Nach langem Kampf und Druck aus den Bewegungen legten Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) und Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) am 28. Februar endlich einen Entwurf für ein „Lieferkettengesetz“ vor. Heute soll der Gesetzentwurf vom Kabinett beschlossen und dann dem Bundesrat und Bundestag vorgelegt werden. Seit einigen Jahren wird um ein Lieferkettengesetz gekämpft, immer mehr Organisationen haben sich der Initiative für ein Lieferkettengesetz angeschlossen. Auch Gewerkschaften sind dabei. Der Ministerentwurf entspricht jedoch so gar nicht dem, was gefordert wird und notwendig ist, um tatsächlich die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Beschäftigten weltweit zu verbessern.
Ob Orangensaft, Bananen, Wein, Kakao, Kaffee oder Mangos um nur einige Lebensmittel aus verschiedenen Ländern zu nennen, Kleidung aus den Textilfabriken in Äthiopien, Bangladesch, Indien, Rohstoffe für Laptops und Handys aus Afrika sind nur einige Beispiele der globalen Produktion von Waren, die bei uns oft zu Dumpingpreisen angeboten werden. Laut der UN-Handelskonferenz arbeiten global mehr als 450 Millionen Menschen in Lieferketten und 80 % des weltweiten Handels erfolgt durch globale Produktionsnetzwerke (UNCTAD 2019). Seit 2016 gibt es in der BRD den „Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte (NAP)“, der als Erwartungshaltung die menschenrechtliche Sorgfaltspflicht an Unternehmen formuliert. Hinzugefügt werden soll hier die Aussage von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD), in der er auch auf den Zeitpunkt der Gesetzgebungsdebatte in der Corona-Pandemie eingeht: „Es geht um 150 Millionen Kinder, die unter widrigsten, manchmal tödlichen Bedingungen arbeiten. Es geht um 25 Millionen Menschen, die Zwangsarbeit leisten. Wir können nicht warten, bis es keine anderen Probleme mehr in der Welt gibt – zumal dieser Zeitpunkt wahrscheinlich nie kommen wird.“
Immerhin hat die Große Koalition aus CDU/CSU und SPD ein Lieferkettengesetz als Ziel in ihrem Koalitionsvertrag von 2017 festgeschrieben. Deshalb sind Arbeitsminister Heil (SPD) und Entwicklungsminister Müller (CSU) endlich im Jahr 2019 aktiv geworden, um dieses Gesetz noch in dieser Legislaturperiode zu verabschieden. Entscheidend dafür war auch das Drängen der „Initiative Lieferkettengesetz“ und der wachsende Druck der außerparlamentarischen Bewegung. Klar ist: Ein wirksames Gesetz wird es nur sein, wenn die Kontrolle der Einhaltung der Menschenrechte incl. der Arbeitsrechte geklärt ist, sowie die Haftung und zivilrechtliche Ahndung bei Verstößen. Hinzu kommt, dass es für alle, mindestens jedoch die Mehrheit der Unternehmen gültig sein muss. Zu diesen Punkten gab es in der Vorbereitung der Gesetzesentwürfe Auseinandersetzungen der Minister Heil und Müller gegen den Wirtschaftsminister Altmaier. Aber auch der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) mischte sich ein, es sei „unmöglich die lückenlose Überwachung eines Lieferkettengesetzes zu garantieren“. BDI-Hauptgeschäftsführer Joachim Lang erklärte die Nichtbarmachbarkeit des Gesetzes mit dem Hinweis auf die Automobilindustrie, die „abertausende Zulieferer“ habe, die nicht zu überprüfen sind. Jedoch trotz der noch im Sommer 2020 gemachten Erkenntnis von Bundesarbeitsminister Heil: „Ich weiß, dass deutsche Unternehmen zur Überwachung von Lieferketten in der Lage sind. Man muss sich nur anschauen, dass wir dies in Bereichen wie bei den Normen der Produktsicherheit bereits lückenlos haben.“, wird nun ein Gesetzentwurf vorgelegt, das mehr nur dem Nachsatz des Ministers Heil entspricht, der lautet: „Wir werden von Unternehmen nichts verlangen, was unmöglich ist.“
In der vorliegenden Form hat der Gesetzentwurf jedoch massive Schwachstellen und muss dringend nachgebessert werden. Initiative Lieferkettengesetz
Gültig soll das Gesetz nun erst ab 2023 sein und dies zunächst nur für ca. 600 Unternehmen, die jeweils mehr als 3.000 Beschäftigte haben. Ab 2024 wird sich die Zahl der Unternehmen auf insgesamt 2.891 erhöhen, da das Gesetz dann ab 1.000 Beschäftigten gilt. DIE LINKE hat berechnet, dass durch dieses Gesetz nur circa 0,1 Prozent der deutschen Wirtschaft für die Menschenrechte verantwortlich gemacht wird. Als Mangel hinzukommt, dass die Zulieferbetriebe für die deutschen Unternehmen im Ausland nicht vom Gesetz betroffen sind, außer es liegt eine „substantiierte“ Beschwerde vor. Was zudem fehlt, ist die Haftung der Unternehmen bei Verstößen gegen die Menschen- und Arbeitsrechte. Diese soll es nach diesem Gesetzentwurf nicht geben. Vorgesehen ist stattdessen der Weg der Klage bei Verstößen, die durch zivilgesellschaftliche Organisationen und Gewerkschaften unter dem bestehenden, unzureichenden, internationalen Privatrecht eingeleitet werden können. Damit sind die Hürden zur Durchsetzung des Gesetzes, besser die Durchsetzung der Menschenrechte sehr hochgelegt, dies ist wohl bewusst so entworfen.
Freuen wird sich Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer, der sich nach dem Eckpunktepapier 2019 bereits „ja schon mit beiden Beinen im Gefängnis“ wähnte, wenn er „die Einhaltung der Menschenrechte bis ins letzte Glied seiner Lieferkette gewährleisten und dafür haften solle“. Denn es sollen zwar Bußgelder gezahlt werden, sobald einem deutschen Unternehmen nachgewiesen werden kann, dass es von Menschenrechtsverletzungen in der Lieferkette wusste, das Unternehmen jedoch nichts dagegen unternommen hat, diese Unternehmen können auch von öffentlichen Ausschreibungen bis zu drei Jahre gesperrt werden – doch wer beweist, dass ein Unternehmen von den Verletzungen der Menschenrechte zwingend wusste und was heißt „können“ gesperrt werden? Fragen wirft auf, weshalb der Deutsche Gewerkschaftsbund diesen Entwurf eines Lieferkettengesetzes mit einer Pressemitteilung begrüßt und durch den Vorsitzenden Reiner Hoffmann verkündet: „Das ist ein guter Tag für Menschenrechte und faire Arbeitsbedingungen entlang globaler Wertschöpfungsketten. Mit diesem Gesetz kann ein wichtiger Schritt getan werden, damit in Deutschland die Qualität von Produkten gepaart wird mit sozialer und ökologischer Verantwortung ‘Made in Germany’.“ Eben dieses Ziel der Menschenrechte wurde mit dem Entwurf verfehlt. Entweder wurde der Entwurf nicht richtig gelesen, nicht verstanden oder aber es wird auf diese Weise versucht, Arbeitsminister Heil das Wort zu reden. Johanna Kusch, Koordinatorin des Bündnisses „Initiative Lieferkettengesetz“, in dem auch die Gewerkschaften ver.di und der DGB vertreten sind, hat zum Gesetzentwurf eine differenziertere Stellungnahme:
Der Kompromiss ist ein wichtiger und längst überfälliger Schritt in die richtige Richtung: ‘Made in Germany’ darf nicht länger für Kinderarbeit oder Fabrikeinstürze in den Lieferketten deutscher Unternehmen stehen. (...) Klar ist aber: Ein wirkungsvolleres Gesetz wäre möglich gewesen. Doch offenbar sind der CDU ihre guten Beziehungen zu den Wirtschaftsverbänden wichtiger als der effektive Schutz von Menschenrechten und Umwelt. Nur so ist zu erklären, dass das Gesetz zunächst nur für so wenige Unternehmen gilt. Durch die fehlende zivilrechtliche Haftung wird Opfern von schweren Menschenrechtsverletzungen ein verbesserter Rechtsschutz vor deutschen Gerichten verwehrt. Und auch die Pflicht zur Einhaltung von Umweltstandards berücksichtigt das Gesetz nur marginal – hier gibt es dringenden Nachbesserungsbedarf.
Die „Initiative Lieferkette“ und mit ihr einige andere Akteure setzen nun ihre Hoffnung auf die EU-Ebene. Hier wird die Möglichkeit gesehen, doch noch in Brüssel mindestens die Haftungsfrage der Unternehmen in einem EU-Lieferkettengesetz zu verankern. Auch Reiner Hoffmann vom DGB sieht bei aller Freude wohl doch Nachbesserungsbedarf, denn er sagt: „Leider konnte man sich nicht auf einen leichteren Zugang für Betroffene zu Zivilgerichten einigen. Wichtig wäre jetzt, dass die Bundesregierung die EU dabei unterstützt, eine zivilrechtliche Haftung in Europa zu regeln.“
Blaupause für Brüssel
Noch am 08.02.21 hat das Handelsblatt geschrieben: „Trotz europäischer Regulierungsankündigung streitet Deutschland über einen nationalen Alleingang. Dieser wäre jedoch schädlich. Er würde die deutsche Wirtschaft einseitig belasten und Arbeitsplätze gefährden (...) es würde diese wachsende unternehmerische Selbstbindung zur sanktionierten Pflicht erklären. Im internationalen Wettbewerb, aber auch mit Blick auf den europäischen Binnenmarkt, wären viele deutsche Unternehmen damit im Nachteil.“ Und weiter stellt das Handelsblatt fest: „Die Bundesregierung sollte deshalb auf ein eigenes Lieferkettengesetz verzichten und sich stärker für eine europäische Lösung einsetzen. Viele Unternehmen kämpfen derzeit mit den Folgen der Corona-Pandemie und mit einem immer schneller voranschreitenden Strukturwandel, der Digitalisierung und auch mit ambitionierten Klimazielen. Ziel der Wirtschaftspolitik sollte es deshalb sein, zumindest faire Wettbewerbsbedingungen in Europa sicherzustellen.“ Nicht ohne Grund heißt es jetzt nach der Vorlage des Gesetzentwurfs aus dem Bundeswirtschaftsministerium, nun solle die Europäische Union möglichst schnell ein entsprechendes Gesetz verabschieden. Es steht für die Beschäftigten, insbesondere in den Herstellungsländern, zu befürchten, dass aus Brüssel und der EU kein besseres Gesetz kommen wird. Eher kann davon ausgegangen werden, dass der bundesdeutsche Entwurf nun als Blaupause für das EU-Gesetz genommen wird – und wahrscheinlich auch als solche gedacht ist.
Für uns ist klar: Wir brauchen nicht irgendein Lieferkettengesetz, sondern eines, das wirksam ist. Deswegen fordern wir alle Abgeordneten des Bundestages dazu auf, sich im Bundestag für Nachbesserungen des Lieferkettengesetzes stark zu machen. Ein wirksames Lieferkettengesetz muss:Initiative Lieferkettengesetz
- Unternehmen dazu verpflichten, proaktiv entlang ihrer gesamten Lieferkette Menschenrechts-Risiken zu analysieren;
- die Rechte von Betroffenen durch eine zivilrechtliche Haftungsregelung stärken;
- eigenständige umweltbezogene Sorgfaltspflichten einführen;
- alle Unternehmen ab 250 Mitarbeiter*innen erfassen.
Veränderungen im Interesse der arbeitenden Menschen werden nur durch weitere Aktivitäten in der gesamten EU für ein Lieferkettengesetz erreicht werden. Die Erfahrungen und Kampfkraft der Initiativen aus den einzelnen Ländern müssen dazu mit den im EU-Parlament vertretenen linken Parteien verbunden werden. Für ein Lieferkettengesetz kämpfen, dass den Namen verdient. Dieses wäre dann auch in Deutschland gültig. Mit anderen Worten: Noch lohnt es weiter zu kämpfen!
Mit freundlicher Genehmigung von kommunisten.de, dort veröffentlicht am 03.03.21