partnerschaft zur Ausbeutung von Energievorkommen in der Arktis und im Schwarzen Meer.

Der Präsident der Union of Concerned Scientists, Ken Kimmell, sagte damals: "Sie würden den CEO eines Tabakkonzerns nicht als Gesundheitsminister anstellen. Warum also wählt man den Chef eines Öl- und Gaskonzerns, um eine Position zu besetzen, die mit der nationalen Sicherheit und globalen Klimaschutzmaßnahmen beauftragt ist?"

Zu den rhetorischen Mitteln, die darauf abzielen, die "Pessimisten" zu diskreditieren, gehört der "Global Cooling Hoax", eine in den 1970er Jahren verbreitete Theorie, wonach die Temperatur in der Atmosphäre sinkt und nicht steigt. "Einige von denen, die heute wegen der globalen Erwärmung Alarm schlagen", so Raymond 1997, "haben in den 1970er Jahren eine neue Eiszeit vorausgesagt. Der Temperaturanstieg könnte also ein weiterer Irrtum der Klimaforscher sein", hieß es. In Wirklichkeit, so zeigen Supran, Oreskes und Rahmstorf, blieb die Theorie der "globalen Abkühlung" unter den Klimaforscher:innen stets in der Minderheit. Und das konnte Raymond nicht entgangen sein, denn es waren die eigenen Expert:innen von ExxonMobil, die dies für unwahrscheinlich hielten.

Jahrzehnte verloren in Scheindebatten

Ohne die Obstruktion der Kohlenstofflobby hätte die wissenschaftliche Klimadebatte also schon vor vielen Jahren abgeschlossen werden können. Ein Eingreifen Jahrzehnte im Voraus wäre weniger belastend gewesen als die komplexe Umstellung, zu der die Menschheit heute gezwungen ist, wenn sie überleben will.

"Exxon wusste schon vor einem halben Jahrhundert über den Klimawandel Bescheid. Sie haben die Öffentlichkeit belogen, ihre Aktionäre in die Irre geführt, und der Menschheit die Zeit einer Generation geraubt, um den Klimawandel aufzuhalten. Da Exxon die Öffentlichkeit absichtlich über den Klimawandel und fossile Brennstoffe getäuscht hat, sollte das Unternehmen zur Rechenschaft gezogen werden. Wir fordern eine sofortige Untersuchung", heißte es von #Exxonknew[2]

Exxon-Spitzenmanager wegen Verbrechen an der Menschheit anklagen

Doch eine Untersuchung reicht nicht.

  • Die Spitzenmanager von ExxonMobil müssen wegen schwerster Klimaverbrechen und Verbrechen an der Menschheit angeklagt werden!
  • Exxon und die anderen Energiekonzerne müssen unter demokratischer Kontrolle vergesellschaftet werden! 

Exxon klagt gegen Übergewinnsteuer

Die EU-Staaten hatten sich im September auf eine befristete Zufallsgewinn-Steuer für Öl-, Erdgas- und Raffinerie-Konzerne geeinigt, die die einzelnen Staaten noch strenger gestalten dürfen. In Deutschland werden Gewinne, die im Vergleich zu den Vorjahren den Durchschnittsgewinn um ein Fünftel übersteigen, mit 33 Prozent besteuert. Die auf eine bis drei Milliarden Euro geschätzten Einnahmen sollen zur Finanzierung der Strompreisbremse für Verbraucher:innen beitragen.

Exxon hat die EU wegen der neuen Steuer auf Übergewinne verklagt. Die Europäische Union habe damit ihre Befugnisse überschritten, sagte ein Sprecher des US-Konzerns, der die Öffentlichkeit über Jahrzehnte belogen hat und dadurch Hunderte Milliarden abkassieren konnte.

Ein Ölmann wird Cop28 leiten

Zwar wird die nächste Vertragsstaatenkonferenz der Vereinten Nationen zum Klimawandel, der Cop28, nicht von einem Exxon-Manager geleitet, aber die nächste Weltklimakonferenz, die für Ende November 2023 geplant ist, zeigt diesmal den Einfluss der Öl-Lobby direkt: Sultan Ahmed Al-Jaber, Vorstandsvorsitzender der nationalen Ölgesellschaft der Vereinigten Arabischen Emirate, wurde nämlich zum Vorsitzenden der Cop28 ernannt, die in dem reichen Golfstaat Dubai stattfinden wird. Al-Jaber leitet nicht nur die Abu Dhabi National Oil Company, sondern ist auch Industrieminister der VAE und Sondergesandter für den Klimawandel. Er wird der erste CEO sein, der einer COP vorsitzt: "Wir werden einen pragmatischen, realistischen und lösungsorientierten Ansatz einbringen", sagte er.

Vanessa Nakate, ugandische Aktivistin für Klimagerechtigkeit, ist kritisch: "Es darf nicht sein, dass die Interessen der fossilen Energieträger unsere Zukunft für ein paar weitere Jahre Profit opfern können", sagte sie.

[1]  Science, 13.1.2023: "Assessing ExxonMobil’s global warming projections"
https://www.science.org/doi/10.1126/science.abk0063

[2] Investigate Exxon
https://exxonknew.org/#petition