„Ein Krieg wird wahrscheinlicher“ so die Schlagzeile der Süddeutschen Zeitung vom 15./16. Januar 2022. Und glaubt man den hiesigen „Qualitätsmedien“, ist wie immer und wieder einmal, Russland schuld. In einem Kommentar in der Süddeutschen Zeitung vom 18. Januar weiß dann Daniel Brössler wer noch schuld ist. Er schreibt: So steigert Deutschland die Kriegsgefahr. Die deutsche Politik wisse derzeit im Umgang mit Russland vor allem, was sie nicht will: keinen Stopp von Nord Stream 2, keine Waffen an die Ukraine und keinen Rauswurf aus Swift. Die fatale Botschaft: Moskau hat vom Westen nichts zu befürchten. Wenn also Russland von Deutschland nichts zu befürchten hat, sei das fatal. Das Gegenteil ist richtig: Von seinen Nachbarn nichts befürchten zu haben, ist die Voraussetzung für Frieden, Sicherheit und gute Nachbarschaft. Brösslers Argumentation stellt alle Erfahrungen auf den Kopf, wenn er schreibt: Keine Waffenlieferungen an die Ukraine, kein Stopp von Nord Stream 2 und keine Drohung mit Rauswurf aus dem Swift erhöhe die Kriegsgefahr. Das ist die Sprache der kalten Krieger. Diese absurde Logik kann nur vertreten, wer den Krieg am liebsten herbeischreiben würde. Die Ukrainekrise hat das Potential eines großen Krieges. 120.000 russische Soldaten stünden bereit, angeblich um in die Ukraine einzumarschieren. Auf der anderen Seite wirft Russland der Ukraine vor, mehr als 120.000 Soldaten an die Linie zu den Donbass-Republiken verlegt zu haben. Im Kern geht es darum, dass die Ukraine in das westliche Militärbündnis integriert werden soll. Mit dem weiteren Vorrücken der NATO über die Ukraine an die russische Westgrenze ist für Russland eine „rote Linie“ erreicht. Man mag das als Drohung verstehen, aber vor dem Hintergrund der Erfahrungen Russlands in den letzten einhundert Jahren ist schon nachvollziehbar, dass sich Russland die NATO und deutsche Truppen vom Hals halten will. Obwohl der damaligen Sowjetunion im Jahr 1990 versprochen wurde, die NATO werde sich nicht nach Osten ausdehnen, lud die NATO schon kurze Zeit später Länder des ehemaligen Warschauer Paktes zu Beitrittsgesprächen ein und rückte Schritt für Schritt nach Osten an die Grenzen Russlands vor. Polen, Ungarn, Tschechien, Bulgarien, Rumänien, die Slowakei, Slowenien, Estland, Lettland und Litauen Kroatien, Montenegro, Nordmazedonien wurden NATO-Mitglieder. Seit 2015 wird ukrainisches Militär von Soldaten der NATO für den Kampf gegen die Ostukraine ausgebildet. Damit hat die NATO eine verhängnisvolle Wende vollzogen. In der 1997 von NATO und Russland abgeschlossenen Grundakte heißt es:

Die NATO und Russland betrachten einander nicht als Gegner. Sie verfolgen gemeinsam das Ziel, die Spuren der früheren Konfrontation und Konkurrenz zu beseitigen und das gegenseitige Vertrauen und Zusammenarbeit zu stärken.

NATO-Politiker betonen, alle Länder hätten das fundamentale Recht, über ihre Bündnisse selbst zu bestimmen. Aber das lenkt vom eigentlichen Problem ab. Denn über die Mitgliedschaft in der NATO entscheiden nicht die Beitrittskandidaten, sondern die NATO. „Die westliche Staatengemeinschaft sollte anerkennen, dass die NATO-Osterweiterung russische Sicherheitsinteressen in erheblichem Maße berührt,“ mahnte das internationale IPPNW-Präsidium bereits am 17. Dezember 2021 in einer Erklärung. Und in einer Erklärung der marxistischen linken heißt es:

Man stelle sich vor: Lateinamerikanische Staaten wären Mitglied der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ) geworden. China und Russland beanspruchten, in diesen Ländern schwere Waffen einschließlich Atomwaffen zu stationieren. Man stelle sich vor, in Kanada und Mexico fänden an den Grenzen zu den USA Manöver mit Beteiligung von russischen und chinesischen Militäreinheiten statt. Wie würden die USA reagieren? Und genau dieses Szenario spielt sich derzeit an der Grenze zu Russland ab. Es ist nicht aus der Luft gegriffen, wenn die russische Regierung den Ukraine-Konflikt mit der Kubakrise 1962 vergleicht und damit die Gefahr einer militärischen Konfrontation mit den USA signalisiert.

Das sind die russischen Forderungen:

Russland fordert Sicherheitsgarantien, vor allem ein Ende der „open door-Politik“, also der NATO-Osterweiterung durch die Aufnahme der Ukraine in die NATO.

  • Keine Stationierung von Waffensystemen in Russland benachbarten NATO-Staaten, die das Territorium Russlands gefährden können.
  • Beendigung von NATO-Truppenstationierungen im „postsowjetischen Raum“.
  • Keine Militärmanöver beider Seiten nahe der NATO-Russland-Kontaktlinie.
  • Koordination einer maximalen Annäherung von Militärflugzeugen und Schiffen, um Zwischenfälle im Ostseeraum und schwarzem Meer zu vermeiden.
  • Erneuerung der Dialogforen zwischen NATO und Russland
  • Beitritt der USA zum russischen Moratorium der Stationierung von Kurzstrecken- und Mittelstreckenraketen

Vorschläge für einen Ausweg aus der Eskalationsspirale

Minsk II muss umgesetzt werden! Die ukrainische Regierung weigert sich bisher den Vertrag Minsk-II umzusetzen. Darin wird eine militärische Pufferzone gefordert, aus der auf beiden Seiten schweres Militärgerät abgezogen wird. Ein militärfreier Sicherheitskorridor soll gebildet werden. Alle Seiten verzichten auf militärische Eskalationen und auf die Stationierung weiterer Truppen und Militärgerät in diesem Bereich. Darüber hinaus wird in diesem Vertrag festgelegt, dass die "Besonderheiten einzelner Gebiete der Oblaste Donezk und Lugansk" berücksichtigt und "dies mit den Vertretern dieser Gebiete abgestimmt wird". Bei militärischen Manövern muss Transparenz hergestellt werden, um tragische Missverständnisse zu vermeiden. Seit Jahren weigert sich die Regierung der Ukraine aber über das Minsk-II Abkommen auch nur zu verhandeln, während Moskau dies einfordert. Die sog. Ukrainekrise ist militärisch nicht lösbar und trägt die Potenz eines großen Krieges in sich, bis hin zum Einsatz von Atomwaffen. Die großen Menschheitsfragen wie Krieg und Frieden, die ökologische Krise, die weltweite Coronakrise oder globale Armut sind nur in einer globalen Kooperation zu lösen. Sinnvoll ist der Vorschlag von 60 Nobelpreisträger*innen und Präsident*innen nationaler Wissenschaftsakademien, die ein globales Abkommen über eine Reduzierung der Militärausgaben um 2 % pro Jahr für fünf Jahre fordern. Die Hälfte des so eingesparten Geldes solle dann in einen globalen Fonds fließen, den die Vereinten Nationen verwalten. Mit dem Fonds können dann "gravierende Menschheitsprobleme", wie Armut, Pandemien oder die Folgen des Klimawandels bekämpft werden. Die andere Hälfte der Gelder können die Staaten selbst verwalten und für nichtmilitärische Zwecke nutzen. Abrüstung statt Aufrüstung ist das Gebot der Stunde.