Conrad Schuhler, herzlichen Glückwunsch zum 80. Geburtstag!

Eigentlich wollten wir Conrads 80. Geburtstag am 28. Mai gemeinsam feiern. Doch das Virus hat uns einen Strich durch die Rechnung gemacht.

Sein Leben und seine vielfältigen Aktivitäten sowie die gemeinsam erlebten politischen Entwicklungen hier aufzuführen, würden den Rahmen sprengen. Deshalb sei nur weniges herausgegriffen. Conrad studierte Wirtschaftswissenschaften an der Ludwig-Maximilians-Universität München, an den Unis in Manchester, Yale sowie Berkeley und schloss als Diplom-Volkswirt ab.

Wo Conrad war, etablierte sich der Aufruhr. „Was sich ausnimmt wie Wunschdenken euphorischer Hochschulreformer, ist seit Mai an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität Wirklichkeit“, schrieb DER SPIEGEL am 5. August 1968 über die Bildung eines je zur Hälfte mit Vertretern der Studentenschaft und des Lehrkörpers besetzten Institutsausschusses am Soziologischen Institut der LMU. Dieser paritätisch besetzte Ausschuss entschied über Fragen der Lehre und Lehrforschung, des Prüfungswesens und des Instituts-Etats.

DER SPIEGEL weiß nicht nur um eine der ersten Maßnahmen – „Gemeinsam beschlossen Professoren und Studenten, eine Vorlesung über ‘Romansoziologie’ zu streichen und stattdessen ein Kolleg über ‘Massenkommunikation’ (mit Blick auf den Springerkonzern) anzusetzen.“ -, sondern auch um die Initiatoren dieser „revolutionären“ Institution: die Instituts-Assistenten Conrad Schuhler und Dr. Horst Holzer.

Als in München eines der bekanntesten Publikationshäuser der Protestbewegung der 1960er Jahre gegründet wurde, der Trikont Verlag, war Conrad dabei. In dem Verlag erschien nicht nur die deutsche Übersetzung des berühmten „Bolivianischen Tagebuchs“ von Che Guevara, sondern 1968 auch Conrads erstes Buch „Politische Ökonomie der armen Welt“ und ein Jahr später „Black Panther. Zur Konsolidierung des Klassenkampfes in den USA“.

An dieser Stelle kann auch ein Geheimnis gelüftet werden. Am 22. Juli 1972 stand in riesigen Lettern unter dem Giebel des Nationaltheaters am Münchner Max-Joseph-Platz „Freiheit für Angela Davis“. Conrad war der Kopf dieser Truppe, die diese spektakuläre Nacht- und Nebelaktion durchführte. Conrad war als junger Kommunist in den USA auf die Black-Panther-Aktivistin Angela Davis gestoßen. Als es dann einige Jahre später darum ging, Angela Davis aus dem Zuchthaus freizukämpfen – ihr drohte die Todesstrafe -, war Conrad einer der engagiertesten Aktivisten in der Kampagne „Freiheit für Angela Davis“.

Der Aufenthalt in den USA hat auch die Grundlagen dafür gelegt, dass Conrad bis in die heutige Zeit ein scharfsinniger Analytiker der US-Gesellschaft und der US-Politik blieb. Im Rahmen seiner nachuniversitären Weiterbildung arbeitete Conrad während der Volksfrontregierung von Salvador Allende beim Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung in Santiago de Chile. Der faschistische Putsch von Pinochet zerstörte die Träume vom Aufbau einer gerechten Gesellschaft auf dem lateinamerikanischen Kontinent. Inzwischen zurück in Deutschland war Conrad ein Motor in der Solidaritätsbewegung mit Chile.

Im Bezirksvorstand der DKP Südbayern war er für Öffentlichkeitsarbeit zuständig und wusste in dieser Funktion seine Fähigkeit, theoretische Erkenntnisse anschaulich und allgemeinverständlich umzusetzen, zu nutzen. In Debatten bevorzugte er – und das ist auch heute noch so – das rhetorische Florett, greift aber auch, wenn es ihm erforderlich erscheint, blitzartig zum zweihändig zu führenden Schwert. Dies entspricht auch seiner damaligen sportlichen Tätigkeit, dem Kampfsport, und seiner Leidenschaft für das Pokern – beides strategische Spiele, die auf den Überraschungsangriff setzen.

Conrads vielseitige Fähigkeiten zeigen sich auch darin, dass er von 1971 bis 1982 Mitherausgeber der Kulturzeitschrift „Kürbiskern – Literatur und Kritik“ war. In dieser Zeit wurde auch der Titel ergänzt; zu „Literatur und Kritik“ kam der „Klassenkampf“ dazu. Als er 1988 Chefredakteur der DKP-Zeitung UZ – damals noch Tageszeitung – wurde, setzte er neue Akzente, die nicht allen in seiner Partei und in der großen Schwesterpartei in der DDR gefielen. Mit dem Ende der DDR kam auch das Ende als Chefredakteur der UZ.

Ein Intermezzo blieben auch seine Veröffentlichungen im Wochenmagazin der Süddeutschen Zeitung, z.B. die beeindruckende Reportage als Taxifahrer in der New Yorker Bronx. Ein Kommunist als Autor, das war bei aller „Liberalität“ dann doch nicht tragbar. Der Schwerpunkt seiner Arbeit lag in dieser Zeit in der engen Zusammenarbeit mit seiner Frau Juliane, die unzählige Dokumentarfilme drehte. Umso schwerer der Schlag, als Juliane unheilbar erkrankte und dann viel zu früh verstarb.

Im Jahr 2000 stieg Conrad dann beim isw ein. Im März 2000 erschien der isw report Nr. 42 „Verbrechen Wirtschaft“ aus seiner Feder. 2004 wurde er Vorsitzender des isw; eine Funktion, die er bis 2017 ausübte. Conrad erweiterte das Themenspektrum des isw, auch wenn die Entwicklung des transnationalen Kapitalismus und seiner Krisen im Zentrum der Veröffentlichungen blieben. Zu aufwändig wäre es, alle die Texte und Broschüren aufzuzählen, die Conrad beim isw verfasste. Sein besonderes Anliegen: Nicht nur Analysen, sondern Alternativen aufzeigen und Wege zur Veränderung beschreiben.

Zu diesem Zweck sucht er die Debatte und das Streitgespräch. Conrad ist ein gefragter Referent für große und kleine Versammlungen: Seien es große Betriebs- und Streikversammlungen wie es z.B. bei Telekom und ver.di der Fall war, Gewerkschaftsversammlungen bei der IG Metall und dem DGB, Kongresse gesellschaftlicher Bewegungen oder kleine Veranstaltungen und workshops.

Conrad war auch verantwortlicher Redakteur des wohl „teuersten“ isw-Reports. Auf eine Strafzahlung von einer Million DM klagte die Siemens AG gegen das isw, weil der Titel der vom isw und der IG Metall herausgegeben Broschüre „Schöne neue Siemenswelt“ die Rechte der Siemens AG verletzen würde. Durch einen Vergleich – die Broschüre durfte nicht weiter vertrieben werden – konnte das finanzielle Aus des isw abgewendet werden.

Als Mitarbeiter und Vorsitzender des isw war er immer wieder Motor und Ideengeber für das Eingreifen des isw in das politische und wissenschaftliche Geschehen und ist es auch heute noch. Dabei musste er sich in den letzten Jahren – und bis heute – mit eigenen Krankheiten rumschlagen, ließ sich aber nicht unterkriegen. Chapeau! – wie Conrad gerne sagt.

Ein Beweis dafür ist, dass er es trotz der Krankheit schaffte, sein neues Buch "Wie weit noch bis zum Krieg?" zu schreiben.

Kaum mit dem Buch fertig, sprüht er voller neuer Ideen für die Arbeit des isw. Da bleibt uns nichts anders über, als Conrad zu gratulieren und noch viel Schaffenskraft zu wünschen.