„Was ist bloß im Rathaus los?“ fragte singend die Berliner Rockgruppe “Lokomotive Kreuzberg“ 1975 auf ihrer Schallplatte „Fette Jahre“. Heute können wir bzgl. der Mieten antworten: In Berlin hat die Senatsregierung (bestehend aus SPD, Die Linke und Bündnis 90 – Die Grünen) den Gesetzesentwurf “Mietendeckel” beschlossen, der in seinen Kernpunkten

  1. für fünf Jahre Mieten einfriert, womit auch Staffelmietverträge ausgehebelt werden,
  2. die Preise bei Neu- und Wiedervermietungen nach einer Preistabelle festlegt,
  3. bei bestehen Mietverhältnissen eine Kappung ermöglicht, wenn die Miete bei mehr als 120% der Preistabelle liegt,
  4. die Modernisierungsumlage auf maximal 1 Euro pro Quadratmeter begrenzt und
  5. einen Verstoß mit einem Bußgeld von bis zu 500.000 Euro ahndet.
    Die erwähnte Miettabelle definiert Quadratmeterpreise, die nach Ausstattung und Baujahr variieren. Für Münchener Mieter*innen unvorstellbar: Die Preise sind zwischen 3,92 Euro und maximal 9,80 Euro festgeschrieben.

Natürlich schreien Vermieter und rechte Parteien Zeter und Mordio, und wollen vor Gericht gegen dieses Gesetz klagen, da es angeblich das Grundrecht auf Eigentum und das Erbrecht verletzt. Dass der Artikel 14 des Grundgesetzes mehr als nur einen Absatz enthält, wird dabei geflissentlich übersehen. Außen vor lassen sie auch, dass es auch der von ihnen gesteuerte jetzige Wohnungsmarkt ist, der die Inanspruchnahme von Rechten be- und verhindert[1].

Volksbegehren „Mietenstopp“ in Bayern

Und weiter südlich, in Bayern? Auch hier tobt der Mietenwahnsinn, steigen die Wohnungspreise, gibt es großen Wohnungsmangel[2]. Ein Gesetz wie in Berlin ist angesichts der hier herrschenden politischen Mehrheitsverhältnisse so nicht zu erwarten. Aber es ist ein Volksbegehren „Mietenstopp“ auf den Weg gebracht worden.

Das bayerische Volksbegehren[3] „Mietenstopp“ fordert im Kern, dass

  1. für sechs Jahre die Mieten in 162 bayerischen “Notstands-Gemeinden“ eingefroren werden,
  2. Staffel- und Indexmietverträge unter das Mieterhöhungsverbot fallen,
  3. bei Neuvermietungen maximal die ortsübliche Vergleichsmiete verlangt werden kann,
  4. Mieten, die deutlich unter der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen, nur bis maximal 80 Prozent der ortsüblichen Miete erhöht werden können,
  5. Verstöße mit bis zu 500.000 Euro Bußgeld geahndet werden.[4]

Das Volksbegehren organisiert ein Bündnis aus Mieterverein, dem DMB Bayern, der SPD, dem Bündnis #ausspekuliert, der Partei DIE LINKE., der Gewerkschaften, dem VdK und vielen anderen. Mittlerweile sind es über hundert.

Weder das Berliner Gesetz noch ein erfolgreiches Volksbegehren „Mietenstopp“ in Bayern lösen das Wohnungsproblem grundsätzlich, aber sie halten das Miet- und Wohnungsproblem in der Öffentlichkeit. Die Unterschriftensammlung für das Volksbegehren kann Menschen aktivieren, gerade auch solche, die bis dato weder politisch organisiert, noch jemals öffentlich-politisch aktiv geworden sind. Initiativen wie das Volksbegehren Mietenstopp können politisches Denken und Handeln befördern.

Die Breite des Bündnisses für das bayerische Volksbegehren „Mietenstopp“ zeigt zudem, dass relevante Vereinigungen das Thema Miete und Wohnungsmangel handlungsorientiert aufgreifen[5].

Am Berliner Gesetz gibt es viel zu kritisieren, z.B. die zeitliche Beschränktheit und dass es das „Vertrauen“ in den Parlamentarismus fördern könnte. Das weitere Sammeln von Unterschriften für das Volksbegehren „Deutsche Wohnen enteignen“ scheint es nicht behindert zu haben. Die Auseinandersetzung um die Wohnungsfrage geht also weiter. Auch das bayerische Volksbegehren „Mietenstopp“ hat eine zeitliche Begrenzung, aber diese Begrenzung kann auch als „Verschnaufpause“ für weitere, notwendige Forderungen zur Wohnungspolitik gedeutet werden. Dass sie keine „Schlafpause“ wird, liegt an uns.

In der Wohnungspolitik gibt es noch viel zu tun, auf kommunaler Ebene und auf Länderebene, auf Bundesebene und auch internationaler Ebene. Vorschläge für eine andere Wohnungspolitik gibt es[6],  und auch Gewerkschaften mischen sich zunehmend in Wohnungspolitik ein[7].

Bauen, bauliche Anordnung und räumliche Gestaltung von Wohnungen sind auch Ausdruck eines laufenden Wandels, dem Moden und Kultur, politische Ansichten und der sozialen Struktur unterliegen[8]. Gerade Letzteres hat Heinrich Zille, den Grafiker, Maler und Fotografen angesichts der zahlreichen Hinterhöfe von Berliner Mietskasernen Anfang des letzten Jahrhunderts zu der Aussage gebracht: „Man kann mit einer Wohnung einen Menschen genauso gut töten wie mit einer Axt.“

Innovative, nachhaltige und sozial Wohnungspolitik

Die Wohnungsfrage steht als sozial Frage zu Recht im Mittelpunkt. Sie ist darüber hinaus aber auch eine Frage, wie wir leben wollen. Wohnungspolitik verlangt auch Antworten auf Fragen nach der Art des Baumaterials, der Wärmedämmung[9], der Größe von Häusern und Wohnungen, deren Abstand zu anderen Häusern, der Ausstattung, der Infrastruktur, des Besitzes u.v.m. Für innovative, nachhaltige und soziale Wohnungspolitik gibt es zahlreiche Beispiele. Damit die anhand dieser Beispiele aufgezeigte Machbarkeit und Tragfähigkeit innovativer und nachhaltiger Wohnungspolitik massenhaft wird, bedarf es einer umfassenden Lösung der sozialen Frage.

DIE LINKE hat recht, wenn sie in ihrem (Erfurter) Grundsatzprogramm schreibt:

Die Grundversorgung der Menschen mit lebensnotwendigen Leistungen wie (…) Wohnen, (…) darf nicht kapitalistischem Profitstreben überlassen werden. Sie muss öffentlich organisiert und garantiert werden.

Machen und durchsetzen müssen wir das. Das Volksbegehren „Mietenstopp“ kann ein Schritt sein. Vielleicht tritt dann auch ein, was die Gruppe Fehlfarben schon vor vierzig Jahren sang: “Keine Atempause, Geschichte wird gemacht, es geht voran!“


[1] So existiert in Deutschland z.B. das Recht der freien Berufswahl (siehe Grundgesetz Artikel 12). Aber es kann von vielen auch deshalb nicht in Anspruch genommen werden, da zu allererst eine bezahlbare Wohnung gefunden werden muss.
[2] Vgl. dazu: Holm, Andrej; Schreer, Claus: Mietpreis-Explosion und Wohnungsnotstand, isw-Report Nr. 116/117, Mai 2018
[3] Während sich ein Volksbegehren (Volksentscheid) an die Landes- oder Bundesebene richtet, richtet sich das Bürgerbegehren bzw. der Bürgerentscheid ausschließlich an die kommunale Ebene.
[4] Der Wortlaut des Gesetzesvorschlages kann der Unterschriftenliste „Volksbegehren # 6 Jahre Mietenstopp“ entnommen werden.
[5] Die Breite eines Bündnisses impliziert oft, das „linke“ Analysen und Forderungen in Reinkultur gerade anfangs kaum durchzusetzen sind. Aber sie können Bündnispartner*innen erreichen, Menschen und Institutionen, an die wir ohne dieses Bündnis kaum herankämen.
[6] Z.B. Stupka, Christian: Die Spekulation unterbinden, in: Publik, Mitgliederzeitung von ver.di, 7/2019, S. 7
[7] Vgl. Wohnungs-Initiative von ver.di, in: Publik, Mitgliederzeitung von ver.di, 7/2019, S. 7
[8] Vgl. Benevolo, Leonardo: Die Geschichte der Stadt, Frankfurt a. M., Campus- Verlag, 1983; Herkommer, Sebastian: Die Stadt und der Kapitalismus, Supplement der Zeitschrift Sozialismus 01/2002, Hamburg
[9] Wir wissen z.B. das „uns“ der Sand fürs Bauen ausgeht, dass ein Großteil des Energieverbrauchs in der BRD ungenügend bzw. nicht wärmegedämmten Häusern geschuldet ist.