Ansprache zur Vernissage von Bernd Bückings politischen Karikaturen

Zeichnung: Bernd Bücking. entnommen aus: report 37, S. 32

Liebe Freundinnen und Freunde unseres Bernd Bücking, ich danke den Veranstaltern für die Einladung zu einer Einstimmung in diese Vernissage auch aus einem sehr persönlichen Grund: ich möchte dem Bernd ein verspätetes Danke sagen, nicht nur für die jahrzehntelange Freundschaft und gegenseitiges Lernen, sondern für ein letztes persönliches Geburtstagsgeschenk, das mir dann andere geben mussten: er hat in den letzten Tagen vor seinem Tod nicht nur die gewohnten zeichnerischen Kurzanalysen für Mandy Trögers isw-Arbeit „Der digitale Kapitalismus“ gemacht, der jetzt als Report 126 vorliegt, sondern auch für meinen 80-sten einen Hefter mit lustigen Karikaturen zu meiner Arbeit, den politischen Prozessen- Berufsverbote, Strauß-Beleidigungen, Betriebsratsrechte -, auch dem Siemens-Prozess des isw, - zum Plärren vor Gericht und ins Saxophon, aber auch zum Umgang mit Rosen und MandantInnen. Damit habe ich jetzt auch eine geeignete Entschuldigung dafür, dass ich hier keine großangelegte oder gar vertiefende Werkinterpretation zu den hiesigen 100 Zeichnungen der letzten 20 Jahre versuche, sondern den Akzent auf sein politisches und künstlerisches Lebensbild lege. Dieses im Hinterkopf zu halten, kommt vielleicht der - sei es anstrengenden, kritischen oder erheiternden – Wahrnehmung der Einzelblätter und Einzelthemen zugute. Diese umfassen das gesamte Spektrum, ja Universum nationaler wie weltweiter Antagonismen in Sozialökonomie, Politik und Zeitgeschichte, der aktuellen Fronten und ihrer Subjekte, sehr oft aus einer Froschperspektive der Leidenden und Widerständigen, gelegentlich als plakatfähiges Altarbild einer marxistischen Erkenntnis: Kapitalismus und Imperialismus als dingfest gemachte systemische Schuldige, Rüstungswahnsinn und - ohne Gesellschaftsänderung - unausrottbare Profitgier nebst Verarmung und Raub selbst primitivster Lebensperspektiven hier und gerade auch in der Dritten Welt, Ökologie-Verhinderer, Großprofiteure des von ihnen vorangetriebenen Klimawandels, Nutznießer und Opfer der Bankenkrisen und Skandale. Aber dagegen auch die Unsrigen: die Gegenkräfte, wie sie zu einem kleinen Teil schon sind oder - u.a. mithilfe von Bernds isw-Losungen – in Zukunft um ein Mehrfaches sein könnten. Liebe Anwesende: Bernds Zeichnungen hierzu sind bereits die durchdachten und größtmöglichen Vereinfachungen. Das ist auch ihr von Bernd gestellter Anspruch. Ich kann sie nicht für Vortragszwecke weiter verkürzen, vereinfachen, bündeln. Vertiefung bringen nur die isw-Ausarbeitungen selbst, die sie ja illustrieren und - in der Kürzestfassung - breitenverständlich machen sollen. Man kann da nur sagen: kauft die Hefte, soweit sie noch da sind oder neuaufgelegt werden. Überdeutlich durch alle Graphiken und Texte zieht sich Bernds theoretische wie menschliche Leitlinie: der Humanismus; gegen den inhumanen rechtlosen Klassenkampf von Oben steht – oder erhebt sich- der humane gerechte Klassenkampf von Unten. Bernd hat gern sein Licht unter den Scheffel gestellt und sich verschmitzt als tagespolitischer Praktiker verkauft, was er eben auch war. Er war ein politischer Durchblicker von Graden, vermittelte die Auswirkungen der hohen Politik auf die leidgeprüften Massen auf hohem Niveau, lieferte in schriftlichen und mündlichen Wortbeiträgen gestochen scharfe marxistische Analysen und zum Nachdenken zwingende Synthesen verschiedener Sichtweisen, bei Vorrang der Verständlichkeit. Bei Theorie und Agitation geht ja oft das eine zu Lasten des anderen und selbst Lenin hatte Verständnis dafür. Bei Bernd war das bemerkenswert anders. Er ist kein „simplificateur terrible“, schrecklicher Vereinfacher, dem gottlob die gewagte Sache dank seiner Instinktsicherheit nie aus dem Ruder lief. Weil er scharf dachte und die Grenzen seiner Mittel kannte, nahm er sich bewusst zurück: was nicht gezeichnet- gekennzeichnet werden kann, wurde auch nicht gezeichnet- gekennzeichnet. Es gibt keine zeichnerische Vermittlung der Mechanismen der Globalisierung, der Finanzmarkt- und Überproduktionskrise (auch in den isw-Heften nicht), aber sehr wohl der sichtbaren Folgen für die Lohnabhängigen, gerade ihre neuen und prekären Segmente, den Mann auf der Straße, das dritte Drittel in Maggie Thatcher’s famoser „Zwei-Drittel-Gesellschaft“, selten auch das mittlere Drittel. Was heute fühlbar und erst morgen sichtbar ist, wird heute sichtbar gemacht. Im Protest dagegenreden und handeln seine Menschen wie sie spätestens morgen realistischerweise dagegen denken, reden und handeln könnten. Oft erkennt man eine Minderheit von Nachbarn und Kollegen darin wieder, die das heute schon tun; sie unterscheiden sich nicht von der Masse, d.h. die könnte das auch. Das gibt Optimismus. Nie knüpft er affirmativ an populäre Vorurteile an. Seine Rebellion war nie die Rebellion des ruhebedürftigen Fleisches gegen den rastlosen Geist. Niemandem wird einfach nur gesagt, wo’s lang geht. Seine Ethik war eindeutig die Ethik der Aufklärung. Manchmal kommt man nicht umhin, ihm das alte Ideal des sog. Sozialistischen Realismus zu unterstellen: das Allgemeine in der Form des Typischen darstellen, gelegentlich mit einem eigentümlichen bajuwarischem Touch versehen, wie er wohl nur aus der Hefe seiner heimatlichen Hansestadt Bremen quillen kann: „Hent und Drent vom Innsbrucker Ring; Wastl und Hiasl“.

Zeichnung: Bernd Bücking. entnommen aus: wirtschaftsinfo 48, S. 15

Bernd wurde 1936 in eine bildungsbürgerlich und reformpädagogisch geprägte Bremer Familie hineingeboren, - da gab es Lehrer, Bildhauer, Sonderschullehrer, Bewährungshelfer, der Opa ein humanistischer Pastor, der hauptsächlich Goethe statt der Bibel zitierte, die sich schon in der Elterngeneration den Kommunisten angeschlossen hatten und antifaschistischen Widerstand leisteten. Im Geburtsjahr wurde sein Vater zu 10 Jahren Z verurteilt. Das Zuchthaus hat ihn zerstört, politisch stumm und krank gemacht. Er war für die Politik verloren, nicht für anständige Sozialarbeit. Die Nazi-Terrorjustiz - wie konnte es anders sein – hat eben großenteils voll durchgeschlagen, die Überlebenden gingen aus den Qualen keineswegs immer als „jetzt- erst- recht“- gestählte Heroen hervor. Bernd redete davon nicht. Aber mir liegt auf der Zunge, dass auch diese erlebte Tragik zu dem unerbittlichen und scharfen Realismus beigetragen hat, der all seinem Schaffen, auch der Satire in ihrer heitersten Zuspitzung zugrunde liegt. Es fehlt jeglicher Mythos. Er hatte ja dafür noch eine andere Prämisse von ähnlicher Unerbittlichkeit: Der Mensch ist gut, das Volk ist gut: Für linke Arbeit in der Masse und Klasse zumindest eine unersetzbare Arbeitshypothese, und in letzter Instanz vielleicht sogar wahr. Seine Mutter brachte die Familie mit einer privaten Leihbibliothek im Werftarbeiterviertel durch. Sie bot den ganzen üblichen Schund und konnte gerade deswegen behutsam immer mehr bessere Literatur nahebringen und wurde bald als Kommunikationszentrum akzeptiert: ein Zusammenhang, den Bernd also mit der Muttermilch einsog. Die Mutter musste ebenfalls die letzten Kriegsjahre im Frauengefängnis Fuhlsbüttel wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ einsitzen. Sie begegnete gleich nach der Befreiung ihrem und ihres Mannes Gestapo-Verfolger auf der Straße: „Ja Herr Dr. Herrlein, Sie hier?!“ - „Ja wo soll ich denn sein, Frau Bücking ?!“ – „Ja natürlich da, wo ich herkomme: im Gefängnis!“ – „Ach wo, ich bin bei den Amis im CIC festangestellt, zuständig für Kommunistenbekämpfung. Davon versteh’ ich was“. Die Mutter war dann Hortnerin und Sonderschullehrerin, weitgehend für die elendesten Milieus und gefährdetsten Fälle. Sie war erfolgreicher mit den Barackenkindern, wo man an einen primitiven kollektiven Sozialinstinkt anknüpfen konnte, während sie sich mit den psychisch gestörten Einzelkindern aus dem Mittelstand verzweifelt abmühte. Das war sicher auch prägend für einen Grundzug in Bernds Wesen und Schaffen: Ein Linker, ein Kommunist muss a priori davon durchdrungen sein: „Ich will gar nicht, dass es mir gut geht, wenn es den anderen schlecht geht!!“. Wer auf eine angeblich materialistische Dialektik vertraut, die es ihm erlaubt, seine Lebensqualität vom materiellen Eigeninteresse her zu definieren, kann gut und gerne Kapitalist, aber z.B. niemals Kommunist werden. Seine Mutter war kommunistische Abgeordnete in der Bremer Bürgerschaft noch weit über das KPD –Verbot von 1956 hinaus, was damals nur in Bremen möglich war. Der Schüler Bernd leistete parteiliche Basisarbeit durch Vertrieb der „Tribüne der Demokratie“ und hat nie vergessen, wie sich seine Abnehmer die paar Pfennige aus den Rippen schneiden mussten. Wenn er beim Anstehen mit der Lebensmittelkarte hörte: „Beim Adolf hat’s Zucker gegeben!“, packte ihn politisches Grauen vor den Folgen, die es haben musste, dass es den Leuten nach der Befreiung schlechter ging. Die versauten Gehirne hielt er später auch der jungen DDR mildernd zugute, die aber leider zu früh glaubte, das Nazitum im Kopf sei für den neuen Staat durch die deutsche Untertanenmentalität ausreichend austariert. Im Gymnasium glänzte er in Deutsch und Kunst, wo er sich durch detailgetreue Kirchenmalerei bei seinem Opa Pastor schulte. In Deutsch entdeckte er seine Begabung fürs prägnante Formulieren, die von der scharfen Beobachtung der Leute im Alltag lebt. Im Gymnasium hat er sicher auch gelernt, dass das Wort caricare, von dem Karikatur kommt, eigentlich „überladen, überfrachten“ heißt. Sein Strich und der Sprech der Leute sind ja nie überladen. Aber manchmal sparte er so viel, dass er einen weiteren didaktischen Zusammenhang, der auf die Kernthese aufschließt, hineinpacken konnte - und sei es, indem die aktuellen Drangsale in Form von Schmutzkübeln mit Aufklebern nebeneinander aufgereiht werden. Sie eigenen sich hervorragend als „Spickzettel“ für Diskussionen am Info-Stand (anschließend als Werbegeschenk ans Gegenüber). Er wählte statt der Akademie der schönen Künste die Bremer Kunsthochschule für Gebrauchsgrafiker. Für ihn war die Gebrauchsgraphik eine „Offenbarung“, weil sie nachprüfbare konkrete Aufgaben stellt, die er als erfüllt oder nicht erfüllt erkennen kann, - einfach als junger Mann, der zunächst mal beruflich etwas leisten will. (Er begeisterte sich für die Werbe-Graphik, für Lehrer, Illustratoren, Filmplakate-Maler, die ein Produkt anpreisen und etwas „rüberbringen“ wollen.) Und er genoss auch im weiteren Werdegang als Artdirector bei verschiedenen Firmen die Kooperation mit politisch ganz anders gesonnenen Spitzenleuten der Werbung mit Textern, Graphikern, Verkaufsleuten, um Produkte optimal zu verscheuern. Er verdiente gut und wusste immer: ich lerne das mir angemessene Handwerkszeug auch für die politische und gewerkschaftliche Arbeit. Zweimal wurde er gekündigt, weil wegen versuchter Betriebsrats-gründung „das Vertrauensverhältnis zerrüttet“ sei. Er fiel aber nach oben hinauf: zu besseren Firmen. Er sagte: „Ich habe da viel Glück gehabt“; ich kann nur sagen: Wir auch ! denn so kam er nach München. Später war er 26 Jahre Freelancer und betrachtete das Dasein als kreativer, vor der Konkurrenz her hechelnder, alles selber machen müssender kleiner Selbständiger als rundum sportive, produktive und sensibilisierende Erfahrung.

Zeichnung: Bernd Bücking.

Gleichzeitig stieg er immer intensiver in die politische Arbeit ein, mit Karikaturen, Plakaten, Bildgeschichten für Sozial-, Friedens-, Antifaschismus- und Umweltbewegungen. Ab 2001 ausschließlich und überbeschäftigt mit der wöchentlichen UZ-Karikatur, der monatlichen für die Stadtrats-LINKE, für die isw – Untersuchungen, mit weiteren Aufgaben bei Sozialforum usw. Er war immer für uns da. Ein Besserverdiener, der – wie kleine Beobachtungen nahelegten - die angenehmen Dinge durchaus zu schätzen wusste, schaffte den friedlichen Übergang zur harten Askese beim isw. Seit den 60-ern arbeitete er auch als Mitredakteur der Kunstzeitschrift „TENDENZEN“, neben dem Kunstwissenschaftler Dr. Hiepe und den Künstlern Carlo Schellemann und Guido Zingerl, und zwar eigens als Vertreter der politischen Gebrauchsgrafik. Erst später erfuhr er, dass es sich um ein Konstrukt der illegalen KPD handele. Dann sagte er: „Und wenn schon: dann ist das kein Makel für die TENDENZEN, sondern eine Ehrenrettung für die KPD!“ Im Umfeld der 68-er Bewegungen gab es zu seinem Fach allerdings Streit. Für die einen galten die Werbefuzzis als Quelle alles Bösen (nicht etwa die Eigentumsverhältnisse), weil sie die Leute total manipulieren, tiefenpsychologische Angriffe auf das Unterbewusstsein landen, affirmativ Vorurteile für ihre Herren nutzen. Andere hatten die hanebüchene Zielvorstellung und Verschwörungstheorie, die Werbegraphik könne im Wege der Guerillataktik den Leuten Gutes unterschieben, bis hin zum Projekt einer „Linken BILD Zeitung“, als hätten sie noch nie etwas von der marxistischen Dialektik von Form und Inhalt gehört. Bernd zog daraus Erkenntnisgewinn: die ungeheuren manipulativen Wirkungen und Möglichkeiten der Werbung, die es nicht theoretisch abzulehnen, sondern politisch abzuwehren gilt. Sein Weg war klar: eine immer schärfere Ausprägung des emanzipatorischen Grundgedankens, noch mehr nach der Niederlage des Realsozialismus: wenn die Eigentumsverhältnisse geändert sind, ist eben noch lange nicht alles in Butter. Seine Ebene ist die Beziehung zu anderen Menschen, der Mikrokosmos. „Dem Volk aufs Maul schauen!“ (ist von Luther, könnte von Bücking sein). Er formulierte: „Das Wesentliche wird ganz im knappen Text ausgedrückt. Die Zeichnung ist reines Hilfsinstrument fürs Wort, Akzentuierung, Illustration. Wie sieht das praktisch aus? Das tut der Theorie keinen Abbruch. Für den politischen Makrokosmos ist dann der Marxismus da. So hatte ich auch meine Gruppenleitung in Ramersdorf angelegt.“ Alles O-Ton Bernd.

Zeichnung: Bernd Bücking.

Mit dem „Dienst der Zeichnung am bestimmenden Wort“ distanzierte er sich auch von seinem bewunderten Vorbild, der Ikone linksradikaler politischer Kunst George Grosz mit dessen Hauptgemälde „Die Stützen der Gesellschaft“ von 1926. Da sehen wir feuerrote Flammen (wohl Kriegsbrand); bei zwei der gedunsenen, bösfunkelnden Herren ist die Hirnschale aufgeklappt: In einer ein dampfender brauner Scheißhaufen. Beim anderen - in der Hand eine heuchlerische Friedenspalme - springt ein schwergerüsteter apokalyptischer Reiter heraus: Ein anderer hat ein Hakenkreuz an der Krawatte und ein Demagogen-Plakat “Sozialismus ist Arbeit!“ (die einzigen Worte im Bild). Dahinter ein obszön grinsender Geistlicher. Alles leider nach 100 Jahren noch genial wahr: die Statik entlarvender, Schrecken verbreitender Dämonie. Aber! Es fehlt der einladende Mitmacheffekt wie in Bernds Bildtexten, Textbildern, wie wir ihn eben brauchen. Grosz ging ja später in New York auch den umgekehrten Weg zum Werbemaler ohne gesellschaftskritische Schärfe. Für uns war Bernds Stil alternativlos. In Wahrheit war dem Bernd auch der sog. “Makrokosmos“ nicht fremd. Ich war ja 10 Jahre in seiner Gruppe Ramersdorf. Da veranstalteten wir zwar Billigstverkauf von Christbäumen und Eiern unter demonstrativer Ausschaltung des Zwischenhandels und schmuggelten DKP-Flugblätter in die Tüten. Aber er machte den Vietnam-Krieg und den Chile-Putsch und überhaupt die internationale Solidarität zum emotionalen Dauerbrenner, weil er selbst brannte. Nebenbei: Bernd hat die letzten Zuspitzungen um Afghanistan, Ukraine und vor der chinesischen Küste nicht mehr mitbekommen, aber in seinen früheren Zeichnungen in beklemmender Weise vorausgesehen. Und auch die hohen Herren und Damen aus Regierungen und Konzernvorständen machte er zu „Gezeichneten“: Franz Josef Strauß aber auch Frau Schaeffler/Continental und Frau Merkel. Er hat sie, wie Karl Kraus sagt, zur Kenntlichkeit entstellt. Durch jedes Bild zieht sich eine glasklare Klassenfront: Hier das Volk, ja das Volk! Wir saßen auf der Wies’n im dampfenden Augustinerbräu-Festzelt. Die Leute stampften schon auf den Tischen; hinten ging sogar ein „Rafferts“ z’samm’. Ich dachte grantig an den Grundgesetzartikel: “Die Gewalt geht vom Volke aus“. Das sehen wir vor uns die bunte Speisekarte mit merkwürdig anheimelnden Gestalten. Ja richtig: von Bernd Bücking. Die Leute beim Feiern, die sonst bei ihm demonstrieren, protestieren, streiken, Flashmob machen. Ein schöner, facettenreicher, aber letztlich integrierender Volksbegriff. Seine Speisekarte. Aber der Klassenfeind! Dass nicht alle CEO-Manager als unsympathische Fettwänste realistisch getroffen sind, wurde ihm da und dort vorgeworfen. Aber warum sollen die didaktisch stilisierten Konzernherren und Bankster nicht so aussehen, wie Kapitalisten- verdammt noch mal –auszusehen haben (!): die deutschen mit Zylinder, die amerikanischen mit Stetson, aus den feisten Fräcken lugen Dollarbündel, alles noch Hugo Stinnes, Hugenberg wie zu Thälmanns Zeiten. Wie man in der US-Linken sagt: “Was die Kapitalisten zu Vorbildern macht, ist ihr Klassenbewusstsein!“. Ich glaube da aber an einen von Bernd wohlgeplanten Verfremdungseffekt, um folgende theoretische Erkenntnis zu provozieren: Mögen sich die Segmente der Lohnabhängigen-Klasse wie ihre psychophysischen Produktions- und Reproduktionsbedingungen zu verwirrender Vielfalt ausdifferenzieren, zersplittern, wandeln- ihr sozialer Gegner, der sie mehr denn je im eisernen Griff hält und zur Vereinheitlichung zwingt, der ist und bleibt seit über 100 Jahren derselbe. Seine Moden - Yuppie-Fitness- Coachings, Ayurveda und so -, sie interessieren nicht. Er ist im Unterschied zur Arbeiterklasse wesensgleich geblieben, mit all seiner Befähigung zu Menschheits-Verbrechen. Basta! Und das ist auch zutreffende Theorie. Und noch etwas ist „auch“ zutreffende Theorie: Auf nahezu allen Bildern gibt es auch das Volk. Man muss allerdings schon mit der Nase näher hingehen – und sieht: das ist keineswegs ein „amorphe Masse“. Sie setzt sich bei Bernd aus einer sorgfältig aufbereiteten und ausdifferen-zierten Vielzahl von individuellen Charakterzügen, Persönlichkeiten, Schichtenmerkmalen, naher und migrantischer Völker, die durch notwendigen solidarischen Massenkampf „Masse“ werden - oder erst noch werden können und müssen – für soziale, friedliche, kulturvolle Zustände, in denen das Individuum dann erst zur vollen humanen Persönlichkeit werden kann. Bernd erfüllte mit seiner zeichnerischen Didaktik einen spezielle n Wunsch Teddy Thälmanns: der nämlich verlangte, da es auch damals zu den komplizierten Fragen z.B. zur Weltwirtschaftskrise die diversen Bleiwüsten gab, dass für jede Ausgabe der „Roten Fahne“ zwei/ drei knappe, aber fettgedruckte „Losungen“, d.h. Grundwahrheiten, zum Auswendiglernen herausdestilliert werden sollen. Die Genossen würden staunen, wie schnell sie sich damit in jeder Auseinandersetzung zurechtfinden und selbständig Posten behaupten können. Hauptsache: nicht stumm. Wir würden sagen: Beteiligungskultur. Danke lieber Bernd, wir werden Dich noch lange ausbeuten und noch lange von Dir lernen!