Für die parteinahe chinesische Tageszeitung GlobalTimes kam es einer „Kriegserklärung“ gleich. Die Verhaftung von Meng Wanzhou, Finanzvorstand des chinesischen Telekom-Giganten Huawei und Tochter des Firmengründers Ren Zhengfei in Kanada auf Veranlassung von US-Behörden. Just zu dem Zeitpunkt als sich tausende Kilometer entfernt US-Präsident Trump und sein chinesischer Gegenpart Xi in Argentinien mit ihren Delegationen im Anschluss an den G20-Gipfel gegenüber- saßen und auf die Wiederaufnahme von Verhandlungen zur Beilegung des Handelskonflikts einigten. Die hochrangige Managerin, von Kanadas Justiz mit einer elektronischen Fußfessel versehen und unter Hausarrest gestellt – mit 14 Bewachern, die sie selbst bezahlen muss – sollte nicht nur zur Demütigung der Chinesen herhalten, sondern auch als Faustpfand und Geisel. Die Erpressungsabsicht offenbarte sich denn auch, als die Verhandlungen Ende Januar in die entscheidende Runde traten und die USA gerade in der Situation einen offiziellen Auslieferungsantrag an Kanada stellten. US-Präsident Trump hatte schon davor in einem Interview mit Reuters gesagt, die Freilassung von Meng Wanzhou könne Teil einer Lösung des Handelskonflikts sein – und damit auch einen aufschlussreichen Hinweis auf die Unabhängigkeit der US-amerikanischen Justiz gegeben.
US-Angriff auf „Made in China 2025“
Der Kampf gegen Chinas High-Tech-Ambitionen, die im chinesischen Masterplan „Made in China 2025“ niedergeschrieben sind, ist die entscheidende Front des US-Wirtschaftskrieges gegen das „Reich der Mitte“. Es ist deshalb auch kein Zufall, dass gerade in der Endphase der Verhandlungen, der US-Justizminister Whitaker zusammen mit US-Handelsminister Ross, Innenministerin Kristjen Nielsen und FBI-Direktor Chsistopher Wray vor die Presse traten (29.1.19) – am gleichen Tag als die chinesische Delegation zu den abschließenden Verhandlungen in den USA eintraf – , um die formelle Anklage gegen Huawei zu verkünden. Mit diesem Angriff sollte den Chinesen signalisiert werden, dass man sich in der Lage sieht, einen ganzen Technologie-Giganten auszuschalten, wie es einige Monate davor mit dem staatseigenen chinesischen Telekommunikationsriesen ZTE erfolgreich geprobt wurde.
Die 13 Anklagepunkte gegen Huawei konzentrieren sich im Wesentlichen auf Verstoß gegen US-Sanktionen und auf Industriespionage. Sie sind absurd, entbehren aber nicht einer gewissen Pikanterie.
Iran-Sanktionen: Die USA brechen einen völkerrechts-verbindlichen Vertrag mit dem Iran und sanktionieren dann alle Staaten und Firmen, die sich weiter an den gültigen Vertrag halten und auf dieser Basis Geschäfte mit dem Land machen. Es werden zudem nicht nur US-Firmen sanktioniert, sondern Firmen in aller Welt; die USA praktizieren völkerrechtswidrig so genannte exterritoriale Sekundär-Sanktionen.
Nicht minder grotesk ist der Spionagevorwurf in der Anklage. Er ist zudem ein alter Ladenhüter. Der Fall stammt aus dem Jahr 2013 und wurde zivilrechtlich vor Jahren abgeschlossen. Zwei Huawei-Angestellte hatten im Showroom einer US-Tochtergesellschaft von Telekom/T-Mobile Fotos von dem dort ausgestellten Roboter Tappy gemacht. Einer der Chinesen soll ihm gar in grober Weise einen Arm ausgerissen haben. Das FBI besitzt jetzt angeblich Beweise, dass die Huawei-Angestellten auf Anweisung der Firmenleitung gehandelt haben.
Pikant ist der Fall, wenn man bedenkt, dass der Schwestergeheimdienst des FBI, die NSA, jahrelang rund um den Globus Firmen, Privatpersonen, Regierungen bis in das Handy der Kanzlerin hinein (Merkel: „Ausspähen unter Freunden, das geht gar nicht“) ausspioniert hat und wohl noch spioniert.
Mehr noch: Bereits im Jahr 2009 drang die NSA bei der Operation Shotgiant in den Huawei-Hauptsitz ein, wie Edward Snowden enthüllt hatte; genau mit den Methoden, die Washington heute den Chinesen unterstellt. Über weitere US-Cyberangriffe auf Huawei ist nur deshalb nichts bekannt, weil es seitdem keine Whistleblower mehr gab.
Die USA haben Huawei als den technologischen Hauptfeind ausgemacht. Ihre Angriffe auf den führenden chinesischen Technologiekonzern sind Teil ihrer roll-back- und Blockadepolitik gegen „Made in China 2025“. Mit diesem Masterplan will China in relativ kurzer Zeit den Sprung von der „Fabrik der Welt“ zum „Labor der Welt“, vom industriellen Imitator zum technologischen Innovator schaffen. In dem Strategiepapier der Regierung werden zehn Schlüsselindustrien festgelegt, in denen das Land Anschluss zu den Weltmarktführern erreichen will; es sollen globale Champions kreiert werden, darunter auch im Bereich Informations- und Kommunikationstechnologie. Den USA ist das ein Dorn im Auge. Trump will mit seinen Torpedos gegen Huawei, und davor gegen den Telekom-Konzern ZTE, die Chinesen in die Knie und zur Aufgabe ihres Masterplans zwingen. Mitte Januar 2019 haben Kongressmitglieder beider US-Parteien einen Gesetzesvorschlag eingebracht, der den Export von Komponenten aus den USA an chinesische Technologiefirmen verbietet, die gegen Ausfuhrbestimmungen oder Sanktionen verstoßen haben. Die Vorlage richtet sich primär gegen Huawei und ZTE und stellt für diese Konzerne eine existenzielle Bedrohung dar. Dennoch will sich Peking nicht in seine Industriepolitik hineinreden lassen.
Huawei – Telekom-Gigant und Technologieführer
Huawei ist gewissermaßen der Prototyp für Xis Plan, in relativ kurzer Zeit zur technologischen Weltspitze aufzuschließen. Huawei ist in wenigen Jahren ein beispielloser Aufstieg zu einem Technologiegiganten gelungen. Die Firma wurde 1987 gegründet. Der Konzern hat heute 180.000 Mitarbeiter und machte 2018 einen Umsatz von 108 Mrd. Dollar. 98,6% der Aktien sind in den Händen der Mitarbeiter, über 1,4% verfügt Firmengründer Ren.
- Huawei ist heute der zweitgrößte Smartphone-Hersteller in der Welt. Es hat 2018 die US-amerikanische IT-Perle Apple – Marktkapitalisierung eine Billion Dollar – vom zweiten Platz verdrängt. Weltmarktführer ist der südkoreanische Konzern Samsung. Huawei verkaufte in 2018 200 Millionen Smartphones, ein Drittel mehr als im Jahr davor. Bei Apple dagegen sind die Verkaufszahlen insbesondere beim i-Phone gefallen.
- Huawei ist der größte Telekom-Netzausrüster der Welt.
Weltmarktanteile (2017): IT- und Telekommunikationsausrüster
Huawei: 28%
Ericsson (Schweden): 27%
Nokia (Finnland): 23%
ZTE (China): 13%
Samsung (Südkorea): 3%
Sonstige: 6%(Quelle: Handelsblatt)
- Huawei ist der führende Anbieter bei erweiterten Netzen (RAN-Ausrüstung: Radio Access Network) steht an zweiter Stelle bei den 4G-Kernnetzen, nach Ericsson, und an zweiter Stelle bei Routern und Switches (hier ist Cisco/USA führend).
- Huawei gilt als der innovativste Konzern Chinas. Er ist der „Patentkönig“ in Europa, vor Siemens. Huawei hat in Europa 2398 Patente angemeldet. Es ist auch bei den 5G-Patenten führend. „Es tobt ein Patentkrieg“ heißt es aus einer namhaften Wirtschaftskanzlei. „Da Huawei laut unseren Analysen die meisten Beiträge zum 5G Standard leistet, ist 5G ohne Huawei unmöglich“, sagt Tim Pohlmann, Geschäftsführer von Iplytics (HB, 6.2.19).
- Aufhorchen aber lässt vor allem diese Meldung der FAZ: „Angriff auf Amerikas Chip-Dominanz“. Huawei hatte in diesen Tagen in Schanghai einen eigenen Hochleistungs-Chip vorgestellt, der der US-Konkurrenz von Qualcomm, Intel und Nividia in Sachen Rechnerleistung ebenbürtig sein soll; der chinesische Chip „Ascend 910“ habe sogar die größte Rechendichte auf dem Markt. Die High-End-Chips sind bisher die Achilles-Ferse bei den chinesischen High-Tech-Ambitionen, die größtenteils aus den USA bezogen werden müssen. Als die USA im Frühjahr 2018 den Technologiekonzern ZTE (Smartphones, Netzwerktechnik) mit einem Bann belegten, durfte dieser keine Computerchips mehr aus den USA beziehen, wodurch er zeitweise den Betrieb einstellen musste und beinahe in den Ruin getrieben worden wäre. Sollte die Entwicklung von Huawei erfolgversprechend sein, wäre die verwundbarste Stelle in chinesischen Wertschöpfungsketten eliminiert. Den USA ginge eine starke Waffe im Handelskrieg verloren. Der Chip ist allerdings frühestens Mitte des Jahres serienreif.
Der Kampf um 5G
Huawei hat nicht nur den größten Marktanteil bei den Telekommunikations-Netzen, das Unternehmen ist auch führend beim Aufbau des neuen 5G-Netzwerk-Standards. Deutsche Mobilfunkanbieter schätzen den zeitlichen Vorsprung auf 12 bis 16 Monate (HB, 23.1.19). Das ist den USA wohl der größte Dorn im Auge. Die neuen superschnellen Netze des Mobilfunkstandards 5G dienen nicht nur für Telefonate und Internetverbindungen, sie bilden die Grundlage für autonom fahrende Autos, für Telemedizin, für lernende Maschinen in den Fabriken, Industrierobotern, Energieversorgung und natürlich verschiedenste militärische und Waffen-Anwendungen (Kriegsroboter, Cyberwar). „5G ist für die digitale Revolution so wichtig, wie es die Elektrizität für das Industriezeitalter war“, schreibt das Handelsblatt am 30.1.19. Es ist die Schlüsseltechnologie für die Digitalisierung der Zukunft. Als solche ist sie gegenwärtig das Hauptfeld der US-Amerikaner im Kampf gegen Huawei.
Ziel der USA ist es, den chinesischen Konzern insbesondere in den Industriestaaten vom Aufbau der 5G-Netze auszuschließen. Im Frühjahr und Frühsommer werden in den meisten Ländern die Lizenzen vergeben und Frequenzen versteigert. Als erstes hat die US-Administration Huawei aus den USA verbannt. Mobilfunkmasten und Telekom-Teile dürfen dort nicht errichtet bzw. verbaut werden. Im „Öffentlichen Dienst“ und der Army sind sogar Huawei-Smartphones verboten.
Über die anglophone Geheimdienst- und Spionage-Allianz „Five Eyes“ (USA, Kanada, UK, Australien und Neuseeland) wurde Huawei dann bei den engsten Verbündeten der USA boykottiert. Zudem hat Japan erklärt, Huawei vom 5G-Netz auszuschließen. In einer weiteren Angriffswelle wird nun Druck auf die europäischen Alliierten der USA ausgeübt. Insbesondere Deutschland soll zum Einknicken gebracht werden.
Die USA gehen mit allen Mitteln gegen die Zulassung von Huawei beim Aufbau von 5G-Netzen vor. So drohten sie sogar mit Truppenabzug aus Ländern, die Huawei-5G-Netze installieren, da angeblich die Sicherheit ihrer GIs gefährdet sei. Auch „die Deutsche Telekom nimmt die globale Diskussion über die Sicherheit von Netzelementen chinesischer Hersteller sehr ernst“, erklärte ein Konzernsprecher. „Nach Handelsblatt-Informationen kam der Druck für diesen Schritt unter anderem aus den USA. Denn dort plant die US-Tochter des Dax-Konzerns die Fusion mit dem Konkurrenten Sprint. Für den Zusammenschluss steht jedoch noch die Zustimmung der US-Wettbewerbsbehörden aus“ (HB, 17.1.19).
Deutschland: Lex Huawei?!
Gegen Huawei wird der Verdacht erhoben, sensible Daten entweder durch eingebaute Hintertüren (backdoors) oder freiwillig und aktiv an den chinesischen Staat weiterzugeben. Beweise dafür gibt es nicht, wie alle Beteiligten zugestehen müssen. Huawei bestreitet die Vorwürfe vehement. Sein Unternehmen habe „niemals eine Anfrage von einer Regierung erhalten, regelwidrige Informationen zu übermitteln“, erklärte Firmengründer Ren Zhengfei. Und: Kein Gesetz in China zwinge Huawei, „Hintertüren“ in seinen Geräten und Technologien für die Überwachung durch Sicherheitsbehörden in Peking zu installieren. Sollten diese in Zukunft von Huawei fordern, zu spionieren, werde er definitiv „nein“ sagen.
Dennoch plant die Bundesregierung in ihrer Nibelungentreue zu den USA, Huawei von den 5G-Netzen ganz oder teilweise (Kernnetze) auszuschließen. Notfalls durch verschärfte, auf Huawei zugeschnittene Sicherheitsstandards und/oder ein neues Telekommunikationsgesetz. Der deutsche Industrieverband warnt vor einer solchen Lex-Huawei und vor einer Vorverurteilung: „Es ist völlig verfehlt, einem Hersteller eine Gefährdung zu unterstellen, wenn dies nicht erwiesen ist“, erklärte BDI-Präsident Dieter Kempf, selbst Digitalexperte. „Wenn es jemand gibt, der solche Mutmaßungen aufstellt, dann hat er auch die verdammte Pflicht, diese Mutmaßungen zu beweisen“. Und: „Kein Wettbewerber darf aufgrund von Mutmaßungen ausgeschlossen werden“. Es habe niemand den Beweis erbracht, dass der Einsatz von Huawei-Technik deutsche Sicherheitsinteressen gefährde. Auch stelle sich die Frage, wer an die Stelle von Huawei treten könnte. „Wir haben keinen inländischen Hersteller von dem Rang und der Qualität“.
Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnologie (BSI) versichert, dass man in Fragen der Cyber-Sicherheit gut mit Huawei zusammenarbeite. Das Unternehmen gewähre der Behörde mehr Einblicke in seine Technik als manch ein Konkurrent. Vor einigen Monaten hat Huawei in Bonn unweit des BSI ein „Security Innovation Lab“ eröffnet, das auch dem BSI zur Verfügung stehe. „Backdoors“ (Hintertüren) oder andere Manipulationen habe man bei Huawei bisher nicht entdecken können (FAZ, 30.1.19). Sachar Paulus, Professor für IT-Sicherheit an der Hochschule Mannheim, früher für den Softwarekonzern SAP als Sicherheitsverantwortlicher tätig, sagt: „Ich weiß aus meiner vorherigen Tätigkeit, dass es Hintertüren für den Staat in der Software von amerikanischen Produkten gibt“. Auch die SZ schreibt mit Hinweis auf die NSA-Affäre: „Es sei nie völlig auszuschließen, dass es Hintertüren gebe. Zumindest die amerikanischen Geheimdienste können das ganz gut beurteilen. Sie sind Meister darin, selbst solche digitalen Pforten einzubauen“. Der Whistleblower Edward Snowden hatte 2013 unter anderem enthüllt, dass Server des US-Anbieters Cisco Sicherheitslücken aufwiesen, die von der NSA gezielt genutzt wurden (HB, 6.2.19). Umgekehrt haben weder die US-Geheimdienste noch andere Sicherheitsbehörden in Huawei-Produkten jemals eine gravierende Sicherheitslücke entdeckt.
Wird Huawei vom Aufbau des deutschen 5G-Netzes ausgeschlossen, so kostet das viel Zeit und Geld. „Wir können nicht auf Huawei verzichten, wenn wir beim globalen Wettrennen um 5G nicht zurückfallen wollen“, sagte der Manager eines großen Netzbetreibers in Deutschland. „Falls Huawei ausgesperrt wird, stockt der Netzausbau. Und wir müssen uns auf deutlich höhere Preise für Mobilfunk einstellen“ (zit. nach HB, 17.1.19). Die Deutsche Telekom befürchtet, dass sich der Bau von 5G-Netzen bei einem Ausschluss von Huawei um mindestens zwei Jahre verzögern könnte (FAZ, 30.1.19). Aber vielleicht ist das gerade der Hintergedanke bei der US-Strategie!? Denn Ziel Deutschlands ist es, weltweit zum Innovationsführer beim Internet der Dinge zu werden (vgl. HB, 8.2.2019).
Sollten die US-Verbündeten nicht freiwillig auf Huawei-Technik verzichten, so blieben Washington noch die Waffen Sanktionen und exterritoriale Sekundär-Sanktionen, um sie zum Verzicht auf die Verbauung von Huawei-Technik und den Konzern in die Knie zu zwingen. Solche Sanktionen wären z.B. bei einer Verurteilung von Huawei in dem angestrebten US-Prozess denkbar. Jeder, der dann Geschäfte mit Huawei macht, würde vom Bannstrahl aus Washington getroffen.
Das US-Waffen-Arsenal im Handelskrieg ist breit gefächert: Sanktionen, exterritoriale Sekundär-Sanktionen, Boykott, Embargo, strafrechtliche Anklagen, Unterbrechung der Wertschöfungsketten (z.B. durch Verweigerung zentraler Bauteile/Chips), Ausschluss vom internationalen Zahlungsverkehr (SWIFT), Strafzölle, … Frei nach Clausewitz: Handels-Krieg ist eine bloße Fortsetzung der Konkurrenz mit anderen Mitteln.