Laut der UN-Sonderberichterstatterin für außergerichtliche Hinrichtungen, Agnès Callamard, verfügen mindestens 102 Länder über militärisch genutzte Flugdrohnen. Dabei überwiegen Systeme zur Aufklärung und Überwachung. Derzeit gelten die USA, Israel, China und die Türkei als bewaffnete Drohnenmächte. Der Begriff meint Staaten, die Kampfdrohnen besitzen, herstellen, einsetzen und mit dem Prädikat „kampferprobt“ weltweit vermarkten. In vielen Fällen werden sie dabei im Krieg, im Bürgerkrieg oder unter dem Vorwand der Terrorismusbekämpfung völkerrechtswidrig genutzt. Seit einigen Jahren bereitet auch die schwarz-rote Bundesregierung die Beschaffung, Stationierung und den Einsatz von Kampfdrohnen vor. Mit der EURODROHNE soll Deutschland ab 2028 zusammen mit Frankreich, Italien und Spanien in den Kreis der Drohnenmächte vorstoßen. Als erste „Überbrückungslösung“ fliegt die Bundeswehr seit elf Jahren unbewaffnete HERON 1 aus Israel. Sie werden durch das Nachfolgemodell HERON TP abgelöst, Hauptauftragnehmer dieser zweiten „Überbrückungslösung“ ist wie bei den HERON 1 der europäische Rüstungskonzern Airbus mit seinem deutschen Ableger in Ottobrunn.
Regierung will Bundestagsbeschluss für EU-Kampfdrohne
Die Bundeswehr hat die HERON TP bewaffnungsfähig bestellt. Pläne zur Munitionierung hegen CDU, CSU und SPD seit zwei Legislaturperioden, vorher hatten die Parteien aber eine „gesellschaftliche Debatte“ versprochen. Sie fand als „Drohnendebatte“ in Form einer kurzen und einseitigen Veranstaltungsreihe im Sommer des vergangenen Jahres unter Regie der Bundeswehr statt. Die Regierungskoalition wollte die Bewaffnung anschließend noch vor den Weihnachtsferien vom Bundestag beschließen lassen. Die Führung der SPD-Fraktion vollzog in letzter Minute eine Kehrtwende; damit ist das Thema der bewaffneten „Überbrückungslösung“ vermutlich bis nach der Bundestagswahl im Herbst 2021 vom Tisch. Nach dem Willen der schwarz-roten Regierungskoalition soll nun der Bundestag über den Beginn der Serienproduktion der EURODROHNE entscheiden. Hauptauftragnehmer ist wieder Airbus, der in einer ersten Serie zunächst 63 Drohnen herstellen will. Die Bundeswehr würde sich mit dem Bundestagsbeschluss zur Abnahme von 21 Luftfahrzeugen verpflichten, die ab 2029 ausgeliefert würden. Die amtierende Bundesregierung versucht, die Frage der Bewaffnung aus der Diskussion herauszuhalten. Ob die deutsche EURODROHNE Waffen trägt, soll dem Bundestag erst in einigen Jahren zur Abstimmung vorgelegt werden. Andere Staaten haben die Ausrüstung mit Raketen und Lenkbomben jedoch bereits angekündigt. Mit einem „Ja„ zu dem System würde der Bundestag also für die Herstellung und Verbreitung einer EU-Kampfdrohne stimmen.
Verteidigungsministerium lobt „chirurgische“ Angriffe in Städten
Viele Gegner*innen von bewaffneten unbemannten Systemen beklagen deren Nutzung für außergerichtliche Hinrichtungen, wie es die USA seit 20 Jahren praktizieren. Die Befürchtung ist berechtigt, was auch die Einsätze von türkischen Kampfdrohnen in Kurdistan, Syrien, Irak, Libyen und zuletzt im Krieg um Bergkarabach belegen. Das deutsche Verteidigungsministerium verspricht, bewaffnete Drohnen ausschließlich völkerrechtskonform einzusetzen. Für die Anfangszeit mag das glaubhaft klingen. Mit ihrer Einführung wird sich die deutsche Kriegsführung aber verändern. Als sicher gilt, dass die Hemmschwelle für den Einsatz sinkt. Dies hat die Bundeswehr in der „Drohnendebatte“ bestätigt, indem sie beklagte, dass sie mit den unbewaffneten Drohnen häufig „zum Zusehen verdammt“ ist. Das Verteidigungsministerium will die HERON TP mit einer angeblich weltweit einmaligen Rakete ausrüsten. Diese Wunderwaffe sei so präzise, dass sie sogar „chirurgische“ Angriffe im urbanen Raum ermögliche. Mit der bewaffneten HERON TP werden Kampfeinsätze der Bundeswehr also vermutlich entgrenzt.
Den unbemannten Rüstungswettlauf aufhalten!
Inzwischen argumentieren die Befürworter*innen von Kampfdrohnen, diese seien so weit verbreitet, dass sich Staaten ihrer Beschaffung nicht mehr entziehen könnten. Im Gegenteil macht es die zunehmende Proliferation aber umso dringlicher, den unbemannten Rüstungswettlauf aufzuhalten. Mit einer Entscheidung, ihre HERON TP lediglich unbewaffnet zu fliegen, würde die Bundesregierung ein deutliches Zeichen an die NATO-Staaten aussenden und könnte sich auf diese Weise glaubwürdig für eine Abrüstung einsetzen. Auch unbewaffnete Drohnen übernehmen eine wichtige Funktion für die heutige Kriegsführung. Fast 800 unbemannte Luftfahrzeuge verschiedener Größen fliegen für die Luftwaffe, das Heer und die Marine. Sie dienen der Überwachung von Stützpunkten im Einsatzgebiet und sollen dort auch feindliche Kräfte einschüchtern. Für Angriffe mit Kampfflugzeugen und Bodentruppen können sie Ziele mit Lasergeräten markieren. Firmen wie Airbus machen außerdem Geschäfte mit Drohnen für Schießübungen mit Raketen oder Marschflugkörpern. Hinzu kommt die deutsche Unterstützung für Drohnenprojekte befreundeter Staaten.
Die US-Luftwaffe trainiert mit – unbewaffneten – Drohnen auf ihren Stützpunkten in Süddeutschland für Einsätze in Asien und Afrika. Die US-Regierung betreibt außerdem in Ramstein eine Relaisstation für Kampfdrohnen, die für das Militär oder den Auslandsgeheimdienst CIA unter anderem in Pakistan, Afghanistan und im Jemen töten. Auch wegen der kritiklosen Überlassung dieses Stützpunktes in Rheinland-Pfalz ist es unglaubwürdig, wenn die Bundesregierung behauptet, völkerrechtswidrige Einsätze von Drohnen abzulehnen. Die Rosa Luxemburg Stiftung hat kürzlich die Studie „Der lange Weg zur Drohnenmacht“ und ein „German Drone Survival Guide“ veröffentlicht. Darin beschreibt der Autor Matthias Monroy sämtliche unbemannten Systeme der Bundeswehr ab Anfang der 1960er Jahre sowie die zukünftig geplanten Projekte.